Till Brönner – Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss der Prophet zum Berg
Das Zitat besagt sinngemäß, dass man eine entgegen gesetzte Möglichkeit in Betracht ziehen muss, wenn ein Vorhaben nicht gelingt.
Sicherlich ist der Musiker Till Brönner kein Prophet, aber er hat die Aufgabe, eine Botschaft zu verkünden. Nämlich die Botschaft der Jazzmusik!
Brönner hat sich jahrelang am Jazz -erfolgreich und auch künstlerisch- bedient, doch seit einiger Zeit scheint er den Bezug zur Realität verloren zu haben. Scheinbar Größenwahnsinnig kann man folgende Aussagen von ihm lesen und nachstehende Aktivitäten verfolgen:
1.) Jazz darf ruhig intellektuell sein. Aber er ist viel mehr als nur das. Es gibt auch eine unterhaltende, sehr erfolgreiche und breitenkompatible Komponente im Jazz. Jazz ist die Musik, die es vor dem Pop gab. Ich empfinde den Umgang mit ihm als ungelenk. Das versuche ich auf halbwegs persönliche Weise in diesem Buch widerzuspiegeln. Wenn man den Jazz erfolgreicher machen möchte, muss man das Gros der Menschen betrachten, statt immer nur sauer zu sein, dass viele keinen Zugang zu dieser Musikrichtung haben. Für Jazz braucht man eine gewisse Vorbildung. Aber je öfter man diese Musik hört, desto mehr weiß man sie zu schätzen. http://www.morgenpost.de/kultur/article1419648/Jetzt-spielt-Till-Broenner-auch-Pop.html
->…dass ist eigentlich eine Aussage die ich Teilen würde. Aber sie ist naiv. Denn mit weichgespülten Postandards wird man es nicht schaffen ein Hausfrauenpublikum zu einer komplizierten Thelonious Monk Hörerin zu machen. Der Zugang wird weiterhin verschlossen bleiben. Und das ganze gilt nur als Rechtfertigung eines Künstlers, der noch mehr Erfolg mit banaler Musik haben will und seinem Publikum keine schwierigen Dinge zu muten will. Ein ähnlicher Standpunkt, den auch die ZDF Programmdirektoren mit Serien wie den Sopranos oder Mad Men haben.
2.) Seit einigen Wochen kann man Till Brönner als Juror einer Castingshow beobachten. X Factor läuft auf Vox. Das „besondere“ an dieser Show ist, dass die Juroren auch als Mentoren unterwegs sind und somit eigene Kandidaten ins Rennen schicken. Till Brönner nutzt die Show auch um seine neue Single bzw. Platte zu promoten.
-> …Das kann man ihm natürlich nicht zum Vorwurf machen. In der französischen Ausgabe saß z. B. auch Manu Katche als musikalische Instanz in der Jury. Das grundsätzliche Format dieser Sendung ist auch nicht weiter kritisch zu sehen, da man am Anfang der Staffel sogar den Eindruck hatte, dass es sich hierbei um eine „echte“ Talentshow handelt und nicht um einen Abklatsch von anderen Formaten. Im Laufe der Sendung sind die Juroren aber Opfer ihrer eigenen Eitelkeiten geworden. Till Brönner vertritt so z. b. junge Sänger die wirklich völlig untalentiert sind und musikalisch keine Relevanz haben. Es ist völlig unverständlich, warum sich ein intelligenter Mann wie Brönner mühsamen Diskussionen über Musik aussetzt, die er gar nicht vertreten kann. Man muss nach einem Grund suchen und der kann nur eins sein: „Erreichen neuer Zielgruppen“. Gleichsam ist es aber nervtötend nicht mehr sein zu können und zu folgenden Aussagen zu kommen:
3.) ...ein Grund war, dass es sich bei X-Factor um ein bewährtes bereits international erfolgreiches Konzept handelt, das in ca. 16 Ländern sich qualitativ und erfolgreich von den genannten unterscheidet. Hier ist die Jury doch mehr gefordert als in anderen vergleichbaren Sendungen.
