Paolo Fresu & Omar Sosa feat. Jaques Morelenbaum - Alma

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  2. Juni 2012, 11:35  -  #Jazz

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Das Wort Alma hat seinen Ursprung im Lateinischen und bedeutet soviel wie "nährend" oder "gütig". Im spanischen steht es für "Seele". Auf der anderen Seite kennt man es als türkisches Volumenmaß, aber auch als weiblichen Vornamen. Sehen Sie sich das Cover an und entscheiden sie selbst wie sie es deuten wollen.

Sosa & Fresu lernten sich das erste Mal im Jahr 2006 kennen. Sosa lud Fresu zu einem Konzert in den NDR Studios in Hamburg ein. Das Ergebnis dieser Zusammenkunft war das Album "Promise". 3 Jahre später gingen beide in Italien auf Tour. Alma wurde 2011 in Udine aufgenommen. Der Brasilianer Jaques Morelenbaum, Cellist, Komponist und Dirigent, steuerte auf Anfrage von Sosa sein Talent bei 4 Stücken bei.

Paolo Fresu ist in der Musikwelt des Jazz seit Jahrzehnten erfolgreich. Seine Betätigungsfelder erweitern sich auch auf Kompositionen für das Theater, Ballett, Fernsehen und Film. Er ist Italiener und stammt aus Berchidda auf Sardinien.

Omar Sosa ist nicht minder unbekannt. Stilbildend für Sosa ist der afrokubanische Jazz, die Karibikrhythmen, Gnawa-Gesänge aus Nordafrika, die Folklore der Esmeraldas in Ecuador und Elemente der Klassik. Maßgeblich auch die Spiritualität der Santería-Religion. Sosa stammt aus dem Landesinneren von Kuba, Camagüey.

Mich interessierte die Frage: Was kommt dabei heraus, wenn zwei Menschen Musik machen, die von unterschiedlichen Kontinenten stammen und sich sowohl kulturell und ethnisch unterscheiden? Wie klingt der Jazz in diesem Zusammenhang?

Das Album

S'inguldu

Nicht nur Klavier, Trompete und Cello für sich allein bestimmen anscheinend die Musik, sondern auch elektronische Effekte und Sampler. Fresu's Ton auf der Trompete gefällt mir auf Anhieb, der weich, satt und warm klingt. Ein Stück mit einem einem 6-Ton Motiv gespielt von der Trompete, Sosa liefert die Vocals dazu.

Inverno Grigio

Ein langsames Stück, geprägt vom Spiel der Trompete. Es fällt schwer sich in die Titel einzuhören, weil neben den dominierenden Instrumenten im Hintergrund die Elektronik stets vorherrschend ist. Konzentration ist erforderlich um den Musikern folgen zu können. Es zeichnet sich ab, dass beiden der Sound, die Erschaffung einer bestimmten Klangwelt vordringlich ist. Das wird besonders gegen Ende deutlich, wenn man vereinzelt das Fender Rhodes (?) oder das MicroKORG (?) hört ...  das Stück klingt ein wenig futuristisch aus.

No Trance

So wie der Titel es vorgibt ist die Stimmung - Trance und doch nicht. Einsprengsel der Trompete, erst bruchstückhaft, dann fließend, einmal mit, einmal ohne Dämpfer. Die Basis bildet ein Grundrhythmus aus einer Art Snapping und Beats aus dem Rechner. Beste Kurzweil.

Alma

Sosa eröffnet das Stück auf dem Acoustic Piano, Fresu spielt bedächtig auf der Trompete und Morelenbaum auf dem Cello. Ein Titel, der eine nachdenklich-melancholische Stimmung verbreitet. Wehmut kommt auf. Jazz, PoP und Kammermusik werden sehr harmonisch miteinander vermischt. Nach ersten Orientierungsschwierigkeiten fängt man so allmählich an, sich konstant in der Umlaufbahn des Planeten Fresu-Sosa zu bewegen.

