Der Ghostwriter – Roman Polanski inkl. einer kritische Bemerkung zu der aktuellenHitchcock Vergleichs-Inflation zum Tode von Claude Chabrol!

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  13. September 2010, 13:03  -  #Filme

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Vorab: Wer keine Filme von klassischer Eleganz mag, sollte schon jetzt die Finger von diesem wahrscheinlich sehr euphorischen werdenden Artikel lassen.

 

Erst vorgestern habe ich den großartigen Satz: „…ein guter Krimi lügt nie….“ gehört. Für einen Regisseur hat dies zum Nachteil, dass er einem Grundmuster folgen muss. Folgt der Filmemacher dieser Regel nicht und lässt sich von zu vielen Subtilitäten ablenken, gehen Spannung und Schlüssigkeit verloren. Wahrscheinlich ist es am Wichtigsten, dass man sich für einen solch gekonnt und wirkungsvoll inszenierter Film sehr viel Zeit nimmt und sich mit der Romanvorlage von Robert Harris arrangiert ohne zusätzliche Eitelkeiten ins Spiel zu bringen.

 

„The Ghostwriter“ ist von der ersten bis zur letzten Sekunde eine präzise Abstimmung von Spannung, komplexer Einführung der Charaktere und genialer Bildgestaltung.

 

Insbesondere der Hauptspielort, das Anwesen des Ex-Politikers Lang vor der amerikanischen Ostküste, wird sich ähnlich wie das Schloss „Manderley“ aus Hitchcocks „Rebecca“ in mein Hirn matern. manderley-Kopie-1.jpgDie langen Gänge, die verwinkelten Ansichten, das stürmische Wetter und die moderne Architektur, machen dieses kühle, schicke Hochsicherheitshaus zu einer weiteren Hauptrolle, aber auch zu einem scheinbar unsichtbar Verbündeten des Regisseurs. Das Haus erklärt einerseits funktional die gescheiterte Beziehung zwischen dem Ex-Politiker und seiner Frau, unterstützt zeitgleich elegant die vielen Fragezeichen die Hauptakteur McGregor als Ghostwriter mit sich rum trägt. Polanski nutzt die funktionale Statik, um eine der Grundregeln des Thrillerkinos perfekt zu folgen: Informiere das Publikum immer ein Stück vor Deinem Protagonisten und mach den Zuschauer zum Verbündeten der Kamera.

 

Der Inhalt des Filmes ist schnell erzählt: Ein Ghostwriter (Ewan McGregor) soll die Memoiren des früheren Premierministers Adam Lang fertig schreiben. Die Zeit drängt, aktuelle politische Situationen erfordern ein schnelles Erscheinen des Buches. Der namenlose Ghostwriter entdeckt einige Geheimnisse und sein Buchprojekt scheint vorerst zu scheitern.

 

Mit großem handwerklichem Können erweist Polanski, Alfred Hitchcock seine Referenz. 0,,1563236 1,00Dieser Satz ist inzwischen eine Phrase geworden, die selten in solchen Artikeln belegt wird. Bei diesem Film finde ich eben diesen Bezugspunkt des Kinopublikums mit dem sympathischen namenlosen und funktionalen Ghostwriter am wichtigsten für die Hitchcock-These. Ewan Mc Gregor ist großartig besetzt. Das erstmal seit Tim Burtons „Big Fish“ zeigt er, dass er einen Film alleine tragen kann und er sich mit der von Hitchcock erfundenen Idee, sympathische Schauspieler wie Peck, Grant und Stewart,  in eine neue Situation zu schicken, ohne, dass sie irgendwas daran selbst verschuldet haben und sich somit  unglaublichen Verstrickungen aussetzen müssen.

 

Im Laufe der über 120 Minuten entfaltet der Film so etwas wie eine stille Wucht. Wahrscheinlich liegt das auch an der Kammerspielartigen Dramaturgie. Im Wesentlichen ist das die Insel und das Anwesen des Politikers. Besonderst wirkungsvoll, ist dann auch ein kurzer „Ausbruch“ des namenlosen Ghostwriters auf das Festland, um einer Recherche nachzugehen. Die Enge der Weite wird auf einmal ein zentrales Thema. Wahrscheinlich eine Metapher zu Polanskis persönlicher Situation, vielleicht aber auch einfach nur ein Zufall. Diese Welt ist eng geworden! Die Kongeniale Verwebung von Produktplatzierung und Ausschöpfung moderner Kommunikationsmittel ist hier Stil weisend für Nachfolgefilme der nächsten Jahre.

