Van Morrison - Born To Sing : No Plan B
Bei fast jedem anderen würde man den ersten Teil des Albumtitels als Hochmut deuten, nicht bei Van Morrison. Der Mann ist Realist, ein Attribut, welches auch auf den zweiten Teil des Album-Titels weiterleitet:„No Plan B heißt einfach: Dies ist keine Probe“, erklärt Morrison. „Es soll klarstellen – es ist kein Hobby, es ist real, es geschieht jetzt, und zwar in Echtzeit.“ Aufmerksame Künstler und solche mit Absichten beobachten das Zeitgeschehen und kommentieren es auf ihre Art. Die intelligenten von ihnen wissen jedoch um die Bedeutung dessen was sie da singen und warum sie es singen:
„Ich protestiere nicht, sondern beobachte das Zeitgeschehen – wie Lenny Bruce einst sagte: ‚Observation, Baby!‘. Vor ungefähr zwei Jahren begann alle Welt über Geld, Geld, Geld zu reden, und daher kommt die Inspiration für die Stücke. Die Menschen in meiner Umgebung oder woanders diskutieren ständig, und ihre Ideen inspirieren mich als Künstler zwangsläufig.”
Somit ist das Anliegen seines neuen Albums ein Kommentar zur Bankenkrise. Bereits im ersten Titel "Open The Door (To Your Heart)" wird dies in einer Textzeile deutlich: "Money doesn’t make you fulfilled/Money’s just to pay the bills.“ Trifft zwar nicht ganz die Wahrheit, nähert sich ihr aber an. Ein weiteres Exemplar ist der Song "If In Money We Trust": "Die Idee dazu kam mir durch eine Dollarnote, wobei ich das Konzept einfach umgedreht habe“, erklärt er. „Ich fragte mich, was die Aussage auf dem Schein wohl bedeuten solle? Für viele Menschen ist Geld gottgleich, wie wir in der Vergangenheit erfahren durften, aber was passiert dadurch – was geschieht, wenn du keins hast oder nicht genug?" Interessanterweise fragt er nicht "oder im Überfluss".
Neben der Kritik am Finanzwesen ist das Album jedoch auch beeinflusst von Spiritualität und Mystizismus (Pagan Heart, Retreat And View, Mystic Of The East). Doch bei aller Irrationalität bleibt der Künstler down-to-earth: "Das sind alles bloß Ideen", beschreibt er die verschiedenen Sichtweisen und Perspektiven auf "Born To Sing". „Es sind nicht meine Überzeugungen, ich will um Gottes Willen nicht missionieren, das hier ist beileibe kein in Stein gehauenes Manifest. Songs stellen nur Ideen und Konzepte dar; man stellt einfach ein Mikro hin, mehr nicht. Aber: Wo steht geschrieben, dass man keine andersartigen Ideen haben darf? Warum also nicht? Warum soll man keine anderslautenden Ideen haben?"
Das neue Album wurde live im Studio aufgenommen, neben Morrison, der Klavier, Gitarre und Altsaxophon spielt, agieren 6 weitere Musiker. Zur Philosophie seiner Vorgehensweise sagt er (auch in Bezug auf "Close Enough For Jazz", welches ursprünglich als Instrumental geplant war und im Nachhinein mit Text versehen wurde):"Ich denke nicht in Schubladen", betont er. "Es ist ein Mix aus Allem, ein Sammelsurium jeder Art von Musik und meiner ganzen Einflüsse; man hofft am Ende, dass etwas Neues dabei herauskommt. Ray Charles war schon immer mein großes Vorbild – er machte alles, er hat sogar den Country neu erfunden."
Alle Songs auf dem Album sind eigene Kompositionen und nach mehr als 4 Jahren Pause kehrt der legendäre Musiker zudem noch auf einem Label wieder, das selbst weltberühmt ist: Blue Note. Die Rückkehr zu Blue Note hat für den Musiker aber abseits dessen Ruhm eine eigene Bedeutung:"Mein Vater besaß ziemlich viele dieser alten Blue Note-Platten“, erinnert er sich. „Eine meiner ersten eigenen war Sidney Bechets ‘Summertime’, ebenfalls auf Blue Note erschienen."
Mir persönlich hat das Album ausnahmslos gut gefallen, weil es eben keine stilistische Rigidität beinhaltet, sondern verschiedene musikalische Idiome organisch ineinander fliessen lässt. Ein wunderbares Beispiel ist hierfür der 2. Titel des Albums "Goin' Down To Monte Carlo" mit seinem schönen Basslauf, dem Spiel auf dem Saxophon und der gedämpften Trompete: Ein Song von 08:12 Minuten Länge mit einer schönen Melodie und einem harmonischen Nebeneinander von Gesang und Musik.
Ein weiterer Favorit ist der Song "End Of The Rainbow" mit seinem Piano Intro, den dezenten Percussions und dem Spiel auf Trombone und Saxophone. Wenn ich Musik dieser Art höre, wird mir nicht nur warum ums Herz, sondern ich bezeuge auch Respekt vor Künstlern wie Morrsion, die über ein halbes Jahrhundert lang Musik gemacht haben und während all dieser Zeit keiner Inflation unterlagen, weder inhaltlich noch musikalisch. Eine beeindruckende Leistung!
"Close Enough For Jazz" beginnt im gedämpftem Big Band Gestus und verströmt Heiterkeit mit einer Spur Naivität. Es spielen leicht und beschwingt das Saxophon, die Gitarre und das Klavier bis der Sänger einsteigt. Der Mix, das Sammelsurium von dem Morrison oben spricht klingt überzeugend.
Es ist dies die Kombination von Blues, Soul, Pop und Jazz, die seine Musik, dieses Album, so attraktiv machen. Sie ist erdig, sauber, handgemacht und mit ehrlichen Intentionen verbunden. Der Fan wird seinen "Van the Man" in diesem Album ebenso entdecken, wie die- oder derjenige, die diesen Sänger zum ersten Mal hören und entdecken.
Tun Sie's!
Es gibt keinen Plan B.
Rick Deckard