Angustia

Das Tempo wird erhöht, schnelle Tonfolgen auf dem Klavier, freies, improvisatorisches Spiel auf der Trompete. Es schimmert ein wenig Humor durch. Fresu und Sosa nähern sich und driften wieder auseinander. Ein sehr dynamisches Stück, welches abrupt endet.

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http://tukmusic.paolofresu.it/2011/12/08/paolo-fresu-omar-sosa-coming-soon/

Crepuscolo

Alle 3 schweben in ihren klanglichen Welten, wobei Morelenbaum tonangebend ist. Klingt hier die Herkunft des Italieners durch?

Moon On The Sky

Die exotisch anmutenden Percussions werden, so erscheint es mir, konterkariert durch das Spiel von Fresu. Das Stück wirkt dadurch aufreibend, kratzig. Während ich das Album und die Titel höre frage ich mich, wie die einzelnen Stücke klingen würden, wären die elektronischen Verfremdungen nicht zu hören? Während ich das tue, schwebt Fresu auf seiner Trompete davon und erhöht das Tempo, steigert die Improvisation. Moon On The Sky klingt wie ein mathematisches Gleichnis. Die Musiker gehen konzentriert und sehr diszipliniert vor. Mir fehlt ein wenig die Wärme, die Euphorie.

Old D Blues

Sphärische Klänge zu Beginn. Fresu legt sehr großen Wert auf den Ton an sich. Die Töne werden unterschiedlich lange gehalten und ausgekostet, sichtlich genossen. Auf diese klangliche Reduktion muss man sich einlassen können. Mir gefällt dieser Titel, weil beide Musiker sehr intensiv miteinander kommunizieren. Das erste Mal finde ich einen Bezug zum Spiel von Omar Sosa.

Medley: Ninos / Nenia

Elektronik, Trance, sphärische Klänge, Jazz-Fragmente, klangliche Verfremdungen bestimmten Ninos. Ein sehr avantgardistisch anmutender Titel. Nenia hingegen wird melodischer, klarer, nachvollziehbarer, ruhiger. Beide Stücke entfalten ihre musikalische Wirkung durch ihre Gegensätzlichkeit. Befanden sich bei Ninos beide Musiker in unbekannten Welten, so werden sie durch Nenia geerdet.

Under African Skies

Eine Coverversion aus dem Album Graceland von Paul Simon. AllAboutJazz.com: "Ein Treffen zwischen Miles Davis, Bobby McFerrin, Jaqueline du Pré und Abdullah Ibrahim." Besser kann man die Musik nicht beschreiben. Verbreitet gute Laune!

Rimanere Grande!

Ruhig, melodisch, mit balladesken und versöhnlichem Charakter, fast im Gestus eines PoP Songs klingt das Album aus.

Fazit

Um Alma in seiner Gänze zu verstehen, zu hören und zu begreifen als auch zu geniessen braucht man jede Menge Ruhe und innere Gelassenheit. Beide Musiker legen Wert auf die Erschaffung ruhiger, meditativer, ausgelassener klanglicher Welten und bedienen sich hierzu v.a. der Elektronik. Diese ist aber sehr dosiert und sinnvoll eingesetzt und wirkt nicht wie das fünfte Rad am Wagen.

Alma wird mehrere Hördurchgänge erfordern um die Musik, den Jazz der beiden Protagonisten zu verstehen. Die Eingangs gestellte Frage welche Musik dabei herauskommt und wie der Jazz klingt, wenn zwei Menschen unterschiedlicher Herkunft gemeinsam musizieren, ist nach dem ersten Hören schwer zu beantworten. Ich glaube man muss Barrieren im Kopf abbauen, klanglich feststehende Mauern einreissen um die Seele dieses Albums zu entdecken.

Eine Herausforderung, aber eine schöne!

Gehen Sie es an!

Rick Deckard

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