Von Links nach Rechts

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  1. Dezember 2009, 20:16  -  #Populäre Musik



Kinderzimmer Productions sind immer mehr gewesen, als deutscher Hip Hop. Textor (Henrik von Holtum) und Quasi Modo (Sascha Klammt) begaben sich ganz im Sinne des Songhunters Alan Lomax auf die Pfade der Musikgeschichte. Hip Hop ist dabei der Antrieb, die Plattform der Darstellung gewesen. Das Vehikel um intelligente Texte und wirklich gute Musikkenntnisse zu transportieren. 

Kürzlich erschienen ist das Live-Album Over and Out – Live aus dem Konzerthaus Dortmund. Das Konzert ist so etwas wie der Abgesang der Band auf sich selbst. Schade, denn Potenzial ist da wie Marmelade und so hätte es immer weiter gehen können. 

Erstmal aufgefallen sind mir die beiden Muuussiker mit einem der besten deutschen Poplieder der neuen Zeit. In "Merkwürdig/Unangenehm" gelingt es den beiden einen fast schmerzlichen Dialog über das peinliche Erwachsen werden zu führen und rappen over "John Coltranes - A Love Supreme Baßline" out den Unnutz seinem jugendlichen Träumen hinterher zu rennen.  Ein gleichzeitiger Geniestreich in Verbindung mit wahrhaftiger Realitätspoesie. 

Wenn man sich die übrig gebliebene Dinosaurier des deutschen Raps anhört, gibt es kaum Peinlichkeiten. Ich möchte hier meinen eindeutigen Respekt für das Fette Brot und die Fantastischen Vier aussprechen, aber wer sich für was besseres hält, dem sei doch bitte sehr Kinderzimmer Productions empfohlen. 

„Das Ding heißt unplugged und wir haben es ernst gemeint, wir sind so ca. bei 92 % Fussgängerzonen kompatibel!“ . Für wahr! Die Masse haben die beiden Ulmer dennoch nicht erreicht. Gründe sind wie immer vielfältig, meist unnötig und missverständlich. Die Band ist nicht mehr oder weniger massentauglich als die Monster aus der Urzeit bzw. aus Stuttgart, tauschbar Hamburg. 

Vielleicht ist Jazz doch ihr Antrieb, wenn der Hip der Flow und der Hop die Attitüde ist. Und dann wird es wie immer schwierig und schwer für jedermanns Ohr nachvollziehbar. Obwohl, und das sei zugestanden, die Beats elegant fließen und die Basslines schmeicheln und angenehm in der Muschel liegen. "Doobie" ist hierfür ein angenehmes Beispiel, wenn auch verspielt, aber regelrecht betörend und treibend. 

Wie ich finde hat es Benjamin Walter im intro gut auf den Punkt gebracht und warum sich selbst verbrauchen und Wortakrobatisch unterwegs sein, Zitat also: „Handgemachte Musik ersetzt nicht Talent, Style und Haltung. Doch Kinderzimmer Productions haben auf ihrem Abschiedalbum alles." Was ich mag ist die vorgetragene Arroganz und die erklärte sich schon immer mehr am Spielzeug der Freunde, als in den Details der dahergelaufenen Schnösel in ihren viel zu teuren Klamotten und viel oft gezeigten Karren und Knarren. 

Meine Definition von Hip Hop war schon immer Jazz und das ist Haltung und letztendlich geht es hier darum. Musikalität regiert, Originalität spricht und der denkende Mensch lenkt. 

Was mir an der musikalischen Umsetzung gefällt ist die klassische Verteilung. Man hört Kontrabass, Drums und Gitarren. Aber auch Celesta, Flügel und Harmonium –und einige Dinge die rauschen und knistern (Programmheft Konzerthaus). Gelungen, Herr Klemmt, Herr von Holtum. Dafür Respekt, aber auch für die „Möglichkeiten der Klangdifferenzierung“. Der Puls rattert weiter, wenn man dann noch das tolle Plattencover sieht. Es erinnert an „2001 – Odyssee im Weltraum“. Das ist nicht too much, sondern nur logisch. Denn letztendlich geht es auch viele Fragen, auch darum wo wir her kommen und wo wir hin gehen. Das Bild des Embryos prägt sich mir ein, aber es reicht auch erstmal der Blick auf die Erde und die Frage, ob dies nun endlich das letzte große Album des Jahres 2009 ist. Ich melde mich, wie ein Trüffelschwein, wenn ich noch eins finde. Für mich schließt dieses Album das Jahr aber erstmal erfreulich, freundlich ab. Dank für die Distanz!

Alan Lomax - Fan   

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