Sky At Night - Das meisterhafte neue Album von 'I am Kloot'
Das Leben ist manchmal wirklich merkwürdig, oder aber man spinnt sich Zusammenhänge, die es gar nicht gibt. Noch vor einigen Tagen stand ich draussen und beobachtete spät abends den klaren Sternenhimmel, einer der schönsten und beruhigendsten Anblicke die es gibt. Vermutlich beobachtete Mr. Lomax zum gleichen Zeitpunkt den Himmel mit seinem Teleskop zu Horner's Klängen auf den Kopfhörern.
Jetzt einige Tage später hatte ich am Wochenende eine Score Session hinter mir, las ein abhängiges Musikmagazin und stiess auf eine Band, von der ich in meiner 'Independent Phase' bereits gehört hatte und von denen ich auch 2 Alben besitze: I am Kloot. Die Rezension machte mich neugierig und als ich in die ersten Auszüge hinein hörte, war alles andere schnell beschlossen.
Sky at Night ist ein Album, auf das ich lange gewartet habe und alle Wünsche und Träume sind darauf in Erfüllung gegangen. Wunderschöne Popmusik, atmosphärisch sehr dicht mit unglaublich zu Herzen gehenden Texten und Songs, sehr ausgereift produziert und mit einem deutlichen Nachhall. Ich habe alle Songs in einem durchgehört und die Musik erschloss sich umgehend, musikalische Liebe auf den ersten Blick.
I am Kloot sind John Bramwell, Pete Jobson und Andy Hargreaves aus Manchester. Ihnen behilflich bei der Produktion waren Guy Garvey und Craig Potter von Elbow. Bevor ich mir die Songs anhörte sah ich mir das 'Making Of' zum Album an, welches als Beigabe mit dabei ist und auf dem alle Musiker und die Produzenten zu Wort kommen. Bramwell kommt sehr glaubwürdig und sympathisch herüber, wie auch die anderen beiden Musiker. An den Slang muss man sich gewöhnen.
Die Musik, das ganze Album ist etwas für die tiefe, späte Nacht bei einem Glas Single Malt und/ oder Bier. Nichts darauf ist sonnendurchflutet oder animiert zum tanzen, so viel sei klar gestellt. Es sind Melodien und Texte zum nachdenken, zum reflektieren oder einfach nur zum sinnieren. Trotz der gelegentlich melancholischen Stimmung reisst die Musik einen nicht herunter, im Gegenteil, sie ist erhebend. Lange schon hörte ich keine Musik mehr, die so sehnsüchtig und romantisch aber auch destruktiv und hoffnungslos zugleich ist. Die Balance zwischen diesen Attributen wird aber perfekt gehalten, so dass ein unwillkürlicher Sog entsteht.
Es ist schwer in Worte zu fassen, warum man Musik hört. Einer der Gründe ist, dass sie Emotionen transportiert und damit auch die eigenen Gefühle leiten, lenken und verändern kann. Das führt ab einer bestimmten Intensität zu körperlichen Reaktionen wie Gänsehaut, die ein jeder kennt, der Musik mit oder auch ohne Leidenschaft hört. Von solchen Momenten gibt es auf Sky at Night en masse.
Bereits der Opener 'Northern Skies' ist so ein popmusikalischer Augenblick, der einen von null auf hundert in andere Sphären beamt. Was für ein wunderschöner Song! Die Krone erhält die folkige Stimmung durch ein Streicherensemble, welches auch auf anderen Songs zu hören ist. Ich fühlte mich in die 60's katapultiert. Das folgende 'To The Brink', eine Ballade und man meint es sei kaum möglich nach einem solchen Anfang, ist noch schöner, noch intensiver, noch bewegender! Es folgt ein grosser Song nach dem anderen und über Fingerprints und das bluesige 'Lately' steuert man auf den Höhepunkt des Albums zu, 'I still do'. Hier singt Bramwell zu einer Harfe (?) ein Lied, das durchdringender, einfacher und gerade deswegen beeindruckender nicht sein kann:
"When I was a child I looked up at the sky / Thought I saw You and I in the clouds passing by / [...] I still do".
Wie Bramwell den Refrain singt verursacht fast Schmerzen.
Ein leicht zerstörerischer Song, sowohl textlich und musikalisch folgt mit 'The Moon Is A Blind Eye'. Alle weiteren Songs wie 'Proof' und 'It's just a Night' muss man hören, was soll ich lange und umständlich darüber fabulieren.
Ich ringe mit mir schon seit 2 Stunden, aber ich glaube ich kann 'Sky at Night' ohne Scham und Übertreibung als das bezeichnen, was es für mich ist:
Ein Meisterwerk.
Musik ist manchmal zutiefst bewegend und irrational und das PoP-Musik das sein kann, haben I am Kloot mit diesem Album bewiesen.
Heute abend schaue ich wieder hinauf zum Sternenhimmel, diesmal mit den Melodien der Band aus Manchester auf den Ohren.
Es ist nicht leicht ein Romantiker zu sein.
Rick Deckard
link zur Homepage der Band mit u.a. dem 'Making Of' und einem wunderbaren Text von Frank Cottrell Boyce, insbesondere der letzte Absatz.