Tom Tom Club – Köln, 08.07.2013, Dach Museum Ludwig

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  9. Juli 2013, 08:51  -  #Konzerte

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Photos: Chris Frantz/Facebook und Alan Lomax Fundation

 

Der Tom Tom Club macht es einem einfach die Plausibilität und Haptik der Band zu beschreiben. Nehmen wir doch nur mal den Song „Downtown Rockers“ vom neuen Album. Im Text zählt Schlagzeuger Chris Frantz auf, wer die Referenz ist, von welchem Teil der Rockgeschichte hier erzählt wird und was selbst in New York im CBGBs erlebt wurde:

 

The Velvet Underground, The Modern Lovers, The New York Dolls, Patti Smith, The Ramones, Television,Suicide and Blondie! Richard Hell, John Cale, The Cramps, The Urban Verbs, The Heartbreakers, B-52s, The Dead Boys and The Shirts, Talking Heads…

 

Na na na na na na na na na na! Downtown Rockers!

I remember you, Downtown Rockers!

Na na na na na na na na na na! Ooh, Downtown Rockers!

I will still love you! Downtown Rockers!

 

Talking Heads! Ein fast körperlich eins gewordener Name für mich! In den 1980er das erste Mal gehört. Stop Making Sense mehrfach als wichtigste musikalische und filmische Wurzel von mir persönlich genannt und verstanden. Und immer noch in den 2013er Jahren eng verbunden mit dem Mikrokosmos David Byrne, Heads und Umfeld (z. B. Tom Tom Club). Gleich; …größte Liebe sozusagen.

 

Weiterhin macht es einem Chris Frantz sehr leicht, ihn, seine Frau und Ausnahmebassistin Tina Weymouth zu mögen. Die derzeitige Europatour wird auf Facebook täglich als Europareise mit Freunden dargestellt und gepostet. Man sieht nur gutgelaunte Tourneemitglieder beim Sightseeing, beim Essen, beim Trinken und Feiern. Einzig und allein Hund „Poppy“ wird vermisst. Der durfte die „Downtown Rockers“ nicht begleiten und verweilt in New York City.

 

 

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Köln an einem tollen Sommerabend. Die Sonne steht hinter dem Dom und geht gold-glänzend unter. Wir stehen und sitzen mit 198 weiteren Zuschauern (mehr sind baurechtlich nicht zugelassen) auf dem Dach des Museums Ludwig und genießen die unfassbare Atmosphäre vor dem Konzert. Das Booking der King George Bar (Ebertplatz) hat diese Location bereits im letzten Jahr bespielen lassen. Da haben wir Stephen Malkmus (Pavement) gesehen. In diesem Jahr gibt es wieder eine kleine Reihe, die wohl jeden Musikliebhaber einen kalten Schauer den Rücken runterlaufen lässt. Kim Gordon (Sonic Youth) war schon da, das Moon Duo kommt noch. Heute also der wohl größte Coup: Tom Tom Club.

 

Im Vorprogramm sehen wir Alexander‘s Festival Hall. Eine recht außergewöhnliche Band die trotz massiver Ablenkung und viel zu wenig Zeit mein Interesse geweckt hat. In Deutschland sind die Londoner noch völlig unbekannt. Aber das wird sich sicherlich in den nächsten 2 Jahren ändern. Schöner leichter Pop der mich ein wenig „The Divine Comedy“ und Pulp auf Jazz erinnert.  

 

Dann pünktlich und gut gelaunt die alten Helden Frantz und Weymouth, die neben David Byrne Gründungsmitglieder der legendären Talking Heads sind. Zuletzt haben wir den Tom Tom Club im  Luxor vor ca. 6 Jahre gesehen. Trotz schlechter Zuschauerzahl erinnere ich mich an ein druckvolles, tanzbares und ausgelassenes Funkkonzert zwischen Pop und Tightness.

 

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Etwas anders wird es an diesem Abend in Köln. Natürlich spielt diese unglaubliche Location auf dem Dach des Museums eine grandiose Rolle, um Konzerte hier subjektiv und völlig verstrahlt als furios zu bezeichnen. Man schon sehr fokussiert und konzentriert zusehen und hören, wenn man sich von der grandiosen Umgebung, die man am liebsten mit hunderten von Panoramafotos aufnehmen möchte, nicht ablenken lässt.

 

Ich gehe nun seit fast 30 Jahren regelmäßig zu Konzerten. Häufiger höre ich von Menschen die dieses Freizeitvergnügen (Leidenschaft) nicht teilen, dass das auch mal irgendwann nach lässt, wenn man älter wird. Einem die Lust daran verloren geht!? Das ist natürlich völliger Quatsch, den eben die Menschen von sich geben, die nicht verstehen, was einem bei einem solchen Konzert wiederfahren kann. Natürlich habe ich mich aufgrund meines hohen Alters auch schon häufiger gefragt, wie lange stehst Du die Nummer mit den Konzerten (Drängeln, schlechte Sicht, heiße Räume, keine Zigaretten, mieses Bier, am nächsten Morgen aufstehen…) eigentlich noch mit. Seit gestern weiß ich es wieder.

