Andreas Spechtl Köln 23.11.2017 Aussenspielstätte am Offenbachplatz
Über ein Jahrzehnt unterwegs mit der Band JA, PANIK mit allen existenziellen Schwierigkeiten, zwei sehr klugen Alben von insgesamt fünf und FUTUR II einer auf alle Konventionen, auch in der Darstellung, gepfiffen Bandgeschichte und nun immer noch Solo, bereits mit der zweiten Platte nach Sleep.
Andreas Spechtl war da schon immer der Popstar und spezifisches Muster um als Ausschlusskriterium Langeweile zu wählen. Für seine neue Platte THINKING ABOUT TOMORROW AND HOW TO BUILD IT, ist er nach Teheran gefahren, um sich Musik von woanders anhören zu können und vielleicht auch um den Geist frei zu bekommen. Sicher wird er sich auch für die Undergroundszene im Iran interessiert haben, die natürlich im verborgenen, gefährlichen, verbotenen Bereich liegt.
Anders die Musik aus dem persischen Kulturraum! Die natürlich erlaubt ist und von der sogar wir Westeuropäer eine diffuse Vorstellung haben. Zumindest von tausend und einer Nacht. Spechtl ist mit Verstand, Logik und guten Samples zurückgekommen und hat alles vermischt, belehrt unseren Ohren und unseren Träumen etwas besseres, als die Romantik des Orients von vor 100 Jahren.
Herausgekommen ist eine der interessantesten, minimalistischsten Elektroalben des Jahres. Eben weil Andreas Spechtl ein echter Künstler ist, der es versteht, die Vielzahl von Eindrücken so einer Reise in eine axiomatische Formulierung zu verpacken, um dann tatsächlich mit schönen Songs und Sounds zu überzeugen und alles entfliehen zu lassen.
Der Beweis dass diese kleine These widerspruchsfrei ist, sollte das Konzert gestern in der Außenspielstätte am Offenbachplatz gezeigt haben. Denn trotz eigentlicher Unlösbarkeit des Problems: dass wir in einem vollends verblödeten, endlos spröden und kalt exaltierten Nebensaal der Theater- und Opernbaustelle Köln waren, dessen Ausblick (Glockenhaus, WDR, DOM) zwar toll ist, man sich aber atmosphärisch dicht doch ehr in einer Kleinstadtbibliothek fühlte, löste Spechtl seine bestimmt beeindruckende Reise, mit einem supersympathischen Auftritt, in minimalistischer musikalischer Darbietungsform, aber breiten Denklandschaft, überzeugte mit seiner Ausstrahlung und eben einfach nur mit guter Musik, die zur Auflösung auch fast als Gruppentheorie unter algebraischer musikalischer Gleichungen für alle Anwesenden stehen könnte.
Die prinzipielle Grenze aber muss die Zufriedenheit sein, wenn man Musik macht und hört! Und dieser wichtige, oft vergessene Unvollständigkeitssatz sollte doch auch für eine gewisse zurückhaltende Euphorie stehen, da ich gerade das Grinsen im Gesicht habe, weil ich mir das Album beim Schreiben noch einmal anhöre und auch an den jungen Künstler denke, der sichtlich erleichtert war, als er sein Konzert gelungen zu Ende brachte und die Zuschauer ein widerspruchsfreies System darstellten.
Aus einem persischen Musikkaufhaus auf der Suche nach einem Barbat!
Alan Lomax