The Revenant - Ryuichi Sakamoto, Bryce Dessner, Alva Noto

von Rick Deckard  -  8. Januar 2016, 21:09  -  #Orchestrale Musik

The Revenant - Ryuichi Sakamoto, Bryce Dessner, Alva Noto

Gleich zwei Western, die in eisiger Kälte, karger Wildnis und im Schnee spielen beglücken uns zu Beginn des neuen Kinojahres:

- The Revenant von Alejando González Innáritu

und

- The Hateful Eight von Quentin Tarantino

Ersterem sehe ich mit grosser Vorfreude und Erwartung entgegen, nicht zuletzt aufgrund von 'Birdman', der gezeigt hat, welch ein Ausnahmekünstler Innáritu ist. Bereits sein Film 'Babel' aus dem Jahr 2006 mit Brad Pitt in der Hauptrolle hatte mir ausnehmend gut gefallen.

Die Bilder im Trailer lassen einen epischen Film erwarten, oder wie es Di Caprio in einem Interview mit der legendären Musikzeitschrift SPEX beschreibt einen "... epischen, poetischen und existentialistischen Kunstfilm ...":

http://www.spex.de/2016/01/05/the-revenant-leonardo-dicaprio-im-gespraech-ost-von-ryuichi-sakamoto-alva-noto-bryce-dessner-im-stream/​

Kunstfilm?

Existentialistisch?

Ich bin sehr gespannt.

Bei letzterem habe ich arge Zweifel, weil Tarantino Jahr für Jahr enorm nachgelassen hat und zuletzt mit 'Django Unchained' (für mich) einen der schlimmsten und Menschen verachtendsten Machwerke gedreht hat, der selbst das Prädikat 'Trash' nicht verdient. Ansehen werde ich mir 'The H'eight'ful 8' aber dennoch, einzig aus dem Grund, weil ich Western sehr liebe.

Als jemand, der Filmmusik ebenfalls sehr liebt und schätzt, wurde ich auf die Musik aufmerksam, weil der japanische Komponist Ryuichi Sakamoto die Musik schreiben durfte. Wenn ich ehrlich bin, sagen mir seine Musik und sein Kompositionsstil nicht zu, sie entspricht einfach nicht meinem Geschmack. Die Tatsache aber, dass Innáritu Sakamoto ausgewählt hat, spricht für den Umstand, dass für den Regisseur das Kino mehr zu sein scheint, als blosse Unterhaltung, denn Sakamoto hat mit seinen Musiken bisher fernab von dem typischen Hollywood-Sound bewiesen, dass man Filme durchaus anders vertonen kann.

Und genau diese Erkenntnis macht sich breit, wenn man die Musik zu dem Film hört:

http://www.npr.org/2015/12/30/461409253/first-listen-ryuichi-sakamoto-alva-noto-bryce-dessner-the-revenant​

Sakamoto hat zu der Thematik des Films keinen ausschweifenden Score mit einem grossen Orchester geschrieben, hier hört man kein Pathos, kein "Orchesterschwulst", keinen Bombast.

Im Gegenteil: Die Musik zu 'The Revenant' ist ein Soundtrack im wahrsten Sinne des Wortes und eigentlich eine genau musikalische Entsprechung des Begriffes. Es handelt sich um Tracks mit Sound. 

Sakamoto kreiert lange, ruhige Passagen, die fast einen "Ambient-Charakter" haben. Streamt man die Musik, so muss man viel Geduld mitbringen und Offenheit, denn der Musiker verlässt bei seiner Komposition alle eingetreteten filmmusikalischen Pfade, die man von einem Film in dieser Grössenordnung gewohnt ist.

Ich habe den Film nocht nicht gesehen, aber die Atmosphäre und die Stimmung, die die Klangcollagen heraufbeschwören, scheinen die Bilder perfekt zu untermalen und zu kitten. Das Vorstellungsvermögen wird beim Hören gefordert und man kann sich die Handlung und die Geschichte gut vorstellen. Die Weite, die Kälte, die Unbarmherzigkeit und v.a. die Monotonie der Natur, all dies ist überdeutlich den Klängen zu entnehmen. Aber auch eine Trauer und Hoffnungslosigkeit machen sich breit.

Das Hören an sich ist allerdings nicht einfach, zum Teil mag man den Soundtrack sogar als enervierend empfinden. Es bedarf einer Neigung und Vorliebe für diese Art Sound, die ich persönlich nicht besitze, trotzdem war es eine Erfahrung. Der Soundtrack zu 'The Revenant' zeigt v.a., dass es Filmmusikkomponisten gibt, die mutig sind und sich trauen alternative Wege zu beschreiten.

(Film-)Musik muss nicht immer sofort eingängig, schnell konsumierbar und umgehend selbsterklärend sein. Wer mit dieser Aussage leben kann und einverstanden ist, dem sei diese Untermalung ans Herz gelegt. Alle anderen werden grosse Probleme mit ihr abseits des Films haben.

Noch ein Wort vielleicht zum Cover: Nach langer Zeit ein wirklich ausgesucht schönes! Was würde ich dafür geben diesen Soundtrack als LP in den Händen zu halten, am besten als Doppel-LP mit grossen Bildern in der Innenseite und einem schönen Text auf der Rückseite. Grosse Kunst dieses Cover!

Die Musik zu dem Tarantino-Western hat übrigens kein geringerer geschrieben als:

Ennio Morricone.

Aus South Dakota mit Beats-Hörern auf dem Kopf und Musik aus einem ipod strömend, an einem Lagerfeuer am Fluss sitzend, in unwirtlicher Eiseskälte.

Rick Deckard

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