SLUMDOG MILLIONÄR

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  20. Oktober 2009, 11:13  -  #Filme



1996 ist aus einer der bevölkerungsreichsten Städte der Welt Bombay mit fast 14 Millionen Einwohnern, der Stadtstaat Mumbai geworden. 

Das ehemalige Bombay hat seit jeher ein Problem mit schnellem Bevölkerungswachstum. Hauptproblem das aus der unglaublichen Bevölkerungsdichte entsteht ist Armut und Enge. Aber auch ein für unsere Region völlig undenkbares Problem: Integration! Wo die deutsche Gesellschaft mit noch nicht einmal 20 Migrantenmilieus zurecht kommt, müssen die Menschen in Mumbai mit ca. 200 verschiedenen Sprachen und etlichen Religionsgemeinschaften zurecht kommen. Ein schlimmes Resultat daraus sind ca. 7,0 Millionen Menschen, die laut Daten einer Volkszählung von 2001 in Slums wohnen. Kriminalität, Unterernährung, Hunger, mangelnde Entsorgung und unzureichende Wasserversorgung sind die fürchterlichen Rahmenbedingungen für Menschen die dort leben. 

Gleichzeitig ist Mumbai, aber auch kulturelles Zentrum. Und das nicht nur für Künstler moderner und klassischer indischer Musik und Theaterkunst, sondern auch für westliche Künstler. 

Natürlich hämmert sich bei uns West-Europäern schnell ein Bild der dritten Welt ein. Ein normales Problem des Menschen, der sich nicht tiefer gehend mit Themen auseinandersetzt. Ich stelle mir vor, dass viele Menschen,  Mumbai für ein riesigen Slum halten, die kulturelle Vielfalt als rückständig betrachten und dabei auch übersehen, dass die Stadt eine vielseitige Industrie beherbergt und Zentrum von Finanzindustrie, Wirtschaft, Handel und Mode ist. Das ehemalige Bombay ist auch eine Boomtown, ohne Zweifel. 

In dem herzzerreißenden Film SLUMDOG MILLIONÄR wird genau mit diesem einseitigen Blick auf Indien aufgeräumt. Der grandiose und visionäre Filmemacher Danny Boyle, denkt erst gar nicht daran, weitere Klischees über Indien zu bestätigen oder zu wieder legen. Er zeigt uns die Menschen in diesem Land so, wie sie sind, ohne sich von Genretypischen „Bollywood-Filmen“ beeindrucken zu lassen oder mit dem erhobenen britischen Zeigefinger klar zu machen, was aus der ehemaligen englischen Kolonie geworden ist. 

Etwas konstruiert kommt die Story daher:  Der Hauptakteur Jamal wird von der Polizei verhört: wie konnte der ungebildete Slumdog bei "Wer wird Millionär" 20 Millionen Rupien gewinnen? Die Fragen des Quizmasters passten perfekt zu den Erfahrungen, die aus 18 Jahren im Slum resultierten. Jamal und sein Bruder Salim verloren ihre Mutter, gerieten an Kinderhändler, Jamal verlor dabei seine Freundin Latika. Die nächsten Jahre verbrachte er mit der Suche nach ihr; und als er sie fand, nahm Salim sie ihm weg... 

Übrigens ein altes boylsches Problem und für mich ein Grund, dass er noch nicht in meiner Heldengalerie weilt. Sein letzter Film SUNSHINE nimmt da noch ehr eine Ausnahmestellung ein. Die 28 WEEKs Filme sind grandios und visuelle Meisterwerke, aber inhaltlich nicht gut. THE BEACH und TRAINSPOTTING inhaltlich auch ehr konstruiert und nicht faszinierend. Dennoch sind es echte Boyle Filme, die für handwerkliches Können, Bildgewalt und berührendes Kino stehen. 

Auch wenn ich die Erzählstruktur keineswegs für intelligent halte, muss man SLUMDOG eingestehen, dass der Film wohl einer der ersten globalen Filme ist, die für ein großes Massenkino weltweit funktioniert und nicht aus Amerika kommt. 

Am meisten fasziniert hat mich, dass der Film nicht ein einziges Mal in eine bollywoodeske Liebesschnulze abdriftet. Aber auch die furios gestaltete Optik des Filmes. 

Aus nahe liegenden Gründen, bin ich sehr auf Rick Deckards Meinung zu diesem cineastischen Hochgenus gespannt.

Für mich ist das ganz großes Kino! 

Alan Lomax  

 

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