Sinfonia Antartica - Ralph Vaughn Williams

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  17. Januar 2010, 19:22  -  #Orchestrale Musik

Antarctica


Motiviert durch eine Vielzahl an Querverweisen zu Ralph Vaughn Williams in den Kompositionen von Bernd Herrmann habe ich mich nach einer sehr langen Zeit wieder der Klassik gewidmet. Sehr lange ist untertrieben, es sind fast 2 Jahrzehnte. Umso gespannter war ich, ob mir der Wiedereinstieg gelingen würde, denn den Grossteil der Zeit verschlangen in den letzten Jahren die Popmusik und gelegentlich der Jazz. Eine ganze Sinfonie in einem durchzuhören erfordert Geduld und auch Konzentration. Ersteres habe ich gehabt, nur bei der Konzentration hat es immer wieder gehapert, war man doch gewohnt diese durchschnittlich für 3 min aufrecht zu halten. Das Hören klassischer Musik erfordert eine andere Zuwendung und benötigt viel Hördisziplin um der Musik zu folgen. Sehr häufig machte ich die Beobachtung, dass Gedanken abschweiften und ich mich immer wieder mühen musste zurückzukehren. Ich denke das wird sich in den nächsten Jahren nun (hoffentlich) wieder ändern.

Ich habe mich für die 7. Sinfonie von Ralph Vaughn Williams entschieden, da die Basis hierfür eine Filmmusik war, die er für den Film 'Scott of the Antarctic' im Jahre 1947 geschrieben hatte. Er war sehr angetan von der Musik und nahm diese als Anlass Ideen und Themen daraus für eine Sinfonie zu verwenden, die er im Jahre 1949 begann und 1952 beendete. Die Entscheidung diesen Weg zu gehen hat sich im Nachhinein als richtig erwiesen, denn es standen viele andere klassische Musiken zur Auswahl. Bisher war ich als Hörer von Filmmusiken gewohnt, dass die Klänge bildhafte Assoziationen und Emotionen hervorrufen, ich denke das wird in der Klassik langfristig anders sein, denn die meisten klassischen Kompositionen sind ja zwangsläufig keine programmatische oder funktionale Musik.

Die Sinfonie ist aufgebaut aus 5 Sätzen benannt 'Prelude', 'Scherzo', 'Landscape', 'Intermezzo' und Epilogue' und ist geschrieben für ein grosses Orchester, einen dreistimmigen Frauenchor und ein Sopransolo (in diesem Fall Sheila Armstrong), im ersten und letzten Satz kommt sogar eine Windmaschine zum Einsatz! In Fall der 'Sinfonia Antartica' ist zwangsläufig im Titel die Marschrichtung vorgegeben und Vaughn Williams kann genau die Assoziationen die man mit der Antarktis verbindet bestechlich genau erzeugen: Eiseskälte, Einsamkeit, Naturgewalten, Epik und monumentale Panoramen. Trotzdem ist die Musik sehr melodisch hat ein Thema welches zu Anfang und am Ende aufgegriffen wird und ist überhaupt nicht atonal. 

Die Klänge, insbesondere der 2. Satz mit einer Orgel die einen Gletscher musikalisch umschreibt, sind unglaublich gewaltig und es ist insgesamt mitnichten eine ruhige oder beruhigende Musik. Ruhigere Passagen mit Streichern, die durch die gesamte Symphonie sehr "einladend" klingen, wechseln ab mit bombastischem Schlagwerk. Das verwunderliche ist, dass Vaughn Williams mit seiner Musik dem Hörer die Möglichkeit bietet eigene Bilder aufzubauen und ihn nicht so vereinnahmt, dass der Phantasie Grenzen gesetzt sind. Die Sopranstimme zusammen mit der Windmaschine sorgen beim Hören für eine fröstelnde Kälte und genauso unwirklich wie die Musik beginnt endet sie auch: ins nirgendwo gehend, sich ohne Hoffnung auflösend. 

Nun kenne ich nicht alle Interpretationen dieser Symphonie und sitze auch nicht mit einer Stoppuhr vor den Boxen, aber das was Bernard Haitink und das London Philharmonic Orchestra an Klängen erschaffen ist grossartig. Die Stimmungen der arktischen Kälte, die Intensität der Musik und alle Klangfarben werden sehr plastisch dargeboten. 

Mir fehlen natürlich nach so langer Zeit die richtigen Vokabeln und auch das musikalische Fachwissen um eine solche Musik genau zu umschreiben, aber ich denke die werden mit der Zeit kommen. Im 2. Satz hört man "scharfe", sehr pointierte Bläser, die sofort an Herrmann erinnern und es machte Spass diese Eigenheiten und stilistischen musikalischen Mittel herauszuhören. Das war ja das erste Anliegen. Das Herrmann die "Pinguin Musik" aus dieser Symphonie für den Score zu 'Always The Trouble With Harry' von Hitchcock benutzt hatte, habe ich im Kommentar zu dem Beitrag von Mr. Lomax bereits geschrieben. 

Insgesamt war die 'Sinfonia Antartica'ein schöner und willkommener (Wieder-)Einstieg in die Welt der Klassik. Ich freue mich in den nächsten Monaten auf viele symphonische Musiken und so wie die Zeit es zulässt werde ich mich mit den Werken vieler Komponisten beschäftigen, insbesondere mit Holst ('Die Planeten' waren Vorlage für viele Science Fiction Filme), Strawinsky und Bartok (massgeblich Einfluss nehmend auf Jerry Goldsmith), aber auch mit Charles Ives, Aaron Copland, Howard Hanson. Bleibt noch zu erwähnen, dass es äusserst angenehm und entspannend war sich mal eine ganze Stunde nur auf Musik zu konzentrieren.

Als Fussnote: Stanley Kubrick soll Keir Dullea gebeten haben diese Symphonie als Vorbereitung für die Zeitreise-Sequenz für '2001-Odyssee im Weltraum' zu hören und Trip-Hopper DJ Spooky aka Paul D. Miller hat sich für sein Werk 'Terra-Nova-Sinfonia Antartica' von Vaughn Williams inspirieren lassen. 

Klassische Grüsse,

Rick Deckard 

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