Scoredancing - Reloaded
Als Grenzen überschreitender Musikliebhaber ist es unmöglich sich allen Genres gleichzeitig intensiv zu widmen. Popmusik ist dabei am dankbarsten. Man muss nicht erst komplette Galaxien erfassen um zu verstehen. Obwohl die Erforschung fremder Welten hilfreich sein kann.
Jazzmusik fordert da schon mehr. Man sollte genau hinhören, manchmal gibt es Cues die einem sofort gefallen. Aber es ist selten. Erst kürzlich habe ich dies schmerzlich bei meiner Spanienreise, mit dem Themen bezogenen Ansatz: Miles Davies vs. Chick Corea feststellen müssen. Jazzmusik will eben nicht nur das Herz erreichen, sondern auch das strukturelle Gehirn. Wirken tut alles auf mich. Aber ich möchte mich halt darüber hinaus auch mit der Musik auseinandersetzen.
Leider driftet man dabei selbst schnell in ein irrsinniges Kritikergetue ab. Insbesondere wenn man sich mal wieder über einen gelesene Hype ärgert und sich fragt, was soll das alles. Die Marketinggagmaschine läuft ständig und permanent.
Kürzlich habe ich folgende Zeilen von dem mir sehr geschätzten Autor und Musikkritiker Eric Pfeil gelesen:
„ Ich sage Ihnen, geneigter Leser, jetzt mal was: Das ist alles Quatsch mit der Musikkritik. Ich werde bald, sehr bald schon damit aufhören, über Musik zu schreiben. Weil es im Rahmen dessen, was Menschen gemeinhin als „Musikkritik" oder „Musikjournalismus" bezeichnen, Unsinn ist. Aus folgendem Grund: Diejenigen, die sich angeblich „ernsthaft", tatsächlich aber eben nur „von Berufs wegen" mit Musik befassen, tun exakt das Gegenteil: Sie lassen Unernsthaftigkeit walten! Sie befassen sich nicht mit Musik, sondern sie befassen sich mit Musikbefasserei. Weil sie, statt wirklich in eine Musik einzusteigen, Themen verwalten müssen. Und weil sie zwischen ihren Stapeln von Promo-CDs und Info-Waschzetteln gar nicht mehr zum Musikhören kommen.
Bei der Musikkritik aber geht es um etwas völlig anderes. Wer sich so wie ich wirklich allen möglichen Kram anhört, ver- und abgleicht, der hat überhaupt nicht mehr die Zeit, so sehr in ein Album einzudringen, dass er es wirklich versteht. Schlimmer noch: Wer so viel Musik hört wie ich, hat gar keine Zeit mehr die Musik zu hören, die er gerne hört. Musikkritiker - so sie sich denn wirklich nur im Ausfüllen dieser tristen Etikettierung erschöpfen - sind doch zumeist nur Verwalter verabredeter Wichtigkeiten.
Als „Musikhören" aber bezeichne ich das, was ich früher getan habe: Eine Platte hören, wieder und wieder. Und zwar nur aus dem Grund, weil ich sie hören will. Nicht, um darüber zu schreiben, darüber zu quatschen oder darüber zu debattieren. Noch nicht einmal, um sie „zu verstehen". Ich habe früher einzig und allein deshalb Musik gehört, weil ich sie gern hören wollte. Das hört sich für mich derzeit geradezu verrückt an - der Krisenclown haut auf die dicke Trommel.“
Nun will ich mich nicht selbst als Musikkritiker bezeichnen, aber trotzdem habe mich die Zeilen sehr zum Nachdenken angeregt, weil sie so ehrlich sind, wie ein Mollakkord und ich genau die gleichen Dinge seit einiger Zeit überdenke.
Eskimorolle rückwärts!
Als ich an einem legendären Kinoabend in Hannover die Ehre hatte Rick Deckard kennen zulernen ist mir direkt eine nicht gekannte Sache aufgefallen. Der damals junge Mann sah zeitlos aus.
Später würde ich diese Aussage revidieren und dem zeitlos, ein Renaissance hinzuführen. Diese Aura lässt sich mit einfachen Worten erklären. Rick Deckard war erhaben über alle popkulturellen Einflüsse. Denn er hat Wert auf die Komposition, auf die wahrhaftige Melodie und die Epik in der Musik gelegt. Er war ein junger Mensch, der sich selbst weitestgehend mit Filmmusik und symphonischer Musik auseinandersetzte.
