Armee im Schatten - Jean-Pierre Melville
Liebe Leserinnen und Leser!
Die Filme des Franzosen J.-P. Melville sind eine Besonderheit in der Kinolandschaft. Von 1945 bis 1972 drehte er insgesamt 14 Filme, von denen v.a. die folgenden drei meines Erachtens überaus sehenswert sind:
- 'Der Teufel mit der weissen Weste' mit Jean Paul Belmondo in der Hauptrolle
- 'Der eiskalte Engel' mit Alain Delon
- 'Vier im roten Kreis' mit Bourvil, Delon, Volonté und Yves Montand in den Hauptrollen
Besonders der zuletzt genannte ist für mich einer der wirklich schönsten Kriminalfilme des französischen Kinos.
Was das Besondere an seinen Filmen ausmacht, ist die Art wie er erzählt, seine Bildsprache, die oft reserviert spielenden Darsteller, der sparsame Gebrauch der Musik. Dadurch schafft er eine ungewöhnliche, fast meditative Atmosphäre/ Stimmung, wodurch seine Filme einen Ausstrahlung erhalten, die im Kino einzigartig ist.
Als ich gestern 'Armee im Schatten' sah, wusste ich lediglich, dass Melville diesen Film im Jahr 1969 gedreht hatte. Zur Handlung war mir nichts bekannt. Nebenbei: immer mehr spüre ich, wie wichtig es im Vorfeld ist nichts über einen Film zu wissen. In der heutigen Zeit ist der Overkill mit Werbung aller Art dermaßen überdimensioniert, dass man die Handlung und alles andere kennt, noch bevor man im Sessel Platz genommen hat.
Doch zurück zum Film. Ich wusste nicht was mich erwartete. Der Film spielt 1942 im besetzten Frankreich. Wir sehen in ruhigen langen Einstellungen wie Lino Ventura in Handschellen in ein Gefangenenlager transportiert wird. Erst allmählich wird dem Zuschauer bewusst, welche Rolle er in Frankreich dieser Zeit spielt und nach ca. einer halben Stunde wird der Gesamtzusammenhang deutlich.
Es geht um Mitglieder der Résistance, die mit allen Mitteln versuchen aus dem Untergrund ihren Beitrag zu leisten. Melville schildert das fast dokumentarisch. Es gibt keine Action-Szenen, keinen triefenden Pathos, keine Polarisierung. Den ganzen Film hindurch sind wir neutraler Beobachter. Der Kameramann Pierre Lhomme zeigt die Handlung in klaren, präzisen und realistischen Bildern mit hoher atmosphärischer Dichte und z.T. kunstvoller Ausleuchtung. Die Musik von Eric Demarsan ist absolut zurückhaltend und zweckdienlich eingesetzt.
Durch diese Mittel wird ein Milieu, eine Umgebung ständiger Bedrohung und Angst erschaffen, bei dem der Zuschauer nicht erahnen kann was als nächstes passiert. Melville war selbst in der Résistance tätig und man merkt dem Film an, dass der Regisseur seine Erfahrungen einfliessen lässt. Immer wieder erfährt der Zuschauer etwas über das Innenleben der Protagonisten, die aus dem Off kommentieren. Das geht aber nur soweit, dass einzelne Fragmente an die Oberfläche gelangen, so dass eine Identifikation nicht möglich wird.
Der Film ist phasenweise sehr bedrückend und emotional intensiv, zudem zeigt er, wie gefährlich, aber auch frustran und quälend die Arbeit dieser Menschen war, gewesen sein muss.
Ein weiterer grossartiger Film dieses französischen Ausnahmeregisseurs, an den von Zeit zu Zeit immer wieder erinnert werden muss.
Herzliche Grüsse,
Ihr
Rick Deckard