 

Weil Träume in Erfüllung gehen!

 

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Der Ansager, Booker und Organisator vom besagten King George hat bei der Bandvorstellung die Tränen in den Augen. Er spricht von „Road To Nowhere“ was er mit 1985 als kleiner Junge gehört hat und das Tina und Chris nun 2 m vor ihm stehen. Mir geht es ähnlich. Ich habe zur ungefähr gleichen Zeit den Film „Stop Making Sense“ entdeckt und damit die Talking Heads. Wir sind zu der Zeit in meiner Heimatstadt Hannover fast wöchentlich ins Hochhaus Kino gegangen um in der Spätvorstellung diesen immer noch besten Konzertfilm überhaupt zu sehen. Es waren magische Zeiten! Wir kannten jede Textzeile, jede Bewegung von Gitarrist Alex Weir, jede Tanzeinlage von Tina Weymouth und zum Schluss sogar jeden ein sekündlichen Zwischenschnitt (kleiner Junge mit Drachen bei Crosseyed & Painless), den wir mit Sonderapplaus goutierten. Unvorstellbar, wie weit und wie unerreicht diese Band für uns zu diesen Zeiten war.

 

Und jetzt im Jahr 2013 stehe ich 3 m vor Chris Frantz und 2 m vor Tina Weymouth und lasse mir alle alten Tom Tom Club Klassiker (Genius of Love, Wordy Rappinghood, Under the Boardwalk, The Man with the 4-Way Hips), einige Coverversionen (You Sex Thing), einige neuere wirklich Hör- und Tanzbare Songs (Downtown Rockers, Kissin‘ Antonio) und PSYCHO KILLER um die Ohren hauen. Das ist nicht nur bewegend, sondern gleichsam der Erfüllung eines langen unausgesprochenen Traums.

 

Wir erleben ein fast 2 h langes perfektes, sehr launiges und tanzbares Konzert von einer Band mit Mitgliedern von echter popkultureller Bedeutung und einige furiosen Studiomusiker, wie die beiden Martin Brüder aus Argentinien.

 

Wer glaubt, dass es dort gestern abgetragen Musik von alten Säcken gab, der täuscht. Frantz Drumbeats sind zwar immer noch wenig variabel, dafür aber druckvoll und storrisch wie eh und je, letztendlich auch ein Markenzeichen vom Tom Tom Club und früheren Talking Heads Werke. Drive hat der Frantz Beat ja eh und je von den Percussion und Tina Weymouth Bassspiel bekommen. Dieses wirkt oftmals abgehackt, dann aber schnell als Pause verstanden wird, welches dem Timing geschuldet ist um die Dramatik des Tanzbaren zu unterstützen.

 

Und natürlich sind fast alle Melodien und Idee bekannt bzw. werden noch immer bekannter. Denn ein Hauptgrund für die sicherlich auch entspannte Grundgesamtheit der Band liegt an der ausgezeichneten finanziellen Situation. Die natürlich nicht durch eigene Konzerte oder gar Plattenverkäufe erzielt wurde, sondern durch den Rechteverkauf der Samples von „Genius Of Love“ und „Wordy Rappinghood“ an Tupac, Mariah Carey oder den Black Eyed Peas.

 

Und ohne Frage hier geht es musikalisch auch um die Ursprünge der Rap-, und HipHop-Musik. Der Funk und die Verbindung zum White Trash und zur artifiziellen Popmusik.

 

„On the Rooftop, Baby“

 

Bezeichnender und treffender geht es wohl kaum! Insbesondere wenn man bedenkt, welches Band man vor sich hat und auf welchen großen künstlerischen Werke der moderne und Geschichte man auf diesem Dach vom Museum Ludwig steht. „Heaven“ hätte ich mir noch als treffenden Klassiker gewünscht, insbesondere weil Tina Weymouth in ihrer sympathischen naiven amerikanischen Art, wohl dachte, dass wir Zuschauer, alle Teil eines Artclubs sind! Hi, hi! Eine lustige Vorstellung. Aber auch das muss mal gesagt werden. Diese 200 Zuschauer waren alle sympathisch. Hier war keiner aus Zufallsgründen oder weil es vielleicht nett ist am Montagabend wichtig an diesem Spot zu stehen. Dass, waren alles Fans der ersten Stunden! Man sah es an den grinsenden Gesichtern, den verzückten Gesten und der unfassbaren Glückseligkeit an diesem meinem Traum teilzunehmen.

 

Oder an unsere aller Traum, einen Teil der wichtigsten, persönlichen Band überhaupt aus der Nähe und zu dieser Lebensphase zu erleben.

 

Das war einer der bedeutsamsten Konzertabend für mich überhaupt! Unvergesslich!

 

Alan Lomax

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