Vibes from the Tribe I

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  3. März 2010, 20:49  -  #Jazz

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Vielleicht habe ich in den letzten Monaten vergessen, wer ich eigentlich bin. Zumindest in meinem Internetleben als Alan Lomax! 

Früher habe ich Schallplatten nach dem Cover gekauft. Manchmal CD’s weil ich irgendeinen Musiker oder ein Label kannte, aber von der Band noch nie etwas gehört habe. Wir sind alle vorsichtiger geworden. Teils wegen mangelndem Mut und steigernder Angst, oftmals aber auch aus völlig rationalen Gründen. Warum etwas unbekanntes Kaufen, wo es doch im Internet die Möglichkeit gibt, sich alles anzuhören. Allerdings versteckt dieses Vorgehen eine große Gefahr. Wir werden beliebiger in der Auswahl, vielleicht auch kritischer, aber ganz bestimmt geben wir schneller auf. 

Es fehlt die Zeit zum Zuhören. Bei einem habtischen Kauf möchte man doch wenigsten dreimal bestätigt bekommen, dass die Scheibe die man sich gekauft hat, richtig schlecht ist, bevor sie in der Aneinanderreihung der anderen Vinyls endgültig verschwindet. Einen geladenen Track lässt man einfach im periodischen System verschwinden. 

Ich gab mir einst den Alias Alan Lomax, weil ich von der Biographie, aber auch von dem inhaltlich leidenschaftlich getriebenen Musik-Suchenden-Leben des echten Alan Lomax begeistert war/bin. Genauso habe ich mich auch gesehen, jedoch verschwindet meine Aufmerksamkeit und ich muss mich selbst disziplinieren, dass mich das Böse, nicht auf seine Seite zieht. Die dunkle Macht der Selbstaufgabe und des selbstlosen Rumhängens lauert jeden Abend in diesem viereckigen Kasten. Daher habe ich beschlossen, dass mich  eine Art nach Fasten Zeit in den goldenen Frühling führen muss. Auflage, jeden Tag unbekannte Musik hören, verstehen und zuhören. Am besten unbeeinflusst von dem Dreck, der in den Musikmagazinen steht. Die sind schon lange auf der falschen Seite. 

Einen fast schon erdig-religiösen Einstieg in  diese schöne Fastenzeit des Hochgenuss läutet der 1972 junge Posaunist Phil Ranelin mit seiner spacigen, aber groovigen Instrumentation von Vibes from the Tribe ein. Die Nummer hat einen schönen, warmen, erdigen, Bassgroove und weiß durch eine lang gezogene Fusionjazzmelodie zu begeistern. John McEntire von der Band Tortoise hat diesen Phil Ranelin wieder entdeckt und einige seiner alten Scheiben gemastert. So ist es auch nachzuvollziehen, dass Miacha Acher /The Notwist, die Nummer auf seine eigentümliche Art geremixt hat. Vibes from the Tribe fehlt auf einmal die Posaune. bzw. wird sie in dem Remix, ehr parodistisch interpretiert. Wahscheinlich ein Tribut an Achers Jugend, als er selbst Blassmusik spielen durfte. Acher konzentriert sich ehr auf den treibenden Bongogroove. Die Nummer erhält eine neue Architektur und bleibt konsequent aufregend. 

Eddie Harris führt mich langsam, aber bedächtig zu den hellen Tagen! Summer’s on It’s Way von dem Album Instant Death, ist eine wohlklingende Hommage an den jungfräulichen Frühling. Eddie Harris war der erste Jazzmusiker der eine Goldene Schallplatte erhielt. Seine Nummer Freedom Jazz Dance gilt heute als Standard und wurde von Miles Davis bekannt gemacht. 

Wer diesen blog regelmässig verfolgt, wird festgestellt haben, dass ich seit der Crusaders Platte Groove Crusade den Fusion wieder entdeckt habe. Wenn das so ist, so kommt man an Harris nicht vorbei. Gilt er doch als Wegbereiter des Musikstils. Der eigentlich Rock und Jazz mischte. Sich aber mit seinen rhythmischen  Mustern ehr an Gevatter Funk orientiert. Zurück zu Summer’s on it’s Way: Ach, was erzähle ich hört Euch diesen Wegbereiter Song in den Summer of Love 2010 einfach selbst an. 