 

Der „Jedermann“ Ewan McGregor ist ohne Frage richtig an Ort und Film. Wer seine beiden Motorradreisenreportagen gesehen hat, weiß, wie begeisterungsfähig der Privatmann McGregor ist. Umso mehr freut man sich für ihn, dass er die Möglichkeit hat in diesem Film auf den unvergessenen und tatsächlich noch lebenden Eli Wallach (94 Jahre) zu treffen. tuco_01.jpgIn einem weiteren Cameoauftritt sieht man James Belushi. Pierce Brosnan als Ex-Premier ist dankbar -aufgrund seines seriösen Aussehens und seiner doppelbödigen Sympathiewerte- besetzt. Die schauspielerische Überraschung des Filmes ist Olivia Williams, die Langs Ehefrau spielt. Mühelos spielt sie dann auch die Sexbombe Kim Cattrall an die Wand.

 

Der Meisterregisseur Polanski beweist mit diesem Thriller, dass Spannung eben nicht durch Verfolgungsjagden, Kampfszenen und Action belegt werden muss. Im Vordergrund stehen muss das Drama! Polanski erfüllt diese Forderung und liefert hier einen in sich geschlossen und meisterhaften Film, ab der im Laufe der Jahre zu einem Klassiker werden kann.

 

Nach dem grandiosen Scorsese Film „Shutter Island“ habe ich meinen zweitbesten Film des Jahres 2010 gesehen! Beide Filme folgen Alfred Hitchcock und beide folgen dem gleichen Setting: Eine Insel, ein einsames Gemäuer. Es gibt weitere Parallelen, die sich auch vor dem Hintergrund eines schlüssigen Drehbuchs vergleichen lassen: Die Selbstzweifel des Helden und die beiden verstörenden Enden.

 

Ach, man kann gar nicht aufhören über diesen Film –aber auch über Shutter Island– zu schreiben, zu überlegen und zu sehen. Beide Filme faszinieren mich nicht nur wegen dem nostalgischen Handwerk der Filmkunst, sondern auch wegen den Realitätssinn und traumatischen Wahnbildern!

 

Am Sonntag ist im Alter von 80 Jahren der französische Filmregisseur Claude Chabrol gestorben. 135121862_177ad3e550_o.jpgChabrol war einer der größten zeitgenössischen Cineasten. Das meine ich nicht hinsichtlich seiner längst vergessenen Filme, sondern wegen seiner gemeinsamen Obsession zum Film insgesamt. Mit seinen Kumpels Truffaut und Rohmer liebte er das Kino, auch das amerikanische! Was übrigens häufig im falschen zeitlichen Zusammenhang dargestellt wird.  

 

Fälschlicher Weise wird der Regisseur nun in einigen Nachrufen mit Alfred Hitchcock verglichen und sogar als der französische „A.H.“ bezeichnet. Wie seine Kollegen aus Frankreich verfolgte Chabrol ehr einen kritischen Blick hinter die Fassade des bürgerlichen Lebens und stellte sich anfangs gegen die etablierte Filmwelt. So ist es richtig!

 

Chabrol hat gemeinsam mit seinem Freund Truffaut, Hitchcock verehrt und ihn auch gemeinsam Interviewt. Weiterhin hat er ein bemerkenswertes Buch über Hitchcock gemeinsam mit Eric Rohmer verfasst (paris: Editions Universitaires 1957). Beide Publikationen empfehle ich denen zu lesen, die einfach mal so solche Vergleiche vom Stapel lassen. Chabrol war ein ungemein ironischer, lustiger und selbstkritischer Mann. Er hätte selbst über diesen Vergleich gelacht. Denn seine Filme waren zum Teilbeeinflusst von Hitchcock, aber eben nicht vergleichbar. Es war die zarte Ironie die Chabrol an Hitch faszinierte.

 

Um den Kreis zu schließen. Polanski und Scorsese sind in der Lage Hitchcocks Werk weiter zu denken und ins neue Jahrtausend zu überführen. Immer unter dem wesentlichen Aspekt des Kinos: Das große Publikum zu unterhalten und nicht elitär zu sein, denn elitär ist nur die schreibende Horde von zu nehmend schlechten Filmkritikern.

 

Alan Lomax

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