Wolfgang Pérez –Live in der Philharmonie Köln 13.01.2022 Köln und Review Album Who Cares Who Cares
Part I - Live in der Philharmonie Köln 13.01.2022
Round ist eine Konzertreihe, die von Tobias Thomas und Thomas Meckel kuratiert wird. Die Idee ist sehr gut: Eine betont offene Konzertreihe zwischen experimentellen Pop und neuer Musik. Auf der etablierten Bühne der Kölner Philharmonie. Zuschauer sitzen nur auf der Chor-Empore. So ist der große Raum geschlossener. Für die Zuschauer ist der Blick von „hinten“ auf die Band, die natürlich auch vom großen Saal abgewendet spielt, erstmal verblüffend, später faszinierend. Auch weil die Band um Wolfgang Pérez versucht das leerstehende Auditorium mit Performances und einer überlegten Dramaturgie zu füllen.
Pérez und sein Oktett (inkl. Performance-Künstlerin) präsentieren an diesem Abend eine höchst sympathische Mischung aus reiner Konzentration auf die Musik und kürzeren Tanz- und sowie Poetryslam Einlagen. Rockstarposen gibt’s wenig.
Der Sound der Band ist opulent und erschließt sich nun im Konzertsaal zu einem sehr ambitionierten und aufbrechenden Post-Jazz, mit einer Ähnlichkeit zu dem Kollektiv Broken Social Scene, die einst die Vorlage im Post-Rock gabenl. Der kanadische Sänger und Bandleader Kevin Drew neigt ebenso wie Pérez und seine Musiker zu freien Songstrukturen, Erwartungen, zum Experiment und dem Wunsch zum Grandiosen, ohne dabei jemals ein konkretes Genre zu Ende bringen zu wollen. Pérez Songs „Sunshine Forever“, aber auch insbesondere der ältere intelligente Auto-Tune-Hit „Today’s Special“ suggerieren ständige Schönheit und lehnen die Unterwerfung einer Kategorie ab. Ich hatte „Jazz“ in Raum gestellt. Die Idee der Jazzmusik war es immer, die sofortige Befriedigung des Hörers abzulehnen. Und obwohl mehr Pop und vielleicht auch manchmal Experiment und sehr viel Bossanova Anleihen eines Antonio Carlos Jobim, Joao Gilberto oder dem aus Köln stammenden Ingfried Hoffmann: Freiheit und Zeit, das Interesse an Kontrast und Variationen. Chega de Saudade! Eine Art Wunderpille, gegen Schmerz und für die Schönheit des Augenblicks!
„Ich bin halb Spanier, halb Deutscher, oder sowas, wer hätte das gedacht bei dem Namen“, sagt Wolfgang Pérez zwischen zwei Songs und beschreibt seine musikalische Herkunft an der Stelle vielleicht sogar deeper als es scheinbar selbst geahnt. Entspannung, Leichtigkeit und eine Priese „Um die weite Welt zu sehn“ sind die zentrale Motive in Pérez Texten. So auch in dem Song „Times To Ease“. Der sich nach dem Mittelteil der Zerstreuung zum Ende zu einem eindeutigen grandiosen musikalischen Höhepunkt entwickelt.
„Ich war niemand, der sich wiederholen mochte. Ich musste immer weiter. Dafür, dass man mich damals machen ließ, bin ich dankbar“. (Marcos Valle)
Wolfgang Perez und seine wundervolle Band vermittelt an diesem Abend, einen ähnlichen Eindruck. Am Ende wird nochmal eine Reprise Version des schlafenden Radiohits Who Cares Who Cares gespielt. Als Belohnung für Publikum und Band für ein wunderschönes Konzert in Zeiten der Dunkelheit. Die Band bekommt jede Menge Rosen und die Vorfreude auf alles Weitere ist sehr groß!
