Fargo - Staffel 2

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  15. Januar 2016, 11:36  -  #Fernsehen

BRUCE UND RONALD! IKONEN DER TRASHKULTUR!

BRUCE UND RONALD! IKONEN DER TRASHKULTUR!

Bereits die erste Episodenstaffel von Fargo hat einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Selbst Amigo Rick Deckard hat die Serie gefallen und das muss man als bedeutsam festhalten, da er selbst aus erklärten Gründen, festgestellt hat, dass diese Format zeitraubend und quatsch ist. Da alle Staffeln erzähltechnisch abgeschlossen sind, gibt es bei diesem Episodenformat vielleicht die kleine Chance, eine Ausnahmesituation für Rick und dem Genre zu schaffen.

Die Verwebung der ersten Geschichte hat dem Spötter aber gefallen. Lesen Sie hier seine nachvollziehbaren Eindrücke und wohl beste Zusammenfassung im deutschen Internet der Serie nach: http://www.lomax-deckard.de/2015/08/fargo-serie.html

Die dramaturgische Verbindung der einzelnen Staffeln ist im Grunde genommen, die von den Coen Brothers geschaffene Welt des gleichnamigen Filmes Fargo aus dem Jahre 1996. Wobei es der lediglich der Kniff der einzelnen Staffel ist die Atmosphäre und bestimmte Motive des Filmes zu übernehmen.

So spielt auch die zweite Staffel nicht in der Stadt Fargo. Ebenso übrigens nicht wie der Film oder die erste Staffel. Als Heimat des Sujets muss man den US-Bundesstaat Minnesota sehen, aus dem auch die Coen-Brüder stammen.

Hat man sich durch all‘ diese Frage angenehm gequält und ist sowieso ein Fan der detailreichen und lakonischen Filme der Brüder, kennt somit die liebevolle Erzählweise der beiden, wird man feststellen, dass das alles doch ein Heimatfilm ist. Ähnlich wie Alexander Payne ist seinem Meisterwerk NEBRASKA den Bundesstaat eine Hauptrolle gibt, huldigen auch Joel und Ethan die provinzielle Heimat. Denn Minnesota ist neben Alaska der nördlichste Staat der USA und der mit den meisten Seen.

Um es vorweg zu nehmen, diese Staffel macht endlosen Spaß und gilt für mich schon jetzt als KULT im Sinne der Definition von Rick Deckard. Noch einmal wurde der Zynismus, die wundervollen Charaktere, der Einfallsreichtum der Story und insbesondere die Dialogführung verschärft und auf ein neues Level des Spannungs- und Lachniveaus gehoben.

Die Geschichte spielt 1979 in dem Kaff Luverne und handelt von dem Ehepaar Peggy und Ed Blumquist, die dummerweise und unüberlegt, mit der Vertuschung einer Unfallflucht einen Bandenkrieg auslösen. Untersucht wird der Vorfall von den beiden State Troopern Lou Solverson einem Vietnamkriegsveteran und seinem Schwiegervater dem County Sheriff Hank Larrson.

Wer ein wenig das Kino liebt, muss –aus zwei Gründen– bereits jetzt an Lachataken um Atem ringen: Natürlich wegen den genialen Vor- und Nachnamen sowie der Besetzung mit den Schauspielern: Kirsten Dunst, Jesse Plemons, Patrick Wilson und Ted Danson (!).

Die folgende Erzählweise ist absolut linear und chronologisch, was den unterschiedlichen Regisseuren extrem viel Freiraum für ihre Interpretationen der Charaktere lässt bzw. den formal thematischen Vorgaben der Coen Brother bei den Titeln der einzelnen Episoden, die zugleich auch die Motive und Texturen der Dramaturgie sind.

So bezieht sich z. B. die frühe Folge 2 BEFORE THE LAW auf einen Text von Franz Kafka, der von einem Bauern erzählt, der verzweifelt versucht, den Eintritt in das Gesetz zu erlangen und an einem Türhüter scheitert. Die Episode spielt am 18. März 1979. Der bedauerliche Ed Blumquist versucht die Leiche des Toten Syndikatsmitglied Rye Gerhards (Kieran Culkin) zu entsorgen. Glücklicherweise hat Ed nicht nur Zutritt zur Metzgerei, sondern er ist auch einer. Was ihn später den Spitznamen der Fleischer von Luverne einbringen soll. Während Ed also Hackfleisch herstellt, spaziert der etwas plump aber clever agierende Trooper Lou in die Metzgerei um Speck zu kaufen. Ed versucht, Lou nichts von der Leichenentsorgung merken zu lassen, obwohl das bei der Sauerei ehrlich gesagt sehr unmöglich und gleichsam sehr komisch ist. Abgesehen davon erleben wir Ed hier natürlich das erste Mal BEVOR THE LAW.

Alleine diese literarischen Bezüge verleihen der Serie eine Sonderrolle. Besonders schön weiterhin sind die zeitlichen politischen und kulturellen Bezüge. So sehen wir z. B. die B-Movie Ikone Bruce Campbell kurz in der Rolle des Ronald Reagan den seinen Wahlkampf für die kommenden Präsidentschaftswahlen nach Luverne führt. Unser Lieblingstrooper Lou ist für die Eskorte verantwortlich und muss ihn bis zur Bundesstaatsgrenze begleiten. Dabei kommt es zu einer (ich will nicht zu viel verraten) LEGENDÄREN Sequenz auf einer miesen Toilette, wo sich die Wege und der Dialog (!) der beiden kreuzen.

