The Pacific: Folge 8 (Iwo Jima) – Eine unaufdringliche, erzählerische Kunst

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  4. Januar 2011, 09:10  -  #Fernsehen

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Die folgenden Zeilen setzen meine Gedanken und meinen Eintrag vom 27.12.2010 und dem Kommentar von Rick Deckard fort: http://lomax.over-blog.de/article-die-hbo-serie-the-pacific-sinn-oder-irrsinn-von-kriegsfilmen-63791674.html

 

Zusammengefasst: Bereits nach den ersten Folgen der HBO-Serie „The Pacific“ stellt sich bei mir eine großes Freude über die Bestätigung der hohen Erwartungshaltung ein. Gleichzeitig habe ich mir Gedanken über den Sinn von Kriegsfilmen gemacht. Kollege Deckard hat den Kern meines Ansinnens anschließend, in einem Kommentar, mit den Worten einer unserer Lieblingsregisseure -über das Kino- zusammengefasst: „Wir handeln mit Träumen“ und zeitgleich den Gedanken weitergedacht, dass es bei keinem anderen Genre wie dem Kriegsfilm so viele Berührungspunkte an das archaische im Menschen gibt: Heldentum, Heroismus, Aufopferung, Opfer bringen, Freundschaft, Kameraderie, Ehre, Moral, Kodex, Anstand, Gewissenhaftigkeit!

 

„The Pacific“ erzählt die Geschichte der Marines Eugene B. Sledge, Robert Leckie und John Basilone und ihren Erlebnissen im Pacific-Krieg. Jede einzelne der 10 Episoden betrachtet dabei einen in sich geschlossenen historischen Bezug, im Verbund mit den Einzelschicksalen der Protagonisten. Die Soldaten „Sledgehammer“ und „Leckie“ erleben dabei die Kriegsfront in aller Abscheulichkeit! John Basilone, ein gut aussehender Italo-Amerikaner, hingegen hat das schlimmste bereits hinter sich. Aufgrund seiner Heldentaten, beim Angriff auf die Insel Guadalcanal, wird er zurück in die Vereinigten Staaten geschickt, um für Kriegsanleihen zu werben! Dabei erfüllt er die Rolle des Helden in der Öffentlichkeit, mit allen Annehmlichkeiten.

 

Die grandiose achte Folge steigt nun tiefer in den Charakter Basilone ein! Dabei erleben wir eine extrem verstörende Performance des Anti-Schauspielers Jon Seda. Seda folgt dabei einer wesentlichen Aussage des Alt-Schauspielers Robert Mitchums, der einmal gesagt hat: „Ich kann nur drei Gesichtsausdrücke darstellen: nach links gucken, nach rechts gucken und geradeaus“. Regisseur van Patten nutzt dieses Paradoxon sehr geschickt und lässt dem Zuschauer erst gar die Wahl sich mit Basilone  zu identifizieren. Tim van Patten will die Abfolge des Irrsinns im Krieg darstellen: Basilone verliebt sich in die schöne Lena Riggi, heiratet sie, verlängert seinen Militärdienst, wird Ausbilder und  kehrt als Bataillonsführer in die donnernde Invasion von Iwo Jima zurück.

 

Tim van Patten erzählt uns das alles in kurzen, ausreichenden 30 Minuten. Dabei nutzt er sehr geschickt das Medium Serie aus. Befasst sich nicht mit langen Erklärungen, die der Zuschauer aus dem gesamten Kontext bereits kennt, sondern Konzentriert sich auf das Vorhersehbare! John Basilone läuft seinem Schicksal natürlich entgegen. Die Kernfrage der normalen Dramaturgie entfällt. Der Zuschauer will nicht mehr wissen, ob Basilone überlebt, sondern warum er nicht überlebt.

 

0-1020-997145-00.jpgIn, einer wunderschönen, knapp 10 Minutenlangen Sequenz, gönnt uns (und den Charakteren) Van Patten, eine Pause vom Krieg! Wie Burt Lancaster und Deborah Kerr in „Verdammt in alle Ewigkeit“, sehen wir Basilone und Lena Riggi am Strand. Danach sind wir stiller Beobachter der Hochzeitsnacht der beiden. In einem kurzen Augenblick scheint Basilone glücklich zu sein. Er schaut aufs Meer und genießt den perfekten Augenblick. Vielleicht sagt er sich, besser wird es nicht mehr, vielleicht kapiert er gar nichts, vielleicht gibt es aber auch noch etwas, was wir selbst nie erfahren werden. Der anschließende Cut auf den D-Day in Iwo Jima ist meisterlich. Die nun kommenden 10 Minuten werden für immer ein beeindruckendes Beispiel für die Darstellung des Krieges sein, zeitgleich aber auch eine noch nie dagewesene filmische Meisterleistung manifestieren. Die Einbeziehung des Zuschauers in die Invasion, die scheinbar schwebende Kamera, die sich mühelos und unbemerkt mit Handkameras abwechselt ist fesselnd, intensiv.

 

Bevor Basilone im Alleingang einen ganzen Bunker aushebelt und scheinbar die ganze Kompanie alleine über das Minenfeld drängt, wird er getroffen und stirbt. Die Kamera entscheidet sich anschließend für einen Vogelflug und dem rauszoomen aus dem Geschehen. Schnell wird einem klar, dass das niemand erklären kann und wird, da wir Menschen wie kleine Ameisen handeln, rumwuseln und scheinbar planlos sind, einem geheimen Plan folgen, den die Wissenschaft noch nicht entschlüsselt hat und die Filmemacher erst gar nicht erklären wollen.

 

John Basilone wird von den unverbesserlichen Kriegsfreunden auch „Ein Mann-Armee“ genannt. Auf seinem Arm hatte er eine Tätowierungen mit dem Wortlaut: „Tod vor Schmach“.

 

Van Patten, Spielberg, Hanks gelingt mit dieser Schlüsselfolge ein Triumph an die erzählerische Kunst und errichtet ein Denkmal an die Menschheit und an das Kino. Dieses Denkmal lässt uns bewusst werden, wie dankbar wir sein müssen zu friedlichen Zeiten zu leben, aber auch dafür, dass es Menschen wie diese großen Künstler gibt, die uns so etwas zeigen!

 

Alan Lomax

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