Als zweiten Grund habe ich zur einzigen Bedingung gemacht, dass ich nichts sagen muss, was ich nicht glaube und denke. Ich war einerseits bereit, mir den Ablauf und die Struktur des Formats kooperativ zu Gemüte zu führen. Aber ich werde immer das sagen, was ich denke. Ich habe die Leute deshalb auch rückgefragt: Wisst ihr eigentlich, wen ihr gerade fragt? Und es war deutlich zu spüren, dass man zumindest einen Gegenpol im Sinne einer spürbaren Alternative zum bisher da gewesenen in Deutschland suche. Natürlich kann man sagen, dass vielleicht Sarah Connor nicht unbedingt in dem Terrain gefischt hat, in dem ich war. Aber genau das ist doch in Kombination mit George Glück mal eine ganz interessante Sache. Ich jedenfalls werde dort nichts anderes sagen, als hier zu dir oder zu jedem anderen. Natürlich beurteile ich da keinen Trompeter. Und der Name Dizzy Gillespie fällt immer nur dann, wenn ich Lust habe, ihn mal ein zu werfen. Dann gucken mich trotzdem alle ganz komisch an. Damit kann ich aber wunderbar leben. http://www.laut.de/Till-Broenner
->…es wird unerträglich! Und ehrlich noch unerträglicher, wenn man sich auf die berühmte Internetrecherche begibt und sich insbesondere wundert, warum Brönner verstärkt Interviews in Magazinen wie der Freundin, Gala, Bild und Brigitte gibt!!!!
Die Motivation diese Zeilen zu schreiben lassen sich auf einer großen Enttäuschung begründen. Brönner war mir über Jahrzehnte sympathisch. Angefangen zu seinen RIAS-Zeiten und Auftritten bei der legendären Band der ersten Stefan Raab Show auf VIVA bis hin zu einigen sehr guten Platten, die er zwischen 1994 – 2002 veröffentlicht hat. Da er sich nicht nur in Deutschland, sondern auch internationalen einen recht bestätigenden Ruf als „einziger“ deutscher Jazzmusiker von Weltrang erarbeitet hat, erwarte ich künstlerisch ein Fürsprechen der Jazzbotschaft. Ich bin nie ein Purist gewesen, der einen Künstler ins Abseits gestellt hat, weil er nun auf einmal anfängt ein Weihnachtsalbum aufzunehmen oder gar The Killers zu covern. Dies alles ist legitim. Es geht mir um die Botschaft und um das Vorraussagen der Zukunft einer der wichtigsten musikalischen Kunstformen des zwanzigsten Jahrhunderts. Und nicht um die in Fragestellung nach der Wertigkeit des Jazz und dem gleichzeitigen Abgesang an den Mainstream. Das ist wirklich ärgerlich und verstörend. Aus diesem Grund muss es gestattet sein, zu Hinterfragen, was mit Brönner los ist!?
Ich glaube ihm sein Enthusiasmus den Jazz für neue Zielgruppen zu öffnen einfach nicht und ich glaube auch nicht, dass man die Tür für die, die noch nicht gemerkt haben, dass sie Jazzmusik mögen, einfach so öffnen kann.
Wolfram Knauer schreibt unter diesem Link: http://www.darmstadt.de/kultur/musik/jazz/books/books_2010.htm#2010broenner
4.) Alles in allem: ein von Claudius Seidl spannend zusammengestelltes, äußerst flüssig zu lesendes Buch, auch deshalb empfehlenswert, weil Till Brönner mit seiner Meinung nicht hinterm Berg hält, seine eigene Position offen verteidigt und den Leser damit zum Nachdenken bringt, zum Selbst-Position-Beziehen. Man mag nicht überall einer Meinung mit ihm sein; man mag seine Kritikerschelte manchmal für etwas überzogen, seine Sicht auf "die Avantgarde" für etwas kurzsichtig halten; und man mag auch sein Verständnis vom Jazz nicht überall nachvollziehen: Auseinandersetzen aber muss man sich mit seinen Argumenten, die er wohl begründet und mit denen er einen wichtigen Diskurs über den Jazz und seine Rolle im deutschen Kulturleben anschiebt, wie er auch von Künstlerseite her geführt werden muss.
Ich sehe es halt so: Till Brönner ist ein anbiedernder Scharlatan geworden. Clever vermischt er Jazz zu einem leicht verdaulichen Singsang, ist sich über den künstlerischen Diskurs durch aus bewusst und versucht aus eben dieser Tatsache noch Sympathien für sich zu gewinnen. Ich gehe solchen Leuten meist aus dem Weg, weil man ihnen nicht trauen kann.
Und ganz ehrlich, es gibt genügend gute Jazztrompeter die sich nur mit ihrer Musik beschäftigen und nicht mit einer Mission die im höchster Weise fragwürdig ist, insbesondere wenn man die Empathie der Menschen in diesem Land berücksichtigt, was Musik angeht!
Alan Lomax