Natur und Moderne vereint: Das Arp Museum Bahnhof Rolandseck
Die Fahrt nach Remagen ist schon beeindruckend genug. Man fährt auf der linken Seite des Rheinufers "entgegen" der Fahrtrichtung am Wasser entlang. Der Wechsel von Urbanität ins Ländliche ist fliessend und sanft, man kommt allmählich zur Ruhe. Viele Gedanken gingen mir an diesem Nachmittag durch den Kopf, da sich an diesem Ort so vieles vereinte: Die jüngere Geschichte der Bundesrepublik mit Bonn als ehemalige Hauptstadt in der Nähe, der II. Weltkrieg vor einigen Jahrzehnten, die malerische Schönheit der Landschaft und das Land der Dichter und Denker.
Lomax und ich fuhren an den Rhein und warteten auf die Wasserfähre. Links von uns befand sich eine Mini-Gaststätte, die mit drei einfachen Worten warb: 'Bier, Limo, Cola'. Wir mussten schmunzeln. Als wir dann mit anderen kleinen und grossen Stahlkolossen mit der Fähre über den Rhein schipperten fragte ich mich wie es den Menschen vor einigen Jahrhunderten ergangen sein muss, als sie den Fluss überqueren mussten ohne all die technischen Vorteile der Moderne.
Auf der anderen Seite konnte ich den Bahnhof erkennen und darüber das Arp Museum. Beides inmitten der Landschaft bereits ein imposanter Anblick. Angekommen gingen wir durch den Bahnhof in das Museum und allein durch diesen kleinen Gang durchschritten wir gleich mehrere Jahrhunderte. Die Moderne umfing uns mit all ihrer Grosszügigkeit und ich war benommen: viel weiss, hohe Decken, alles auf das Wesentliche reduziert, inhaltsvolle Leere, Metall und künstliches Licht. Und das wo wir doch gerade aus dem natürlichen Licht kamen, aus der Natur... .
Im unteren Teil bewunderten wir italienische Maler und deren Bilder ohne irgendeine kunsthistorische Vorkenntnis und wurden stets und ständig vom Wachpersonal begleitet, weil wir, insbesondere ich, nicht gekleidet waren wie der Grossteil der dort anwesenden Bildungsbürger. Was würden alle diese Künstler wohl denken, wenn sie wüssten, dass Ihre Bilder noch nach Jahrhunderten in einem Museum in Deutschland am Rhein bewundert werden? Interessante "Biografien" die da zu lesen waren. Ein Maler wurde in Venedig geboren und verstarb in Warschau. 'Wie kam er da hin?' fragte sich Lomax. So viele Fragen. Einige Bilder mit Abbildungen aus der Bibel waren ausserordentlich beeindruckend, fast fotorealistisch. Wir waren uns einig, dass wir das Gesehene unter Kunst subsumierten.
Hohe, sehr hohe Fenster ohne Unterbrechungen und dahinter direkt die Natur. Das war Kino ohne Special Effects. Ein direkter Blick in den Wald. Einer der Momente, die mich am nachhaltigsten beeindruckten, zeigte er doch, über welche effektiven Mittel die Architektur verfügt. Sowieso: dieser ständige Kontrast zwischen unmittelbarer, verfügbarer natürlicher Umgebung und diesem modernen Bau zog sich wie ein roter Faden durch das Museum.
Weiter einen Tunnel entlang bis zu einem Fahrstuhl. Auf dem Weg dorthin an der Decke hing eine Lichtgirlande um den Mittelpunkt jeweils nach aussen verzogen mit einigen fadenscheinigen Erklärungen dazu an der Wand. Das war Trash, oder 'Möchtegern-Kunst'. Es wurde immer futuristischer. Ein Fahrstuhl. Nur ein Knopf, poliertes Metall. Nach dem Einstieg wurden wir entlang gerundeter Gesteinsschichten in die Höhe befördert. Ich versuchte mir auszumalen, wo genau wir waren.
Oben angekommen bot sich ein unglaublich schöner Blick über die Landschaft und den Rhein. Wir gingen einige Treppenstufen hinauf zu einer anderen Ausstellung. Mit den Exponaten dort, bis auf ein Gebilde aus orangefarbenem Kunststoff, unfassbar glatt poliert, konnte ich nichts anfangen. Merkwürdige Collagen und Bilder hingen da an der Wand, die mich überhaupt nicht ansprachen. Wir gingen hinaus auf die Veranda. Unter uns Holz, über uns weisses Metall und Glas, vor uns die Natur. Ich musste tief durchatmen und nachdenken. Der Mensch schaut noch immer in die Ferne, empfindet noch immer Sehnsucht. Und: es gibt nichts schöneres auf der Welt als die Natur.
Der Puls wurde langsam, die Gedanken ordneten sich, totale innere Ruhe und Stille.
Aber was nützt die Reflexion, wenn der Magen knurrt? Weiter unten im Restaurant setzen wir uns nach draussen und genossen weiterhin den Blick über das Wasser verführt von Sacher Torte (ich) und Ciabatta (Lomax), beobachteten Schiffe, Autos, den Horizont und den Himmel, ärgerten uns über die stetige Bebauung des Ufers, ein 70'er Jahre Haus diesseits und liessen den Gedanken freien Lauf.
Es wirkte alles surreal. Man muss da gewesen sein um das zu verstehen. Verstehen konnte ich aber, warum Menschen immer in der Nähe des Wassers siedelten, natürlich aus vielen offensichtlichen Gründen, aber Flüsse und Meere haben einen unbeschreiblichen Reiz, den man schwer erklären kann. Insbesondere sich schlängelnde Flüsse, bei denen man immer den Wunsch verspürt, "nachsehen" zu wollen, was als nächstes hinter der Biegung kommt. Dass diese Landschaften Dichter, Maler und Denker gleichermassen beeinflussten ist kein Wunder.
Bonn geleitete uns dann langsam und mit Bedacht nach Köln zurück entlang eines der ältesten Autobahnabschnitte der Republik. Zurück in das Getümmel. Zurück auf einen Planeten dessen Ringe uns innerlich schon von weitem, wie Sirenen, aufforderten näher zu kommen... .
Es war ein alle Sinne berauschender Nachmittag.
Danke Mr. Lomax für diesen Ausflug.
For Good,
Rick Deckard
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