Robert Altmans 'The Long Goodbye': Hooray for Hollywood!

von Rick Deckard  -  30. September 2012, 09:51  -  #Filme

The-Long-Goodbye.jpg

Der satirische Blick eines Robert Altman ist einzigartig und 'The Long Goodbye' ein meisterhafter Film, ein echtes filmisches Juwel der 70er Jahre. Dem Regisseur wurde Dekonstruktivimsus vorgeworfen und das Ansinnen ein Genre zerstören zu wollen. Der Film war bei seiner Eröffnung ein Flop am Box Office aufgrund falscher Vermarktung und hatte es hinterher auch schwer ein Erfolg zu werden. Erst die Jahre, wie so häufig, haben gezeigt, welche echte Qualität in ihm steckt. Zu groß muss der Schock in den Siebzigern gewesen sein, eine Ikone des Detektivfilms dergestalt auf der Leinwand zu sehen. Einst hatte Humphrey Bogart den Charakter des von Raymond Chandler kreierten Philip Marlowe zu seinem Alter Ego und damit unsterblich gemacht. Nun kommt Elliot Gould.

Bereits die Eröffnungsszene ist großartig und doppeldeutig in jeder Hinsicht in Bezug auf das Genre des Film noir und den Titel des Films: Ein leicht heruntergekommener, schnarchender Gould wird von seiner Katze geweckt. Die sich anschließenden Minuten in denen er versucht das Tier mit falschem Futter zu bestechen und durch das nächtliche Los Angeles fährt sind eindringlich und komisch zugleich. Wunderschön die Location seiner Wohnung, das flimmernde Lichtermeer von Los Angeles, die neondurchfluteten Strassen. What a beginning!

Marlowe wird in dieser Nacht von seinem Freund Terry Lennox aufgesucht und bittet ihn an die Grenze nach Mexiko zu bringen. Er tut Lennox den Gefallen nicht ahnend, in welchen Strudel er hineingerissen wird. Zurück in Los Angeles stehen plötzlich die Polizei und Gangster vor der Tür, parallel nimmt der Privatdetektiv einen neuen Auftrag entgegen: Er soll einen alkoholkranken und psychisch instabilen Schriftsteller suchen ... .

Die Drehbuchautorin Leigh Brackett schrieb geschliffene und äusserst sarkastische Dialoge, die Gould unnachahmlich abfeuert und so für enorm heitere Momente sorgt. Die Figur des Philip Marlowe ist das absolute Gegenteil von der Darstellung eines Bogart. Hier ist er ein wandelnder Anachronismus in einer Welt, die er nicht versteht. Selbst das Auto welches er fährt, ein Lincoln Continental, kommt aus einer anderen Zeit. Doch bei aller Flapsigkeit und scheinbarem Desinteresse an der Umwelt darf man sich bei seinem Charakter nicht täuschen. Der hier dargestellte Marlowe verkörpert Tugenden, die zunächst nicht auffallen und die ihm sichtlich schwer fallen in einer verkommenen Welt. Im Finale wird jedoch deutlich, welche Bedeutung diese für ihn haben.

Aus künstlerischer Sicht ist 'Der Tod kennt keine Wiederkehr' (so die deutsche Übersetzung) ein Hochgenuss. Das liegt an der wunderschönen Kameraführung eines Könners seines Fachs: Vilmos Zsigmond. Die Epik der Geschichte versteht er in intensiven Bildern in breitem Cinemascope umzusetzen. Die Bilder sind überlagernd und spiegelnd, die Nacht neondunkel und der Tag an der Pazifikküste in schillerndem Sonnenschein gefilmt. Die Kamera ist ständig in Bewegung, blickt aus Gebäuden und in diese hinein, zeigt Menschen in sich spiegelnden Flächen und fängt die jeweiligen Stimmungen perfekt ein. Meisterhaft!

Interessant auch die Musik, das Konzept: Im Grunde besteht sie aus einem einzigen Thema, einem Song, der unzählige Male in verschiedenen Instrumentalversionen variiert wird, im Hintergrund spielt, als Source dient. Gesungen wird der von John Williams mit Johnny Mercer komponierte Song vom Dave Grusin Trio. Eine melancholische Ballade, die den Kern der Handlung musikalisch ausdrückt. Das Label Quartet Records hatte vor kurzem die vergriffene Musik in einer limitierten Edition wieder auf CD veröffentlicht, die binnen Stunden ausverkauft war.

Der Film von Robert Altman gehört ohne Zweifel in die Bibliothek eines jeden interessierten leidenschaftlichen Kinogängers und Cineasten. Wenn auch die Handlung zunächst komplex erscheint, so lösen sich alle Stränge gegen Ende auf. 'The Long Goodbye' besticht durch seine Geschichte und die Optik, das satirische Element und durch unzählige Szenen, die in jeder Hinsicht beeindruckend und äusserst humorvoll sind. So z.B. die Darstellung des Gangsterbosses Marty Augustine, der vom Regisseur Mark Rydell verkörpert wird. In einer Szene taucht sogar ein "Schauspieler" auf, im Abspann Arnold Strong genannt, der einen schmunzeln lässt.

'The Long Goodbye' ist ein Beispiel für Kino, das beides ist: Unterhaltung auf hohem Niveau und Filmkunst zugleich. Ein Kriminalfilm mit heftigem Augenzwinkern und der melancholischen Erinnerung an eine vergangene Zeit.

Meines Erachtens einer der besten Filme von Robert Altman und ein Paradebeispiel für das überragende Kino der 70'er Jahre.

Aus der Malibu Colony,

Rick Deckard

Um über die neuesten Artikel informiert zu werden, abonnieren: