The Descendants – Alexander Payne

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  4. Juni 2012, 12:57  -  #Filme

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Was kaum einem Filmkritiker und –wissenschaftler aufgefallen ist! Alexander Payne hat ein großes Vorbild, welches er bisher nicht genannt hat. Es ist der Filmemacher Douglas Sirk, über den Fassbinder einmal sagte: „Ich habe sechs Filme von Douglas Sirk gesehen. Es waren die schönsten der Welt dabei.“ Gleiches denke ich über Alexander Payne!

Der in Deutschland geborene Douglas Sirk machte in den 1950er und 1960er Jahren Liebesfilme und sogenannte Melodramen, die heute leider oftmals fehlbewertet werden, weil Sie von der Filmkritik als kitschig und Vorlagen von abgeschmackten Illustriertenromanen abgetan werden. Dabei handelten seine Filme von Menschen, die in ihren Häusern und gesellschaftlichen Moralvorstellungen gefangen sind.

3.jpg„Was der Himmel erlaubt“ (1955) ist der Film der mich so sehr an den neuen Payne Film erinnert. In diesem Melodram spielt Rock Hudson einen Gärtner, der sich in die schöne Jane Wyman verliebt. Wyman spielt eine Witwe die natürlich zur besseren Gesellschaft gehört. Der Konflikt ist vorprogrammiert, das Spiel beginnt…

Sirk rechnet in diesem alten Streifen gnadenlos mit der Gesellschaft ab und dreht zudem noch in einer wunderschönen Wald- und Naturszenarien. Die Kritik sprach von einem „spezifischen Gefühlskino“.

Spezifisches Gefühlskino ist auch Alexander Paynes neuer Film „The Descendants“.  Nun könnte man auch –wiedermal – die Attribute der griechischen Tragödien aufzählen um den Film zu beschreiben, spezifisch ist aber die „Unentrinnbarkeit des Schicksals“ die wir mit der Hauptperson Matt King auf Hawaii erleben. Neben der belastenden Situation, dass seine Frau im Koma liegt, muss sich King um die Treuhänderschaft eines Naturgebietes kümmern. Außerdem muss er lernen sich mit der Rolle als alleinerziehender Vater zu recht, zu finden.

Das Interessante an der Geschichte ist einerseits das grandiose Setting auf Hawaii und der Erkenntnis, dass auch dort ein „normales“ Leben zwischen Schicksalen und Problemen geführt wird, anderseits die Art und Weise, wie Payne das Thema menschliche Werte transportiert. Während der scheinbar und tatsächlich jederzeit unspektakulären Geschichte, erfährt der treue Ehemann zu dem, dass seine Frau ihn bereits lange betrogen hat.

Interessant bleibt der Film aber auch deswegen, weil er dem Zuschauer die Zeit lässt, zu überlegen, welche Perspektiven und Erzählstränge wohl noch plausibel gewesen wären. Das beinhaltet natürlich auch das Nachdenken über das eigene Leben!

Oftmals wurde bei den durchweg positiven Filmkritiken von Paynes Trick gesprochen. Gemeint ist die „wohlgediente Mischung aus Komik und Dramatik“. Heutzutage ist es also schon ein „Trick“, früher war es Handwerk.

Neben Hawaii ist das absolute Hauptspektakel die sensationelle schauspielerische Leistung des George Clooney. Seine Darstellung des Matt King wird für immer unvergesslich bleiben! Und wenn Schauspielstudenten das Semester Darstellung von „Orientierungslosigkeit“ und „menschlich tickende Zeitbombe“ habe, wird eben diese meisterliche Leistung aus den Registern gezogen.

the-descendants-squared2.jpgAtemberaubend ist z. B. immer wieder, wie er sich in seiner Hilflosigkeit an seine ältere Tochter (Shailene Woodley)  wendet. Grandios ist die Sequenz als Matt von seiner Tochter erfährt, dass seine Frau ihn betrogen hat! Nach kurzem Nachdenken, sehen wir wie Clooney loslaufen. Die Kraft, die Ratlosigkeit, der Schmerz, die unfassbare Erniedrigung davon zu erfahren bleibt haften. Später sehen wir Matt Koenig wie er gegen seine Großfamilie rebelliert. Ebenso still, ebenso kraftvoll, ebenso gefühlsbetont, ebenso leise. Den wichtigsten  Cue des Filmes erleben wir als verbalen Shoot-Out zwischen dem Liebhaber seiner Frau und Matt und seiner Tochter. Das Ende ist dann eines der schönsten, wohl unspektakulärsten und stimmigsten Filmenden der Kinogeschichte.

The Descendants ist ein Film der sich nicht sofort erklärt. Zu viele möglichen Perspektiven, zu viele scheinbar unwichtige Einstellungen und Dialoge, die sich erst nach vielen Stunden des Sehens erschließen und zu viele unvergessliche Momente. Eben genauso, wie ein perfekter Urlaub, bei dem einem erst danach bewusst wird, wie lebenswert und dankbar man dieses Leben hinnehmen sollte, egal was passiert!

Ein Meisterwerk. Ein wirkliches Meisterwerk. Ein stilles sich entwickelndes und sich ins Herz, Gehirn und Seele schraubendes Meisterwerk. Ein filmisches Geschenk an die Menschen, ohne elitär zu sein, ohne anzustrengen und ohne Tiefgründigkeit zu erzeugen, wo Oberfläche ausreichend ist. Ein erzählerisches und cineastisches Meisterwerk!

Auf Repeat gestellt….

Alan Lomax

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