Wir sind gar nichts - Zum Sieg der Lena Meyer-Landrut

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  31. Mai 2010, 13:06  -  #Populäre Musik

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Die Botschaft die uns dieser Tage ereilt ist schön! Deutschland ist wieder lustig und kann gute Popmusik machen [sic!]. Gleichzeitig repräsentiert Deutschland mit Lena einen neuen jungen Frauentyp, der frech, glaubwürdig und identifizierbar ist! Eine unglaubliche öffentliche Aufmerksamkeit wird geboren, die nachvollziehbar ist, weil der Hype eine gute Geschichte erzählt! Gleichzeitig triumphiert die bürgerliche Mitte, weil sie ein Gegenpol zu dem Proletariat der DSDS und anderen Castingformaten gefunden hat.

 

Trotzdem sollte man bei der nach vollziehbarer Freude auf dem Boden der Tatsachen bleiben! Der Song „Satellite“ hat sich einem Wettkampf ausgesetzt, der nicht ertragbar ist. Man sah dort unterirdische Künstler und hörte fürchterliche Kompositionen, die mit einem zeitgemäßen musikalischen Standard überhaupt nichts zu tun gehabt haben. Unter Berücksichtigung der „modernen“ und „alten“ Musik die wir hier tagtäglich besprechen, sogar in einer anderen Welt stattfindet. Objektiv gesehen ist eine Bewertung und ein qualitativer Vergleich nicht mal möglich.

 

In Ländern wie Holland, Frankreich oder Spanien wird der Eurovision Songcontest auf Spartenkanälen für Zielgruppen ab 50 und mehr übertragen. In den anderen Ländern ist der Wettkampf auch kein Hauptthema der Medien, wie bei uns. Die Annahme, dass die Künstler dort in irgendeiner Weise kommerziell oder künstlerisch für Europa wertvoll sind, ist schlichtweg falsch.

 

Die Übertragungen vom Spielbudenplatz in Hamburg und vom Trammplatz in Hannover verfälschen zusätzlich den Eindruck, dass hier ein ganzes Land und darüber hinaus Europa einem Thema unterliegt. Es ist nur eine kleine, nicht gesellschaftsrepräsentative Horde von Menschen die sich wirklich intensiv mit der dort vorgetragenen Musik auseinandersetzt. Das Phänomen allerdings ist, dass diese Augenwischerei funktioniert!

 

Pop ist immer ein Massenphänomen gewesen und soll es auch bleiben. Lena ist Pop und unter allen Kriterien der Kontextdiskussionen zu diesem Thema interessant zu beobachten. Dieser Eintrag soll das überhaupt gar nicht anzweifeln. Auch die Leistung bzw. das Engagement von Stefan Raab ist von mir aus sehr positiv zu bewerten. Sein persönliches Ziel, den Grand Prix zu gewinnen verfolgt Raab bereits seit über einem Jahrzehnt. Quasi seitdem ihm bewusst geworden ist, welche mediale Macht er mit seinen Ideen und seinen Formaten, hat. Da er aus meiner Sicht Deutschlands letzter Entertainer im Sinne von Komik, Unterhaltung und Glaubwürdigkeit ist, aber auch musikalisch ein gewisses Können und ein Realitätsbezug zu guten Songs hat, muss das gar nicht in Frage gestellt werden.

 

Was will uns Lomax also heute mitteilen?

 

Eigentlich nur, dass man bei der ganzen Durchschnittlichkeit nicht vergessen sollte gute Musik zu hören und sich jeder Interessierte in diesem Sinne außerdem ein Beispiel an Stefan Raab nehmen sollte. Schließlich hat eben der einen Mut zum Rebellieren und zum unkonventionellen Vorgehen aufgezeigt, um etwas bessere Musik ins gesellschaftliche Leben zu bringen. Dies ist ein nachvollziehbarer Kampf auf welcher musikalischen Ebene auch immer!

 

Vielleicht noch eins! Wir sind nicht alles! Wir sind nicht Deutschland und auch nicht Lena! Wir werden auch nicht Weltmeister! Denn wir sind nicht gleich, gesellen uns aber gerne zu gleichen! Das wollte ICH noch kurz los werden…

 

Alan Lomax

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