Ein Wiedersehen mit dem König von New York
1. Hat er allen bisherigen Vorgaben Stand halten können?
2. Hält seine Wirkung unvermindert an?
3. Verdient er nach wie vor die Bezeichnung Kultfilm?
Zur Zeit verspüre ich ein grosses Bedürfnis nach dem Kino der vergangenen Jahrzehnte. Insofern es die Zeit zulassen wird, werde ich ein Revival der wichtigsten persönlichen Filme starten und welcher Film wäre da nicht passender als Eröffnung geeignet, als Abel Ferrara's Kult-Klassiker
K I N G O F N E W Y O R K.
Auf HD / Blu Ray ist der Film ein Hochgenuß und überhaupt kein Vergleich zu der Video-Ära. Satte, brillante Farben, exzellente Schärfe und Konturzeichnung. Die Klassiker auf HD anzusehen lohnt sich in den allermeisten Fällen.
KONY, das scheint die Qualität von Klassikern zu sein, kann man immer wieder neue Facetten abgewinnen. Gestern lag der Schwerpunkt auf der visuellen Umsetzung der Unterwelt und von der Stadt New York, den moralischen Fragen, die der Film aufwirft und dem Spiel von Chris Walken.
Nicht umsonst läuft in einer Szene des Films F.W. Murnau's legendärer 'NOSFERATU', ein Film, der einem auch heute noch Schauer über den Rücken jagt und das, "obwohl" er "nur" in schwarz-weiss gedreht wurde.
So wie der Untote in Murnau's Klassiker erschien mir gestern Walken's Charakter des Gangsterbosses Frank White. Von einigen wenigen Szenen der Lebensfreude abgesehen, spielt sich von Beginn an Resignation im Gesicht von Walken ab, eine verzweifelte Trauer und die Vorhersehung des unausweichlichen Schicksals. White weiß, seine Zeit ist gekommen oder wird kommen. Lange hat er in Sing Sing gesessen und die Jahre sind nicht spürbar an ihm vorbeigegangen. Meisterhaft, wie Walken das spielt. Ein lebender Toter.
Wenn ich visuelle Umsetzung erwähne, dann darf die Kameraarbeit eines Bojan Bazelli nicht unerwähnt bleiben. Faszinierend anzusehen, wie er und Ferrara NEW YORK darstellen. Das hier ist nicht das NY eines Frank Sinatra, nicht die Glitzerwelt des Showbiz, auch nicht das neue York eines Martin Scorsese.
In KONY sehen wir die dunklen Seiten, die Schattenseiten, Neo Noir, Neon-Glitzer, Regen, Dunkelheit ... der Vorhof zur Hölle.
Ferrara und v.a. sein Drehbuchautor Nicholas St. John beschäftigen sich nicht nur mit dem ewigen Spiel "good versus evil", sondern gehen von einer anderen Prämisse aus:
Es gibt gute Menschen. Die gehen einem ehrbahren Beruf nach und befolgen die Werte & Normen einer Gesellschaft, in der sie leben. Sie achten das Recht. Nur häufig können Sie nichts gutes bewirken, weil eben die Normen und Werte sie daran hindern.
Es gibt böse Menschen. Die gehen einem unehrbaren "Beruf" nach und folgen nur ihrem eigenen Ethos, ihrem eigenen Recht und ihrer eigenen Moralvorstellung. Sie wollen auch gutes für die Gesellschaft bewirken und können es, weil sie eben Werte & Normen missachten und über das nötige Kleingeld verfügen.
Rechtfertigt der Zweck die Mittel?
Frank White sieht sich als einen Engel unter Gangstern. Al Pacino erging es in "Der Pate - II" nicht anders.
Christopher Walken spielt all das umwerfend gut, mit einem Höchtsmaß an Glaubwürdigkeit und der Film untermauert den Ausnahmestatus dieses Künstlers. Der kann genauso gut tanzen, wie er schauspielern kann.
Larry Fishburne aka Jimmy Jump hätte zumindest eine Oscar-Nominierung verdient gehabt. Auch heute noch führt seine Leistung zu Lachsalven und Atemnot.
Frage 1: JA.
Frage 2: JA.
Frage 3: JA.
Wo bleibt meine Cola?
Rick Deckard