Soundcity – Dave Grohl

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  2. Mai 2013, 10:13  -  #Filme

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"Einer der Gründe, warum ich den Film gedreht habe, ist, weil Studios wie Sound City für mich wie Museen, Kirchen oder Kathedralen waren. Und sie einfach verschwinden zu sehen, ist traurig. Ich meine, ginge es darum, das Haus von George Washington in Mount Vernon abzureißen - oh mein Gott, dann gäbe es Proteststürme. Warum ist das bei Sound City nicht genauso? Schließlich wurde die Welt durch diesen Raum verändert. Und ohne ihn wäre ich wahrscheinlich gar nicht hier. Von daher war es meine persönliche Mission, diesen Film zu drehen."

Ich könnte mir vorstellen, dass Dave Grohl einigen Menschen die Rockmusik lieben, so langsam auf den Sack geht! Zumindest in Europa. Die Amerikaner sind da ja nicht so empfindlich, bei Multitalenten denen alles gelingt und die in ihrem künstlerischen Spektren kommerziell und handwerklich die unangefochtenen Superstars sind.

Grandioser Schlagzeuger bei Nirvana, Them Crooked Vultures und Queens oft he Stone Age, Entertainer, Familienvater,  Sänger und Gitarrist bei den sehr guten Foo-Fighter, Filmemacher, Erzähler, Bewahrer, Sympathikus. Ein lupenreiner Held. Und einer dem man in seinem Film Soundcity zuhören sollte, wenn man verstehen will, wie sich musikalische Produktionsverfahren in den letzten 30 Jahren verändert haben. dave-grohl-sound-city.jpg

Abgesehen von fantastischer Musik, einer Aufreihung von Superstars der allgemeinen und alternativen amerikanischen Rockmusik, vielen historisch interessanten Details und einem tiefverbundenen, und romantischen Blick auf handgemachte Musik, weißt uns Dave Grohl mit erhobenen Zeigefinger auf die Pros und Contras der analogen bzw. digitalen Produktions- und Aufnahmeverfahren hin.

In den Sound City Studios wurden große Schallplatten produziert: After the Godrush (Neil Young), Unchainend (Johnny Cash), One Hot Minute (Red Hot Chili Peppers), Wildflowers (Tom Petty) und natürlich Nevermind (Nirvana). Das Studio gilt mit seiner analogen Technik und den großen Räumen als das perfekte akustische Labor. Herzstück ist das legendäre Neve-Mischpult, welches von Neil Young als „Enterprise on Steroids“ bezeichnet wurde.

In Dave Grohls Dokumentarfilm nimmt dieses Mischpult den Part des materialistischen Hauptdarstellers ein. Nach einer fast anderthalb stündigen Einführung, nimmt Grohls Film eine tränenreiche Wendung, als wir sehen das die Studios endgültig pleite gegangen sind und Grohl das Mischpult nicht nur rettet, sondern auch in seinem eigenen Studio erneut aufbaut und installiert.

Grohl erklärt uns nun die Vorteile von echtem handgespielten Rock, den Sinn von direkten Aufnahme auf Magnetbändern und die Nachteile bzw. den Untergang des Rock’n’Rolls mit der Einführung der digitalen Möglichkeiten und den Gefahren die Programme wie „Pro Tools „ mitbringen.

sound_wide-8403f5afd44172a992ea4f844fe6486b9a46c59d.jpgAb diesem Moment wird der Film und das gesamt Thema interessant. Und zwar nicht nur für Musiknerds! Immerhin hat das Homerecordingverfahren auch kleinen Musiker, wie z. B. mir selbst, eine neue Welt eröffnet. Seit ein paar Jahren bin ich in der Lage, so ziemlich jede musikalische Idee die ich habe, auf mehreren Spuren aufzunehmen. Instrumente und Harmonien zu arrangieren, ganze Musikstücke zu erstellen. Digitales und Analoges mit einander zu kombinieren! Ein Privileg welches vor einem Jahrzehnt nur Profimusiker hatten.

Andererseits ist der subjektiv sentimentale Blick eines Profimusikers, der zu den besten Instrumentalisten der Welt zählt natürlich nachvollziehbar. Und natürlich bin ich selbst der erste, der den verklärten Blick auf den magischen Ort „Soundcity“ nachvollziehen kann.

In Grohls Position würde ich ähnlich argumentieren. Mit seiner finanziellen Ausstattung vielleicht sogar das elektronische Studio des WDR aufkaufen um es „zu retten“, aber auch um nachfolgenden Generationen zu erklären, wie es war elektronische Klangwelten zu erzeugen, ohne Kleingeräte von Korg oder Yamaha zu nutzen.

Diesen Einwand sieht der Musiker Trent Reznor ähnlich und man muss es Dave Grohl lassen: Er gibt ihm Raum. Reznors „Mantra“ gemeinsam mit Joshua Homme und Dave Grohl (Drums) ist dann auch der musikalische Höhepunkt des Filmes. Alle anderen Nummern auf dem Soundtrack, die natürlich live im neuen „Soundcity“ eingespielt wurden sind merkwürdige Old-School-Rock-Nummern, die nach Garage, aber nicht nach zeitgemäßer Rockmusik klingen. Trent Reznor kann somit definitiv als „gutes Gewissen“ des Filmes genannt werden. Weitere Anspieltipps: „Cut Me Some Slack“ gemeinsam mit Paul McCartney und der alten Nirvanabande Pat Smear und Krist Novoselic und „You Cant‘ Fix This“ mit Stevie Nicks, Taylor Hawkins, Nate Mendel und Dave Grohl.

Sound City ist ein unterhaltsamer, sentimentaler Dokumentarfilm über die gute alte Zeit des Classic Rocks. Grohl stellt etwas wertkonservativ und unreflektiert die Frage nach dem schlechten im digitalen und dem guten im analogen Modus. Wenn man so will, kann man sich dem hingeben oder anfangen zu diskutieren. Wie immer im musikalischen Bereich wird es hundert Beispiele pro Neve-Mischpult und hundert Beispiele pro „Pro Tools“ geben.

Dieser Film ist auf jeden Fall sehenswert für Musiknerds und normal Musikinteressierte, weil er für leidenschaftliches musikalisches Handeln einsteht. Und das kann nur gut so sein und steht so voll im Sinne dieser Seite.

Real to Reel

Alan Lomax

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