Von einigen –weil zu diesem Text nicht passend- Ausnahmen abgesehen! Sofort infiltrierte (positiv belegt) er mich mit einem für mich zwar bekannten Musikgenre –ich sammelte bereits alte Scores auf Vinyl- allerdings fehlte mir das Wissen, der Zugang und die Begeisterungsfähigkeit.
Die folgenden „Pflegeljahre“ waren vom Lernen des Hörens der Filmmusik geprägt. Die erst einseitige, dann gegenseitige Euphorie steckte uns an. Es gab sogar gemeinsame Musikabende, wo wir nur Filmmusik gehört haben und zu dem Master of Universe John Williams getanzt haben. Soweit das zu den Themen „Star Wars“ und „Superman“ möglich ist.
In meinem Keller stehen Meterweise Kassetten und CD’s mit den schönsten Filmmusiken dieser Erde. Aufgenommen und feinsäuberlich beschriftet von Rick Deckard.
Es ist wundervoll einen Mentor zu haben, der einen in eine fremde Kunstform einführt, bevor man die berühmte Backfischzeit verlässt und selbstständig wird.
In den letzten knapp 12 Jahren ist viel passiert. Dies alles aufzuführen würde den angemessenen Rahmen sprengen. Kurz zusammengefasst: Wir haben uns alle verändert, versuchen unser Leben in den Griff zu bekommen und definieren uns weitestgehend über unsere Hobbys. Die Zusammengefasst und sehr oberflächlich hier in diesem blog abgebildet werden.
Dem Fährtenleser unseres blogs mag aufgefallen sein, dasa Deckard in musikalischen Besprechungen über Popmusik und Jazz immer wieder kritische Töne zwischen seinen Euphorien anschlägt. Ich mich aber der alten Leidenschaft Filmmusik so gut wie gar nicht geäußert habe. Was daran liegt, dass sich Deckard geöffnet hat und ein Welten reisender in Sachen Musik wurde, ich mich weiterhin um einen Kontinent gekümmert habe. Es wird Zeit für eine Veränderung bzw. für ein Scoredancing Reloaded.
Seit einigen Wochen lese ich sehr aufmerksam die deckardschen Filmmusik Besprechungen. Weiterhin gibt es seit einigen Wochen die Ankündigung, dass in der Kölner Philharmonie drei!!! Filmmusikkonzerte stattfinden. Jeweils ein Abend wird dem Feingeist Nino Rota, ein Abend John Williams (MoU) und einem Abend dem Genie Bernhard Herrmann gewidmet.
Wie es der Zufall so will, habe ich bei einer längeren Autofahrt kürzlich einige meiner alten Lieblingsscores gehört. Die Musik von u. a. Rota (Der Pate), Ennio Morricone (insbesondere seine Musik zu Cinema Paradiso) ,Elmar Bernsteins furiose Suite zu einem meiner ewigen Lieblingsfilme „To kill a Mockingbird“ und Dimitri Tiomkin’s „High Noon: Theme“ haben ungewohnte, ja fast vergessene Gefühle in mir ausgelöst. Die Melodien, die Erinnerungen an die schönen Filmsequenzen und die opulenten Kompositionen haben Freude und Leidenschaft in mir ausgelöst, die ich schon lange beim Musikhören vermisst habe.
Ich wollte es nicht übertreiben und habe Tage darüber nachgedacht, wie ich diesen Moment konservieren kann und natürlich ausbauen soll.
Das Schicksal führte eins zum anderen. Am Wochenende habe ich erfahren, dass einer meiner Lieblingsschauspieler der Gegenwart, Tim Robbins, mit seiner Band The Rogues Gallery Band im Kölner Luxor spielen wird (15.10.2010). Sofort habe ich mir eine Eintrittskarte zugelegt und über Robbins nachgedacht. Was für eine unglaubliche Möglichkeit, diesen interessanten Künstler 2 Stunden zu beobachten, gleichzeitig an seine großartigen, meine Lieblingsfilme, zu denken. Weit voran natürlich das Meisterwerk „The Shawshank Redemption“. Der Weg zu Thomas Newman war nicht weit.
Das gestrige Hören der End Titles von „The Shawshank Redemption“ haben den Automoment würdig fortgesetzt. Die ergreifenden Streicher, die innere Ruhe der Komposition und die würdevolle Melodie über die Freundschaft zweier Männer, die einen gemeinsamen Traum hatten/haben überwältigte mich....
Alan Lomax (im Filmmusikfieber und im musikalischen Herbst angekommen)