Rach, der Restauranttester
Es ist nicht nur alles schlecht im Fernsehen. Oder doch?
Im Jahr 2012 habe ich mir vorgenommen meine Aversion gegen das 'Fenster zur großen weiten Welt' für einen kurzen Zeitraum aufzugeben und mich durch diverse Formate und Sendungen zu klicken.
Gestern habe ich mich bewusst für diese Sendung entschieden.
Was passiert hier? Ein mehrfach ausgezeichneter und prämierter Koch hilft mit seinem Wissen und seiner Erfahrung Menschen, die im Gastronomiegewerbe tätig sind und die kurz vor dem Scheitern stehen oder aber deren Ziele und Wünsche nicht in Erfüllung gegangen sind. Entweder stehen sie vor dem Bankrott oder aber er ist in absehbarer Zeit unabwendbar, da die Kunden wegbleiben und es ihnen schlicht an Ideen und Phantasie fehlt, damit ihr Restaurant aufblüht.
Hier schreitet der gebürtige Saarländer ein.
Gestern war er in Wien unterwegs, dieser so berühmten wie geschichtsträchtigen Stadt an der Donau. Eine junge Österreicherin und ihre Mutter hatten ein Restaurant eröffnet, in dem schlicht keiner essen wollte. Wie also die Misere abwenden?
Gesagt getan. Mit Einfühlungsvermögen, einem Hauch Psychologie, guter und gekonnter Kommunikation, sowie Motivationskunst verändert sich nicht nur das Antlitz des Restaurants, sondern auch der Geschmack der Küche. Woher plötzlich das Geld für die Ausstattung und Renovierung kommt erfährt der Zuschauer nicht, ebenso wenig wird ihm vermittelt, wie genau der Zeremonienmeister die Karte und das Menü verändert. Oberflächlich schon, aber nicht en detail.
Plötzlich kommt 'Schwung in die Bude', alles lächelt, alles strahlt, hier ein Schuss Verzweiflung, dort eine Prise Dramaturgie et voilá: da ist das Ding! Auf einmal kommen zur Neueröffnung die Gäste von überall her und schwärmen! Das Restaurant läuft. Doch wo kommen die alle plötzlich her? Werbung? Der Zuschauer erfährt auch das nicht.
Sei es drum. Die Frage die sich stellt ist die: Warum schauen sich Menschen das an und warum ist dieses Format so erfolgreich?
Ich muss an dieser Stelle den britischen Filmemacher Sir David Lean zitieren, der da auf die Frage antwortete, warum das Kino so erfolgreich sei: "Wir handeln mit Träumen." Nichts anderes passiert hier. Ein Prinz, der Retter in der Not kommt angeritten und hilft den Menschen mit Tugend und Tadel aus der Misere. Wie im Märchen.
Doch das beantwortet die Frage nicht. Also überlegen wir weiter.
Was tun wir, wenn wir uns diese Art Sendungen ansehen? Richtig wir werden zum Voyeur. Wir erhalten Einblick in sehr intime Details der Menschen die uns umgeben und dürfen für eine Stunde Teil in ihrem Leben sein. Es gibt uns aber auch das Gefühl der Macht. Wir sind "Herr der Emotionen" und können innerlich richten über die, die wir dort sehen.
Ich habe gestern intensive Selbstreflexion beim sehen betrieben und mich ständig gefragt, warum ich dranbleibe und nicht abschalte. Das ist natürlich einer geschickten Dramaturgie geschuldet und zahlreichen Cliffhangern mit Werbeblöcken, aber die zentrale Frage die sich stellte war: scheitern sie, oder haben sie Erfolg?
Schadenfreude ist genauso wie Glück ein mächtiges menschliches Gefühl. Als Zuschauer diese Option zu haben sich über beides "freuen" zu können, das ist der Trick. Wieso "freuen" bei Versagen der Protagonisten? Weil dann der typische Reflex der Selbstbestätigung kommt:" Habe ich doch gleich gesagt!" Ich fragte mich persönlich, was ich insgeheim erhoffen würde was passiert, oder passieren soll. Und genau dieser Gedanke hält einen davon ab abzuschalten.
Ein perfekter Mix: Entertainment, Drama, der schmale Grat zwischen Erfolg und Misserfolg, Voyeurismus und Emotionen.
Man wäre gerne der Richter in dieser Angelegenheit, aber das sind wir nicht, diese Funktion übernimmt? Richtig! Rach, der Restauranttester!
Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass dem Zuschauer suggeriert wird, so einfach sei die Welt, oder so einfach sei ein Problem zu lösen. Dem ist aber nicht so, die Welt ist eine vielfach härtere und unbarmherzigere und damit sind wir wieder angelangt bei dem Ausspruch von David Lean.
That's the way it goes. Mache Deine Träume wahr!
Eines muss ich zum Abschluss noch sagen: der Herr Rach macht das sehr geschickt. Die Sprache ist weich, präzise, mit einer schönen Melodie und sinnvollen Pausen. Die Mimik und Gestik nicht überzogen. Die Argumente nachvollziehbar. Es wird sehr fein dosiert an den Rädchen menschlicher Emotionen gedreht und der Zuschauer immer wieder frontal angesprochen. So hat er das Gefühl nicht nur ein passiver Zuschauer zu sein, sondern ein aktiver. Diese Balance hält Herr Rach perfekt, oder aber das Drehbuch.
Faszinierend wie man Menschen manipulieren kann.
Kulinarisch-manipulative Grüsse,
Rick Deckard