Vergessene Helden – Gaston
Gaston Lagaffe arbeitet in der Redaktion des belgischen Verlages Dupuis. Der Büroalltag ist anstrengend und schnell! Deadlines müssen eingehalten werden und die wichtigen Geschäftspartner des Comicverlages wollen vor allem eins: Geld verdienen und Vertrauen haben, in das Unternehmen, in das sie investieren.
Gastons Vorgesetzten Fantasio und Demel versuchen das tägliche Chaos in den Griff zu bekommen und sind dabei Spiegelbild der Gesellschaft. Strebsam, Diszipliniert und Streng zu den Mitarbeitern. Wie langweilig wäre das Leben, der Alltag, wenn es nicht einen verträumten Typen wie Gaston geben würde.
In der Hierarchie der Unternehmensstruktur steht Gaston ganz unten. Letztendlich ist er für kleinere Büroaufgaben zuständig. Was einem allerdings beim Kopieren, Briefe überbringen und Besorgungen machen, alles passieren kann und was Gaston daraus macht, zeigt uns Comicvater André Franquin in der Reihe seit 1957.
Natürlich ist Gaston ein großes Kind. Ein Nerd, einer der unangenehm ist, wenn man persönlich mit ihm zu tun hat. Einer der Laut ist, nicht in der Lage ist Loyalität zu zeigen, asoziale Elemente hat und zudem noch völlig abstruse technische Ideen hat.
In der heutigen Zeit, wo alles noch schneller gehen muss und sollte, Computer eigentlich zur Einfachung der Abläufe beigetragen und die Kommunikation leichter geworden ist, erscheint Gaston, wie ein Heilsbringer. Denn nichts ist einfacher geworden, außer dass die Menschen so tun, als wenn sie mehr zu tun hätten. Dabei frönen sie eigentlich den Dingen die Gaston so auszeichnen! Faulheit, Anarchie und unterdrückte bzw. dann ausgelebte Kreativität.
Mit der Comicfigur Gaston hat Franquin einen Charakter geschaffen der immer noch aktuell brauchbar-, verwendbar- und lesbar ist. In meinem Büro hängt ein Poster von Gaston. Darauf ist er mit einigen Akten unter dem Arm zu sehen, er schläft stehend. Im Hintergrund explodiert eine Bombe. Gaston schläft weiter!
André Franquin (1924 – 1997) gehörte zu den bedeutendsten europäischen Comickünstlern. Er hat neben Gaston, unvergessliche Figuren, wie das Marsupilami, Spirou und Fantasio und Mausi und Paul geschaffen.
In Deutschland wurde er ehr weniger beachtet, da die Affinität zu Comics, noch immer nur einem kleinen Kreis von Kennern zugänglich ist. Dabei ist seine zeichnerische Stilistik eine handwerkliche Sensation. Die klare Linie der belgischen Meister hat er zwar stets geführt, allerdings mit unglaublicher Detailversessenheit gedoppelt und zu einer neuen Tiefe geführt.
Sieht man sich die Werke von Franquin genauer an fragt man sich schnell, wie man so kleinteilig und feinräumig Dinge darstellen kann. Franquin’s unterstellte Oberflächlichkeit der Öffentlichkeit (anders kann es nicht sein, sonst wäre er auch in Deutschland bekannter): zu bunt, zu unterhaltsam, zu jugendlich zu sein, kann auch künstlerisch widerlegt werden.
Jedem der diese Meinung hat, sei die Albumreihe „Schwarze Gedanken“ empfohlen. Franquin litt unter schlimmen Depressionen. In diesen gemeinen Episodengeschichten, versucht er sich selbst künstlerisch zu therapieren. Leider ist ihm das für sich selbst nicht gelungen!
Eine Figur wie Gaston wird niemals sterben! Konzentrieren Sie sich nur mal auf die unfassbare Körperhaltung des Bürogehilfen. Allein diese entspannte, moodige und wunderbare egal-Haltung ist eine Renaissance der Figur wert. Gaston lässt uns zu besseren Menschen werden, wenn wir versuchen, ihn zu verstehen!
Alan Lomax