Freedom Jazz Dance sollte man sich in der Nils Landgren Funk Unit Version an hören. Nachzuvollziehen auf dem Album Fonk Da World. Da wurde der „groove mit den Löffeln gegessen“ und der direkte Posaunenvergleich zu dem Anfangs erwähnten Phil Ranelin ist interessant. Obwohl Landgren dem Saxophone hier den Vortritt lässt und sein eigenes Instrument ehr experimentell, wie Micha Acher in Weilheim, nutzt. 

Besonderst schön fand ich schon immer den Track Quiet City von Michael Brecker. Der Song ist auf dem wohlklingenden, aber albernen Album Now you see it...Now You Dont erschienen. Macht nix! Der Song ist eine Ode an die Großstadt. Obwohl man eine gewisse Affinität zu miesen elektronischen Klängen haben muss, damit Gefallen kommt. Wer durchhält wird mit einer wundervollen Countermelodie zum Ende des Stückes verwöhnt. 

Sehr lange nicht gehört habe ich meinen alten Spezi und Teilzeithelden Pat Metheny. Das hat verschiedene Gründe gehabt, die einen eigenen Eintrag wert sind. Zusammenfassend kann man aber sagen, das Metheny der wohl Einfluss stärkste Jazzmusiker der Gegenwart ist. Jazzpolizei aufgepasst, wenn Veto., dann räumt zumindest ein, dass er der erfolgreichste ist. Oh, dass ist natürlich auch nicht gut. Ich rufe Goin Ahead und höre gleichnamigen Titel von meinem Lieblingsalbum Works. Ein viel geschmähtes Werk, da es sich bei vielen Lehrern zwischen Chris De Burgh und Andreas Vollenweider CD’s im Ikearegal wieder findet. Wer meine Liebe zu einer ganz bestimmten Keith Jarrett Pianoimprovisation kennt, wird nachvollziehen können, warum ich insbesondere die Auflösung der zweiten Harmonie so wunderschön finde. 

Zurück zur Fusion und damit zur Schizophrenie! Für die Psychiater die diesen blog täglich analysieren! Mein derzeitiges Lieblingsstück ist Inner Crises von Larry Willis. Das Album, welches ich jedem denkenden und tanzenden Menschen empfehlen kann, heißt auch Inner Crises. Mir fällt gerade ein, wie großartig es ist Musik zu hören und wie erhaben man sich bei so einer siebziger Jahre Nummer fühlt. Insbesondere weil ich parallel noch ein Mixtape für eine Party am Samstag vorbereitet, die Glamour als Motto ausruft. Ja, also, wirklich ich mische ein Glamrocktape und zur Erholung höre ich nebenbei eben Larry Willis. Willis ist ein bekannter Pianist der auf fast jedem Jazzalbum der siebziger Jahre mitspielt. Selbst kaum wahrgenommen, lebt er das vergessene Leben, eines einflussreichen Musikers, der namentlich nur Puristen auffällt. Seine Musik und insbesondere das aktuell laufende Album, erinnert mich an mein vorheriges Leben als Beobachter und Jugendlicher in New York City. Von den heißem Sommern dort hatte ich bereits berichtet. 1973 hat er diese Komposition abgeliefert. 

Kurz bevor ich mit T.Rex und Bowie weitermache, noch Bad, Bad Simba, welches mich nicht nur vom Titel an I Zimbra von den Talking Heads erinnert. Die Nummer wird gespielt von O’Donel Levy und besticht durch eine sehr hohe, lockere und heitere Gitarrenmelodie. Darunter liegt ein treibender Groove, der mich eigentlich wieder zurück zu Vibes from the Tribes troibbt. Danke Fusionjungs. Das war toll und wird fortgesetzt... 

Ein am Mittwoch tanzender

Alan Lomax  

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