Neben den genannten Schauspielern, die alle entweder bewusst gegen die Rollen besetzte sind, wie z. B. Kirsten Dunst, aber deswegen noch großartiger sind, gibt es natürlich die alt-bekannten Stereotypischen Ganoven. Jeder einzelne muss hier eigentlich einen blog Eintrag bekommen, da die Rollen so genial angelegt sind, dass Kostüm, Geste, Wortwitz, Waffe und Vorgehen jedes Einzelnen es wert sind. Mit anderen Worten ULTRAKULT!

Herausheben möchte ich aber den wohl grandiosesten Charakter seit Vincent Vega oder (frei austauschbar) Jules Winnfield. Denn die Rolle des Mike Milligan (bitte merken Sie sich diesen Namen) vereint beide Tarantino Haudegen. So eine Rolle ist natürlich ein Geschenk für’s Leben. Die in diesem Fall der Schauspieler Bokeem Woodbine bekommen hat.

Natürlich ist er die personifizierte Fortsetzung des Gauners Lorne Malvo, gespielt von Billy Bob Thornton, aus der ersten Staffel. Genial natürlich angelegt als sadistischer, kalt-herziger Psychopath ist Mike Milligan das genaue Gegenteil. Milligan ist ein an sich selbstzweifelnder, ständig am redender Intellektueller der jetzt noch über Astronomie philosophiert und davor noch kurz den politischen, tagesaktuellen Weltstatus in einem Satz zusammengefasst hat. Milligan ist der Star unter den Stars der Serie, mit dem Potenzial einer der unvergesslichsten Filmcharaktere aller Zeiten zu werden.

Ich muss einfach noch kurz auf die Sequenz hinweisen als WIR alle, die diese zweite Staffel je sehen werden oder gesehen haben, sich in Mike Milligan verliebt haben. Es ist die Sequenz als er von Hank (Ted Danson, ich kann es nicht oft genug erwähnen) während einer routine-mäßigen Verkehrskontrolle gestoppt wird und angefangen bei dem Familie Feuerstein Vergleich bis hin zum Schlußwort der Diskussion mit dem Cop alle richtigen Wörter, in der besten Ordnung mit der genialsten Intensität und Tonalität erwischt. Auch diesmal: Ich will nicht zu viel verraten, aber das ist ULTRAULTRAULTRA Kult und sorgt bei mir gerade für eine brachiale Lachatake inkl. blutstauender Gesichtsmuskelverrenkung.

Und bitte noch kurz ein Wort zur unfassbaren Kirsten Dunst, die für die Rolle der positiven Peggy alle Emmy’s und Golden Globes des Jahres verdient hat. Peggy Blomquist ist eine hochtragische Figur. Sie träumt von der großen Welt, von Glamour. Leider arbeitet sie aber nur als Frisörin und ist mit dem Fleischer von Luverne verheiratet. Der zwar ein lieber Kerl ist, aber mit dem Verständnis eines Dreizehnstreifen-Hörnchen (Wappentier von Minnesota) ausgestattet ist. Dabei ist sie natürlich in erster Linie Kirsten Dunst, die unfassbar gut aussehende Schauspielerin. Man denkt die ganze Zeit, es passt einfach nicht. Wenn man dann aber beginnt z. B. auch über ihre unfassbar hässliche Kleidung in FARGO nachzudenken, fällt einem auf das sie das Beste aus sich macht. Die Kleidung sieht billig aus, aber dennoch eben nicht so, wie man sie bei einer Dorfschönheit 1979 vermutet. Eigentlich passt nichts bei ihr. Und auch ihr Partner Ed, besetzt mit Jesse Plemons bekannt aus Breaking Bad, verstört mit seiner Ruhe und gleichzeitiger Dumpfheit. Denn war Martin Freeman Rolle als Lester Nygaard in der ersten Staffel noch nachvollziehbar, ärgert man sich über die Blumquists eigentlich nur permanent bis dann Freitag, der 23. März 1979 in Form der Paradoxie des Haufens auftritt, eben auch bekannt dafür, dass sich keine konkrete Anzahl an Elementen, aus denen ein Haufen mindestens bestehen muss festlegen lässt.

„Jesses“, was soll man sagen, wenn man tatsächlich mal wieder so ein fantastisches, unterhaltsames und verdammt gut gemachtes Werk Filmgeschichte sieht: Man könnte von Meisterwerk sprechen um es anderen Menschen schmackhaft zu machen. Jedoch wissen wir, dass das zu inflationär ist. Ein Meilenstein ist Fargo natürlich nicht. Will es auch nicht! Denn neu erfunden ist hier natürlich nichts und zu einer Veränderung der gesamten Kulturgattung wird Fargo II uns auch nicht führen. Aber! FARGO 2 ist ein wunderbares Stück Unterhaltung, welches einem den Tag rettet, mit jeder einzelnen Folge. Man wacht bereits morgen mit einem Lächeln im Gesicht auf, weil man sich darauf freut, abends auf dem Sofa zu liegen und auf Play zu drücken. Bewahren möchte man sich das Werk auch. Aber das wird bestimmt passieren. Menschen werden noch in Jahrzehnten über Milligan, den Blumquist’s, Lou, den Gerhards und Ted Denson sprechen und verstehen, dass diese Staffel der Spätwestern, eines Spätwesterns ist! Und diese Liebe muss erst verstanden werden. Denn die Handlung basiert auf einer wahren Geschichte….

Schöne Grüße aus Luverne

Alan Lomax

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