Leben und Sterben in L.A. - William Friedkin
Erzählt wird die Geschichte zweier Polizisten in Los Angeles, die einem Geldfälscher das Handwerk legen wollen.
Es ist interessant zu beobachten, wie die Wahrnehmung von Filmen sich im Laufe von Jahrzehnten ändert. Bereits vor Jahren begann ich mit einer Retrospektive von persönlichen Klassikern, die in der Sozialisierung einen bleibenden Eindruck hinterlassen hatten. Das Experiment mit Zwei Banditen von George Roy Hill scheiterte. Aus einem Klassiker wurde ein Durchschnittsfilm. Das war Anlass zur Sorge einerseits, andererseits die Aufforderung an mich selbst, einst geschätzte Filme wieder auf den Prüfstand zu stellen.
William Friedkin ist ein Regisseur, der, obwohl er nur zwei wegweisende Filme (vielleicht gerade deshalb) gedreht hat, zu den grössten der US-amerikanischen Filmgeschichte zählt. French Connection ist nicht nur ein Kriminalfilm-Klassiker, sondern ein Meilenstein, Der Exorzist einer der furchterregendsten Horrorfilme aller Zeiten.
Eigentlich wollte ich mit diesen beiden Filmen beginnen, doch dann erschien das Media Book von MGM von Live And Die In L.A. auf dem Markt.
Ich erinnere mich an die allererste Betrachtung. Zu der damaligen Zeit, Ende der Achtziger, Anfang der Neunziger Jahre, imponierten die fiebrige Machart, die Action und die Musik von Wang Chung.
Heute, fast 30 Jahre später, betrachte ich Filme mit einem ganz anderen Auge. Das Sehverhalten hat sich vollkommen verändert, der Fokus liegt parallel zur Unterhaltung auf der Analyse, was in dieser Art damals gar nicht möglich gewesen wäre. Filme waren damals und sind bis heute Leidenschaft, aber diese Leidenschaft hat heute andere Vorzeichen: Währt Sie "ewig"? Welche Filme sind es wirklich wert, wieder gesehen zu werden? Welche haben ihre Daseinsberechtigung im Regal, verdienen es gar weiter gegeben zu werden?
War damals die visuelle Ästhetik eine Selbstverständlichkeit der 80er Jahre, so ist sie heute eine historisch zu verortende Eigentümlichkeit, die fasziniert. Beispiel ist der in grellen Neonfarben gehaltene Vorspann. Kein Mensch käme mehr auf die Idee eine Titelsequenz mit solchen Farben zu drehen.
Ebenso verhält es sich mit der Musik. Neben einigen sehr wenigen auf Synthesizer basierenden Tracks, handelt es sich bei der Filmmusik ausschliesslich um Songs, vornehmlich der New Wave Band Wang Chung. Der Film verleitet einen nicht dazu, sich die Songs abseits des Films anzuhören. Der Nachhall der Musik der Achtziger ist in den Weiten irgendwo verendet und löst keine Emotionen mehr aus. Passend ist Musik aber alle mal.
Was heuer faszinierend ist, ist die Tatsache, wie William Friedkin Los Angeles darstellt! Eine trostlose, unästhetische und industrielle Einöde voller hässlicher Stadtteile. Etwas, was mir damals nicht aufgefallen war, der Fokus lag seinerzeit auf der Handlung und den Darstellern. Man hat die "Stadt der Engel" selten aus dieser Perspektive gesehen: Kein Strand, keine schönen, sonnengebräunten Menschen, keine Cocktails, keine Hochhäuser, kein American Way Of Life, sondern Gleise, Raffinerien, Häfen, heruntergekommene Viertel. Dieser Blick auf eine ungeschönte, "Hollywood freie" Urbanität macht den grössten Reiz des Films aus. Die Stadt ist der Hauptdarsteller und erst dann kommen Willem Dafoe, William L. Peterson, John Pankow und John Turturro. Der stets ein wenig irre wirkende Dafoe agiert grossartig, William L. Peterson zeigt erstklassiges Overacting.
Leben und Sterben in L.A. bezieht nach wie vor seinen Reiz aus einer durch und durch Abgrundtief hässlichen Achtziger Jahre Ästhetik, den zum Teil artifiziell verfremdeten Bildern, einer spannenden Handlung mit einigen famos inszenierten Action-Szenen, u.a. einer halsbrecherischen Verfolgungsjagd. Gelegentlich stören einige Logik-Löcher, tragen aber nicht schwerwiegend zum positiven Gesamtbild des Films bei.
Das Media-Book von MGM enthält die um 5 Minuten längere Blu Ray Fassung, ein sehr gut geschriebenes Booklet mit vielen Informationen und Analysen und einige sehenswerte Extras.
Rick "Dance Hall Days" Deckard