Tim Robbins and the Rogues Gallery Band – Köln Luxor
Wer das Kölner Luxor kennt, weiß es zu schätzen, ohne Körperkontakt zur Toilette zu gelangen.
Wenn man dann noch in einer dunkeln Ecke einen seiner liebsten amerikanischen Schauspieler stehen sieht, wie er dem zugegebener Weise, undankbaren Support lauscht, dann kann ein Freitagabend eigentlich kaum noch besser werden.
Tim Robbins ist an diesem Abend ein Musiker. Ein musikalischer Künstler der Opfer des Systems geworden ist. Seine Americana Platte Tim Robbins and the Rogues Gallery Band die von Hal Willner (Lou Reed) produziert wurde, ist weitestgehend unbekannt, die Vorlorbeeren des Auftritts „reduzieren“ ihn immer wieder zum singenden Schauspieler aus Hollywood und am gleichen Abend treten Wedding Present und Grinderman (Nick Cave) in der Stadt auf. Beide Konzerte werden die Musikinteressierten Plattensammler angezogen haben und bei knapp 40 Euro Eintritt, ist diese Überlegung der Anderen vielleicht auch nachvollziehbar.
Es ist nicht nur Heizung die auf voller Kraft läuft und mein Gesicht trifft als hätte ich mir ein Fön davor gehalten, es ist auch die Aura eines omnipräsenten Leinwandmenschen, die mich förmlich in die Knie zwingt, als ich Tim Robbins da stehen sehe. Über einhundert große Rollen und ebenso viele Filmsequenzen fallen mir in dieser Sekunde ein, unfähig ein Gespräch mit ihm aufzunehmen, ihn anzusprechen.
Tim Robbins ist kein großer Sänger, sein stimmlicher Umfang ist eingeschränkt. In den Mitten und Tiefen liegt er bei den teilweise politisch, traurig motivierten Songs absolut richtig. In den Höhen und bei Oktavritten gerät er in Schwierigkeiten. Was aber überhaupt nichts ausmacht, denn alle sechs großartigen Studiomusiker die er um sich versammelt hat, können mehrstimmig singen und fangen Robbins Gesangsschwierigkeiten ab.
Wie ein großer Junge, der ein neues Spielzeug hat, sieht man Robbins nun agieren. Er freut sich, ist glücklich und liebt seine Songs. Er liebt es auf der Bühne zu stehen, ist anfänglich fürchterlich nervös und bekommt dann von Song zu Song mehr Sicherheit. Somit ist der erste Höhepunkt des neunzig Minuten andauernden Sets Tom Waits „All The World is Green“ welches er als Kombi mit Bruce Springsteens „O Mary Don’t You Weep“ vorträgt. Die Melancholie beider Songs, überträgt Robbins mühelos, versteht die markanten Momente beider Songs dramaturgisch zu übersetzten und an die Menschen im Kölner Luxor zu übertragen.
Aber es sind nicht nur Coverversionen die, die ganze Show zu einem sehr guten Konzert machen. Es sind auch die eigenen Kompositionen der aktuellen Platte, die Robbins hoffentlich Nachhaltig als Musiker verschaffen wird. Somit ist „Crush on You“ (siehe Setliste neben Grillteller) das erste richtige Highlight aus dem Hause Robbins. Eine tieftraurige Nummer, die Geschichte eines jugendlichen Homosexuellen. Trotzdem kann man den Song absofort vor Neill Youngs „Harvest Moon“ als Rausschmeißer spielen. Erste Tränen stehen in meinem Gesicht. Ab diesem Moment wird der Abend legendär. Der Schauspieler ist nicht mehr Tim Robbins, Tim Robbins ist ein großer Interpret. In diesem Moment inkl. singender Säge wird mir bewusst, dass es sich hier um Musik dreht, nicht um die Selbstdarstellung eines Hollywood Stars. Denn wie ist es anders zu erklären. Das Robbins vor 44 Zuschauern das Konzert seines Lebens spielt!
Ungeahnte Möglichkeiten ergeben sich. Man kann die Positionen in dem kleinen Club wechseln, permanent Alkoholische Getränke holen und eine wirklich unfassbare intime Atmosphäre genießen.
Seit nunmehr 20 Jahren gehe ich regelmäßig in diesen kleinen Club, habe scheinbar alles erlebt, aber Stehtische auf der Tanzfläche habe ich noch nicht gesehen.
Robbins scheint das nicht zu stören. Er will seine Musik präsentieren und sagt am Anfang des Konzertes auch ehr selbstbewusst als resigniert: „Wir sind ein kleines Publikum, aber eine große Familie“. Boah, was für ein Hammer! (entschuldigen sie diese prekären Schreibstil, ich ließ mich hin reissen).
Nach diesen ganzen famosen Eindrücken, stehe ich nach 85 Minuten zwei Meter von meinen Helden entfernt. Habe Tränen der Rührung in meinen Augen bin gleichzeitig ergriffen von dem Zauber des Abends. In solchen Momenten bestätigt sich dann ein ganzes Universum an eigenen Musikwissenschaften. So konnte es dann auch nicht anders sein, dass Robbins als letzen Song „If I Should Fall From Grace with God“ von Shane Mac Gowan anstimmte und in einer Atem beraubenden dichten und leisen Interpretation vor trug.
Mrs. Lomax nutzte dann auch die Momente nach dem Konzert, um mit Robbins ein kurzes Gespräch zu führen. Friend of the Stars könnte man auch sagen, nach dem sie bereits den Autor Jonathan Franzen, einige Tage zuvor, in eine kurze Konversation verwickelte (aber das ist eine andere Gesichte, die hier noch erzählt werden soll). Ich ärgerte mich leicht, denn, ich glaube, dass Robbins Kontakt gesucht hat und sich über ein paar Bier mit fremden Freunden im nahe liegenden Blue Shell gefreut hätte.
Schließlich lief dann bei Abbau der Instrumente sehr laut mein ewiger Lieblingssong „Wichita Lineman“. Wie viele Lieder gibt es auf der Welt, die nach so einem Ereignis gespielt werden könnten? Wahrscheinlich über eine Million. Aber es ist ausgerechnet „Wichita Lineman“.
Tim Robbins hat sich einen Traum erfüllt und ich bin froh, dass ich ein ganz kleiner Teil des Ganzen geworden bin. Es gibt einen Musikgott da oben, ich bin seit gestern fest davon überzeugt.
Alan Lomax
(Alle Fotos Alan Lomax Foundation)