Un Prophète von Jaques Audiard
Die Franzosen haben ihre Filme immer anders gedreht als die Kollegen auf der anderen Seite des Atlantiks. Letztere waren zwar Vorbilder, aber die Grande Nation hat diese nur als Vorlagen benutzt um eigenständige Filme zu produzieren. Ein Prophet von Audiard ist so ein Film. Er gehört zum Genre des Gangster- oder Gefängnisfilms und erzählt die Geschichte eines 19 jährigen Arabers, der nach einem Konflikt mit der Polizei 6 Jahre seines Lebens im Knast verbringen muss. Wir erfahren nur soviel über ihn, als dass er in einem Heim aufgewachsen ist, unreligiös und Analphabet.
In einer ersten 30 min. Sequenz wird die Inhaftierung gezeigt und bereits während dieser sehr intensiven Minuten zeigt der Film seine Eigenständigkeit und auch die Kunst seines Regisseurs: jedes Klischee wird umschifft und bewusst vermieden. Keine pathetische Musik, keine klassischen Abschiedsszenen oder Unschuldsbeteuerungen. Dieser Realismus wird den ganzen Film hindurch eingehalten. Die Kamera klebt fast durchgehend am Protagonisten und fängt die Szenen und Bilder aus dem Gefängnis sehr naturgetreu und ehrlich ein.
Ein Prophet ist ein Gefängnisfilm der anderen Art. Keine berühmten oder bekannten Schauspieler, keine Stereotypien. Fast 2,5 h nehmen sich der Regisseur und Drehbuchautor Zeit die Geschichte zu erzählen und keine einzige Minute davon ist langweilig. Im Gegenteil, der Werdegang dieses 19-jährigen wird sehr spannend und atmosphärisch intensiv erzählt. Man fiebert mit dem Hauptdarsteller mit von Anfang bis zum Ende, was u.a. auch daran liegt, dass er als "normaler" Mensch porträtiert wird und nicht als jemanden, den man am Ende gar romantisiert oder als 'Larger than Life' betrachtet.
Diese Rolle wird von dem bisher unbekanntem Tahar Rahim gespielt und er füllt sie wirklich sehr überzeugend aus. Genauso intensiv und äusserst beeindruckend ist auch der Däne Niels Arestrup, der im Film den korsischen Gangster César Luciani spielt und zu dessen Handlanger der junge Insasse wird.
Wie der junge Malik im Gefängnis seinen Weg geht und als was er am Ende dieses wieder verlässt ist ohne Frage sehenswert und eine sehr willkommene Abwechslung zu den gängigen Filmen aus Hollywood. Das Ende ringt einem sogar ein grosses Schmunzeln ab, weniger wegen der Bilder, sondern weil nach einer halben Ewigkeit 'Mackie Messer' von Weill kongenial eingesetzt wird.
Ein Film, der sich zweifelsohne in die Reihe der grossen Gefängnisfilme einreihen darf.
Rick Deckard