Bernardo Bertolucci - Der letzte Monumentalfilm

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  1. Dezember 2018, 14:18  -  #Filme

Bildquelle: rollingstone.com

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Ich erinnere mich sehr genau an das Jahr 1987. Wenn man seine filmische Sozialisation mit bildgewaltigen Meisterwerken wie Lawrence von Arabien, Spiel mir das Lied vom Tod und 2001 - Odyssee im Weltraum erfährt, dann war Der Letzte Kaiser des italienischen Regisseurs Bernardo Bertolucci Ende der 80'er Jahre eine einzige Offenbarung.

Ich habe es vermutet und Bertolucci erklärte in einem Interview, warum er diesen Film drehte: Er wollte Hollywood zeigen, dass es weiterhin möglich sei einen Monumentalfilm zu drehen! Was für ein Ansinnen.

Als der hervorragend gemachte Trailer in den Kinos anlief, traute man seinen Augen kaum: Überlebensgroße Geschichte, prächtige Bilder, ein Epos kündigte sich an! Die Erwartungen waren groß und sie wurden - ein Schock - zunächst nicht erfüllt. Die Erwartungen an Bertolucci waren zu groß und wie immer falsch.  Der berühmte amerikanische Filmkritiker Roger Ebert drückte das in einem einzigen Satz perfekt aus:

"This is a strange epic because it is about an entirely passive character."

Der Film war merkwürdig und es brauchte Zeit, um zu verstehen, als was er von Bertolucci konzipiert wurde. Es war nicht die übliche Herangehensweise an solche Stoffe, wie man sie aus Hollywood kannte und gewohnt war. Bertolucci wählte einen viel intimeren, einen auch für den Zuschauer ungewohnten Ansatz: Man war stiller Beobachter. Es gab keinen Helden zu bewundern, keine Action, das Land, seine Geschichten und die Menschen waren einem fremd. Es brauchte Zeit, sich der Geschichte und seinem Charakter zu nähern. 

Über die Zeit wurde der Film "populärer", die Erzählung greifbarer. Ein Blick in meine persönliche Filmbibliothek beruhigte mich: Ich besitze die Arthaus Premium Edition mit dem 210 Minuten langem Director's Cut. Weihnachten und die Ferienzeit naht, es wird Zeit sich diesem Film erneut zu widmen.

Peter O' Toole wurde zum Überhelden durch "Lawrence". Dass Bertolucci ihn in Der letzte Kaiser besetzte, machte ihn selbst zu einem grossen Regisseur. Diese Art sekundärer Verehrung versteht sich in Nerdkreisen von alleine.

Mir war ein wenig befremdlich zumute. Aber darf man einen Regisseur nicht auch nur für einen Film verehren und nicht stets für sein ganzes Oeuvre? Bertolucci gehört zu diesen Regisseuren. Ich habe weder den viel zitierten Der letzte Tango in Paris gesehen, noch Himmel über der Wüste noch Novencento. Einzig Little Buddha ist mir wegen einiger imposanter Episoden in Erinnerung geblieben. Ich habe also keinen grossen Bezug zu diesem Künstler.

Aber ich werde ihm immer dankbar sein, dass er Ende der 80'er Jahre Hollywood und der Welt zeigte, dass es möglich ist ein Epos zu drehen. Für diesen Mut und diese Leidenschaft bleibt er für immer in Erinnerung.

Hollywood dankte es ihm mit 9 Oscars und 4 Golden Globes.

Bernardo Bertolucci verstarb am 26. November 2018 in der ewigen Stadt.

Rick Deckard

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