Shine a Light – Martin Scorsese
Ehrlich gesagt habe ich mich lange geweigert, etwas über diesen Film zu schreiben. Ich habe ihn bereits vor einigen Monaten gesehen und habe mir gedacht, dass es unnötig ist darüber eine Notiz anzufertigen. Denn natürlich ist über den Film bereits alles geschrieben worden, was man schreiben kann. Es hagelte Verrisse und gab auch einige positive Besprechungen. Weiterhin ist über die Rolling Stones alles geschrieben worden, was man schreiben kann und dann ist es ja auch noch so, dass die Stones, die eh schon meist gefilmte und dokumentierte Band des Planeten sind. Es gibt kaum noch Geheimnisse und auch ich ertappe mich dabei, dass ich denke alles über die Jagger, Richards, Watts und Wood zu wissen.
Nach langem Nachdenken und initialisiert durch einen kleinen Ausschnitt, den ich vor einigen Tagen erneut gesehen habe, habe ich meine Meinung allerdings Grund legend geändert.
Shine A Light sollten eben genau die sehen, die meinen alles über die Stones zu wissen bzw. der Meinung sind, dass das ein Abfilmen einer Alt-Herren-Band ist.
Auch dieser Irrtum wird langsam, aber sicher zum Mythos. Es ist eben nicht das museale was die Stones auszeichnet, sondern ihre Würde und Wichtigkeit, immer noch eine der größten Bands des Planeten zu sein.
Sicherlich, Scorsese ist kein Risiko eingeangen und hat eine vermeidlich gut geölte Rockmaschine, standartgemäß bei einem Konzert in New York abgefilmt. Zwischendurch sieht man einige dokumentarische Ausschnitte der Stones und Interviewfetzen. Scheinbar nichts besonderes. Shine a Light hat aber trotzdem die besonderen Momente, die den Film sehenswert machen und zwar sind das kleinen Zwischenmenschlichen Sequenzen, die mich regelrecht glücklich gemacht haben, weil sie ebenso kraftvoll und viel sagend sind.
Da ist z. B. der Gastauftritt des scheinbar coolen Jack White von den White Stripes. Er singt gemeinsam mit Jagger Loving Cup. White ist aufgeregt und ihm bleibt vor Ehrfurcht eines Kindes, in den starken Momenten des Songs regelrecht der Atem aus. White ist ein Sohn der Rolling Stones dessen musikalisches Sachverständnis klar in dessen Richtung ausgerichtet ist. Jagger steht wie ein Vater neben ihm und er hat überhaupt kein Problem damit seine coole Professionalität bei Seite zu legen. In dem Moment wo die „anderen beiden“ Gitarren in Form von Richards und Wood hinzukommen, muss sich White geadelt fühlen. Er wirkt weiterhin unbeholfen und weiß dass was da dargeboten wird nicht besonders wertvoll ist, für ihn aber ein besonderer Moment ist.
Überhaupt ist es Richards der in diesem Film die Hauptrolle spielt. Er ist sich sehr wohl darüber bewusst, dass diese Aufnahme historisch sein wird und so packt er das ganze Richards-Paket aus. Posing, Verschrobenheit, Eleganz und bestes Rock’n’Roll Croonertum. Das er nicht der beste Gitarrist ist, weiß er selbst. Aber er ist effizient und er hat Respekt. Als Highlight des Filmes kann man die gemeinsame Nummer mit Buddy Guy bezeichnen. Guy der mehr Blues in sich drin hat, als ein sterbender Hund, nach einer wilden Nacht, spielt Richards und Wood an die Wand und singt Jagger ins Grab. Alle wissen um die Größe der Legende. Es ist zutiefst bewegend, wie Richards ihm nach dem Song seine Gitarre schenkt. „It’s yours“. Das ist mehr als eine Geste, dass ist eine Verneigung vor einem großen Musiker und seiner Musik. Und es ist lustig und bewegend, wie Guy die Geste erst nicht versteht und Richards ihm die Gibson regelrecht in den Torso presst. Absolut obergrandios ist Richards Solodarbietung von You Got The Silver. Wood begleitet ihn auf der Gitarre. Richards raucht, hat einen langen Mantel an und tanzt beseelt um seinen alten Kumpel. Er scheint glücklich zu sein. Er muss keinem mehr was beweisen und Scorsese vermittelt genau diesen Eindruck mit einer sehr eingehenden und tiefgründigen Schnitt- und Kamerafolge bis zum Highlight bzw. zum Plot. Richards schnippt seine Kippe weg, sieht kurz ins Publikum und fragt: „Cool , he!?“. Er lacht und geht Backstage.
Es ist sehr wohl Scorsese zu verdanken, dass diese Dokumentation wertvoll ist. Es sind die einfachen Momente und das einfache Konzept, was dieses Gesamtmonster klein und erklärbar werden lässt.
Natürlich will sich keiner mehr mit den Stones beschäftigen. Aber ich frage mich warum? Der Film ist ein Triumph, die Band immer noch zeitgemäß und die Musik absolut erdig und authentisch. Ein großer Spaß, wenn man sich darauf einlässt und mal wieder hinterfragen will, warum einige zeitgemäße Bands gar nicht zeitgemäß sind.
Alan Lomax
P.S.: Lesen Sie auch: http://lomax.over-blog.de/article-john-frusciante-steigt-wieder-einmal-bei-den-red-hot-chili-peppers-aus-41383209.html