Epilog
/image%2F1097423%2F20220114%2Fob_0ef245_dsc00210-wide-89c11e53b64e152722265c36.jpg)
Vielleicht sollte ich noch unbedingt den amerikanischen Musiker Omar Banos (Cuco) erwähnen. Banos ist musikalisch etwas mehr dem Lo-Fi-Indie Pop verschrieben. Leider wird Cuco häufig in die Ecke Bedroom-Pop bzw. DIY Künstler gesteckt. Boy Pablo aus Norwegen, wird von der (v-) erwachsenen Musikpresse häufig als einfältig und dilettantisch beschrieben und da ich gerade dabei bin: Kero Kero Bonito wird ehr von den Kindern der Alteingesessen wahrgenommen, weil sie mit J-Pop und Tweelectro in Zusammenhang gebracht werden. Und selbst eine ausgewiesene DIY-Schlafzimmer Ikone wie Rex Orange County, der inzwischen, mehr tiefgehende und immer bleibende, epochale Popsongs geschrieben hat, als ein Joe Jackson, wird von vielen als zurückliegend belächelt.
Interessanter Weise belächeln genau diese Traditionellen Hörer diese Künstler und das obwohl sie doch früher einmal, sehr empfindsam auf das Belächeln der eigenen Popkulturellen Geschichte reagiert haben. Die aufgezählten Musiker inkl. dem hier eigentlich zu besprechenden Pérez haben viel gemeinsam und stehen vor allem für einen wesentlichen Aspekt ihrer Kunst, den wir hier ganz einfach mit dem selten genutzten Wort: Eklektizismus zusammenfassen können.
Denn grundsätzlich geht es diesen Musikern der gleichen Generation erstmal nicht um den sog. Klick und der perfektionistischen Handarbeit, sondern um die größtmögliche Selbstbedienung an unterschiedlichen Musikstilen. Diese waren häufig nur Kennern und Musiksammlern vorbehalten. Um diese gesammelten Harmonien, Riffs, Beats und Bezüge, nicht nur als Elemente für ihre Kunst und als Mittel zum Zweck -aus dem Plattenregal der Eltern- gezogen werden, sondern auch als Referenz, mit millionenfachen Samplemöglichkeiten und Ideengrundlage genutzt werden und als Teil ihrer glücklichen Jugend (sic!) gesehen werden und eben nicht als Bollwerk der musikalischen Gegenrevolution ihrer eigenen Jugend entspricht, so wie das ehr der Haltung und Werten meiner deutlichen älteren Generation entspricht.
Das milde lächeln der Älteren, wenn junge Multiinstrumentalisten wie z. b. ein Gus Lobban (Kero Kero Bonito) sich auf einen Chico Hamilton oder Saint Etienne beziehen, ein Boy Pablo mit lateinamerikanischen Einflüssen glänzt, Cuco aus Überzeugung mit einer unfassbaren Ausgewogenheit gute Popsongs macht, die oftmals von seiner Gier nach Psychedelika garniert werden und dann sogar in den 50er-Jahren enden, noch einen Casio-Orgel-Sound hinzufügen und wir uns im Endergebnis an die schönsten Songs von John Lennon oder Brian Wilson erinnern, ist ja nicht schlimm. Aber dumm, denn während diese jungen Musiker neues schaffen, dass sich auf altem aufbaut, bleiben die nachfolgenden Generationen einfach stehen.
Das Wolfgang Pérez und auch seine Band musikalisch, handwerklich etwas feiner und ambitionierter sind, als die international genannten Kollegen, muss fairerweise erwähnt werden. Wolfang Pérez erstes Album ist bei Fun In The Church veröffentlicht worden.
Am Samstag um 22. Januar 2022 wird Wolfgang Pèrez zu Gast in unserer Sendung musikabend auf 674FM mit einem kleinem Radio-Konzert und im Interview zu hören sein.
Reprise
Am 29. Januar 2019 war der große Ingfried Hoffmann zu Besuch bei uns im Studio und wir erinnern uns gerne daran, wie Hoffmann von seiner Band Steel Organ und Klaus Doldinger erzählte, mit der er lange Zeit in den Sechzigern durch Südamerika tourte und sich später als Komponist (Manfred, Krug, Sesamstraße, RT&F etc.) auch sehr viele Elemente aus dieser Zeit neu zusammensetzte. Wolfgang Pérez klopft an seine Tür…
Ingfried Hoffmann im Gespräch mit Alan Lomax - www.lomax-deckard.de
Am vergangenen Samstag hatten wir Ingfried Hoffmann in unserer Radiosendung musikabend feat. lomax-deckard.de. Ingfried Hoffmann ist dem breiten Publikum sicherlich "als der Mann der das ...
http://www.lomax-deckard.de/2019/01/ingfried-hoffmann-im-gesprach-mit-alan-lomax.html