Richard Hawley – Gloria Köln 21.05.2010
Der englische Sänger wird gerne mit den besten Sänger der letzten 50 Jahre verglichen. Die Presse geizt nicht mit Vergleichen. Da werden Scott Walker, Roy Orbison und Frank Sinatra genannt. Aus meiner Sicht an Ermangelung von vorhergehendem Wissen und übersteigertem Tatendrang.
Verhaften wir uns nun also erstmal an dem dämlichen Vergleich zu Sinatra: Niemand, niemand wird Sinatra jemals die Stange halten können: Die Gründe dafür sind zahlreich, aber schnell und konsequent aufzählbar! Sinatra hat zu einer Zeit in Amerika gelebt und gewirkt, die mit keiner anderen Zeit –sozio-kulturell- zu vergleichen ist. Es ist auch der Mythos von New York, Las Vegas und Atlantic City der sechziger und siebziger Jahre der den „King of Songs“ nicht sterben lässt. Sinatra war ein genialer Netzwerker. Aus Politik, Film und Unterwelt kannte er jede erdenklich wichtige Person. Historisch bedeutsame Männer, wie JFK oder J. Edgar Hoover genossen seine Nähe und anders herum. Er spielte sogar den Staat, gegen die Mafia (und anders herum) aus. Frank Sinatra war außerdem ein grandioser Darsteller. Persönlich, aber auch im Schauspiel. Außerdem war Sinatra der größte Sänger aller Zeiten!!!!!!. „The Voice“ ist hier mal als Objekt, sondern als Programm zu verstehen. Hört man seine besten Aufnahmen, so kann man auch heute noch ganz locker behaupten, dass er mit seiner charismatischen Stimme, der einzige Sänger war, der es schaffte gegen und mit einem großen Orchester zu singen!
Der Verlgeich Hawley / Sinatra ist also völlig bodenlos. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Hawley damit so glücklich ist!?
Nachvollziehbar natürlich die Tatsache, dass er in der Tradition der Crooner gesehen wird. Aber steht er aufgrund seiner Herkunft nicht ehr in der Tradition eines Olivier Basselin bzw. der, der klassischen Music Halls des 17. und 18. Jahrhunderts in London und Paris?
Richard Hawley kommt aus Sheffield. Einer der größten, aber auch industriell wichtigsten Zentren Englands. Stahl und Massenarbeitslosigkeit sind ein ewig vorhandenes Thema in dieser Stadt. Aber auch die Popmusik ist ein wichtiger Wirtschafts- und Kulturfaktor. Natürlich kommen Pulp, die Arctic Monkeys und Human League daher. Das wichtige Plattenlabel WARP wurde hier gegründet und Songs und Musik sind ein zentral verstandenes Lebensgefühl der Club- und Kneipenkultur.
Hawley selbst wirkt ehr wie ein Rockabilly-Veteran. Einer der gerne Lee Hazlewood Scheiben hört, aber auch bei nach einem langen Pubbesuch, Johnny Cash Songs aus der Jukebox mit dudelt. Auch seine Band sieht aus, wie man sich eine englische zeitlose Band vorstellt. Noch besser sehen die Gitarren aus. Edel polierte Gibsongitarren wechseln mit edel polierten Gibsongitarren. Direkt angekabelt an den Verstärker. Nur ein wenig Overdrive in den lauten Passagen. Ansonsten schönste, echte und authentische Gitarrensounds. Das Gloria ist an diesem Abend noch nicht mal halbvoll. Draußen ist der erste schöne Freitagabend seit einem Jahr! Trotzdem ist Atmosphäre genau richtig. Aufmerksame, bis euphorische Zuschauer. Fremde Menschen teilten sogar meinen Tränenausbruch bei dem famosen Song BY THE OCEAN.
Es war ein größenwahnsinniges Konzert. Ich ertappt mich sogar dabei, kurzfristig meine Lieblingsplatte in diesem Segment, Painted from Memory von Burt Bacharach und Elvis Costello in Frage zustellen bzw. vom Kaiserstuhl zu werfen. Deckard kann dies bezeugen. Gedanken verloren sendet ich ihm später eine an Euphorie kaum zu übertreffende SMS. Wodka mit Cola in meinem Musikkeller bei dem vierzigsten Durchlauf von BY THE OCEAN trugen dazu bei. Nach den samstäglichen Alltäglichkeiten, Besorgungen ,kleinbürgerlichen Tätigkeiten und einem für immer verstorbenen WLAN-Router, bin ich aber nun wieder auf dem Boden angekommen:
Ein fantastisches Konzert, Richard Hawley ist in den engeren Kreis der musikalischen Superhelden gerutscht. Man muss die musikalische Entwicklung von Hawley weiter beobachten, noch mehr Konzerte von ihm besuchen und das komplette Menu von ihm Hören. Allerdings muss ich zugeben, dass ich kurzweilige emotionale Schübe bei diesem Konzerte hatte, die ich bei mir noch nicht kannte. Vielleicht bricht gerade eine neue Epoche an. Für Sekundenbruchteile habe ich vor dem heiligen Kral gestanden. Und das ist eine wunderbare Erkenntnis.
Wie schwer dieses Konzert zu beschreiben ist, konnte man nach dem Konzert bei zwei Herren aus dem Zirkel der guten Musikberichterstattung beobachten. Der Musikjournalist, Autor und blog Schreiber Eric Pfeil diskutierte eifrig mit dem ebengleichen Musikjournalisten und ksta Konzertoberberichterstatter Martin Weber. Ich hoffe es ging um Oliver Basselin, Frank Sinatra und Painted from Memories!? Traute mich aber nicht, danach zu fragen:
Doch lesen Sie selbst: http://www.ksta.de/html/artikel/1274194271398.shtml
http://faz-community.faz.net/blogs/pop/default.aspx
Alan Lomax