Deichkind
Um es gleich vorwegzunehmen! „Ich habe auch KEINE Ahnung“! Denn nach dem dieser Eintrag hier fertig sein wird, werden viele junge Menschen sich unreflektiert beschweren! Warum? Ganz einfach, ich habe ein Luxusproblem: Die Feindkarriere der Band Deichkind.
Okay, meinetwegen, ihr und ich, wir haben uns
jetzt doch noch verstanden.
Eine Göre, eine Feindkarriere:
nichts, was nicht in Einklang zu bringen wäre.
Ich mach euch den Berufsjugendlichen oder auch den Kaspar
oder auch den außerordentlich kontroversen Spielverderber.
Okay, prima, ich sag mir, die Welt ist ein Spektakel
und wenn überhaupt kein Bedarf ist, steck ich ihn mir halt selber rein.
Vor einiger Zeit gab es mal eine erfolgreiche deutsche HipHopBand. Deutschen Rap wollte keiner mehr hören, zumindest nicht Jugendliche aus der mittleren Mittelschicht.
Zeitgleich hat das sexuell getriebene Wort (aus Gründen des Respekts nicht ausgeschrieben und Farin Urlaub zitierend): -Großes A, kleines icken- eine offensichtliche kulturelle zentrale Bedeutung gewonnen. Songtexte des musikalisch debilen, aber menschlich sympathischen SIDO werden zitiert und sogar gesellschaftlich in rebellischen, aber spektakulär spießigen Talkshows wie Roche & Böhmermann (ZDF Kultur) besprochen.
Wir sprechen hier musikalisch gerne von musikalischen Fusionierungen. Als die mittlere Mittelschicht in Deutschland dem etwas intelligenteren Rap also abgesagt hatte, Af… (aus welchen Gründen auch immer) wichtig geworden ist, entwickelte sich eine merkwürdige Fusionierung zwischen Electro-, Dance und Skihüttengeplärre. Bands wie „Die Atzen“ und noch schlimmeres stampften aus dem Boden und haben einen sensationellen Erfolg mit fürchterlichen brachialen Elektroschlager in einem nebligen alternativen Gewand. Ich weiß, es gibt offiziellere Bezeichnungen für das Spektakel, ich habe aber keine Lust an der Bedienung.
Die Band Deichkind hat aus der Entwicklung eine seltsame Lücke gefunden. Nämlich einen Anklang zwischen Musikzirkus und Avantgarde. Im Prinzip so ähnlich, als wenn man es schaffen würde, akademische Studiosreiseteilnehmer für ein kulturelles Wochenende in die Ostdeutsche künstliche Vergnügungswelt des „Tropical Islands“ zu gewinnen.
Hey, hey, checker, checker!
Hey everybody!
Hey hey, test test!
One two, one two!
Hey hey check check,
come on come on come on.
And go go hey hey!
PARTY!
Warum auch nicht, sagen jetzt die gleichmütigen Gleichgültigen. Spaß, Unterhaltung und kritische Textzeilen wie:
Bück dich hoch! Komm steiger den Profit!
Bück dich hoch! Sonst wirst du ausgesiebt!
Bück dich hoch! Mach dich beim Chef beliebt!
Bück dich hoch! Auch wenn es dich verbiegt!
Bück dich hoch! Komm steiger den Profit!
Bück dich hoch! Sonst wirst du ausgesiebt!
Bück dich hoch! Mach dich beim Chef beliebt!
Bück dich hoch! Bück dich hoch, ja!
…aus dem aktuellen Charterfolg von Deichkind (Bück Dich hoch), wird doch die mittlere Mittelschicht angesprochen. Also genau die, die zwischen 20 und 30 Jahre sind, eine Motivklebetapete im Wohnzimmer haben, vielleicht Industriekaufmann-/-frau gelernt haben und trotzdem schlecht gebildet sind. Es aber nicht wissen und glauben, dass sie nun Punkrockmäßig, gegen ihr vorprogrammiertes Leben rebellieren müssen. „Ich fühle mich aber angesprochen“, sagt gerade Annika Schmitz (stellvertretend für ihre Zielgruppe) aus Hameln, 29, Bankkaufrau, 3.500 EUR brutto im Monat, einmal AIDA, einmal Skiurlaub im Jahr, Smart fahrend, gerne shoppend, Hobbys: lange Spaziergänge, Cocktails und mit den Mädels ausgehen!
Tja, was soll man da auch sagen!? Eigentlich gibt es keinen Einwand und was macht Annika schlechter oder besser als andere?
Okay, ich verstehe, daher läuft der Hase.
Alles ist erlaubt, weil alles wahr wird, was kaufen kann.
Striptease ist ein Ausdruck meiner Individualität.
Nur keine Langeweile, darauf steht die Todesstrafe.
Meinen alten Freunden gab man lieber einen Fußtritt
als sie zu entlohnen für ein prima Feindbild
oder die Ideen für einen neuen Auslandsstrich.
Und so interessiert es keinen, warum so schlecht gemachte Musik, so erfolgreich ist und zeitgleich als Ereignis gefeiert wird (Geiler Sturzflug: http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/541272/Geiler-Sturzflug)
Und ich sage eben, das Deichkind kein Ereignis sind. Weder kulturell, noch künstlerisch, noch für die Musik, noch für das Leben von Menschen, die schon mal Backsteine geworfen haben, zumindest wissen, was der rote Stern bedeutet!
Aber eben all‘ das könnte man in ein unendlichen Text mit unendlichen Fallbeispielen torpedieren oder bestätigen.
Gewinnen, zuhören oder verstehen warum man sich gegen Deichkind auflehnt, versteht jemand der 30,00 EUR für die Karte für ein Konzert, 20 EUR für die CD ausgegeben hat und einen guten Abend mit seinen Kumpels (…oder den Mädels) gehabt hat, kognitiv nicht! Weil eben die Vorbildung und der Anspruch fehlt.
„Du hast halt keine Ahnung“, höre ich Euch rufen! Stimmt, würde ich jetzt auch sagen! Schlimm, aber dass offensichtlich alle Kulturredakteure in diesem Land und Popautoren Ahnung haben und sich keiner bereit erklärt zu fluchen, über diesen Mist bzw. –Entschuldigung- Unterhaltungszirkus, der nichts aber auch gar nichts mit Popkultur zu tun hat!
Hey hey checki checki
hey hey cha cha!
Hey hey two three
test test test.
Hey - go for it.
Do it! Do it!
Hey- check ya!
Cut and dub!
Free you go.
Hey hey!
Hey hey happy happy
hey hey ja
wow wow hey hey
hello hello hello!
Come on, come on, hey,
move it up.
Hey hey hey
heeeeeeeey-a!
Ja, ja!
Ja! Ja!
Der Text ist inspiriert vom Song „There’s no Business Like Business der Band “Die Goldenen Zitronen”
Alan Lomax