Malia - Black Orchid

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  20. Januar 2012, 19:08  -  #Jazz

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Was unterscheidet die Sprache vom Gesang? Die Melodie, die Stimmlage, der Rhythmus. Warum singen Menschen? Weil sie uns mit einem Lied, einem Song nicht nur einen Inhalt, sondern auch Emotionen vermitteln wollen. Oder anders gesagt: einem Inhalt wird mit Gefühlen Nachdruck verliehen.

Diese Gedanken gingen mir durch den Kopf, als ich heute das Album Black Orchid von Malia hörte.

Es ist ein Album mit hoher musikalischer Intensität und Dichte, dem man sich mit Ruhe und Muße widmen muss, um es in seiner Gänze und Bedeutung zu verstehen. Ruhe ist auch ein wegweisendes Stichwort, denn der Gesang verströmt Bedächtigkeit. Viele der auf Black Orchid interpretierten Songs klingen wie eine Meditation, eine Vertiefung des Inhaltes der dort besungen wird. Die Aussprache ist klar, die Phrasierung sehr präzise, die Stimmlage dunkel, tief. Erinnerungen kommen dabei an eine andere grosse Sängerin hoch, wenn man das Album hört: Nina Simone.

Doch bevor wir zu ihr kommen lohnt ein Blick auf das Cover: eine Frau im Profil, der Kopf aufrecht, die Mimik gelassen. Die Aufnahme drückt Stolz, ein hohes Maß an Selbstverständnis und auch Selbstvertrauen aus. Das schwarze Haar wird kunstvoll verwoben mit einer schwarzen Orchidee. Nicht umsonst wird Malia eine solche Aufnahme gewählt haben, denn eben diese Attribute zeichneten auch Simone aus. Warum also der Musik nicht mit einem solchen Abbild Ausdruck verleihen.

Um die Musik auf Black Orchid zu verstehen muss man etwas über den Menschen wissen, der dahinter steht. Erst durch die Biografie erschliessen sich Zusammenhänge. Die Interpretin wuchs in Malawi auf. Malawi ist ein Binnenstaat in Südostafrika angrenzend an Sambia, Mosambik und Tansania. Am 06. Juli 1964 erreichte er die Unabhängigkeit von England.

In diesem Land waren Segregation und Rassismus vorherrschend. Die Mutter Malawis war Afrikanerin, der Vater Europäer. Eine Liaison, die unter solchen Vorzeichen sicherlich nicht einfach zu leben war. Die Musikerin beschreibt denn auch das Leben vor Ort im Rückblick als "geschlossen", "weltfremd" und abgeschottet, "wie in einer Blase".

Wie so oft im Leben eröffnen sich neue Horizonte, wenn man seine eigene Kultur verlässt und einer neuen ins Auge blickt. Im Falle von Malia war dies das Leben in London. Die Songs im Hintergrund eines Jazz-Restaurants öffneten ihr den Weg und die musikalische Liebe zu Billie Holiday, Sarah Vaughn und Ella Fitzgerald. Über diese Vorbilder wurde Jazz die vorherrschende Musikrichtung in ihrem Leben.

So ist über diesen Hintergrund Black Orchid zu erschliessen.

Das Album ist aber vornehmlich der Dank von Malia, bedingt durch die eigene Vita, an Nina Simone. Im Booklet schreibt sie, dass sie es bedauere Simone nie kennen gelernt zu haben. Stets beeindruckten sie ihre Stimme und v.a. ihre Art zu singen. Es erfüllt Malia mit Stolz in diese übermächtigen Fusstapfen treten zu können mit eigens interpretierten Liedern. Die Sängerin will v.a. das tiefe und ehrliche Verständnis von Menschlichkeit an die Hörer weiter geben, welches sie selbst durch Nina Simone und ihre Kunst erfahren habe.

Malia II

Das hört man Black Orchid auf jedem Song heraus. Für mich sind grosse Sänger/- innen die, die nachempfinden, nachfühlen und verstehen, was sie da singen. Diese Identifikation ist Malia meines Erachtens vollends gelungen. Mit jeder Silbe und jedem Song auf diesem Album taucht man tiefer und tiefer in einen Kosmos, der aus Liebe, Leid, Verlust, Hingabe und Leidenschaft besteht. Egal, ob es die zurückhaltende und entschleunigte Interpretation von 'My Baby Just Cares for Me' ist, oder das Liebesbekenntnis an Porgy ('I Love You Porgy'), stets ist die Sängerin mit ihrer Seele den Songs behaftet.

Das Album ist hervorragend produziert und klangtechnisch ein Genuss par excellence. Unterstützt wird die Sängerin von:

Alexandre Saada - Klavier, Orgel und Kalimba (Lamellen auf einem hölzernen Resonanzkörper, die gezupft werden)

Jean-Daniel Bota - Gitarre und Double Bass

Laurent Sériès - Drums und Kas Kas (kenne ich nicht)

Daniel Yvinec - Vibraphonette

Durch diese klassische und exotische Mischung gewinnt die Instrumentierung an Farbe und Reiz, wodurch die einzelnen Stücke vital und neuartig klingen.

Die Auswahl der Songs übrigens ist aller erster Güte. Bei den Komponisten lesen sich dann auch Namen, die wirklich zur Crème de la Crème gehören: Gus Kahn, Billie Holiday, Randy Newman, Leslie Bricusse (der einige Male z.B. mit dem Filmmusik-Komponisten John Williams zusammen arbeitete), George und Ira Gershwin, Jaques Brel/ Rod McKuen (Songs von letzterem interpretierte Sinatra auf einem grossartigen Album), Screamin' Jay Hawkins, Angelo Badalamenti, Dimitri Tiomkin und viele andere.

Wer im Jazz und Jazz Gesang seinen eigenen musikalischen Horizont erweitern will, dem sei das Album sehr ans Herz gelegt. Es dauert eine Weile, bis man sich hinein gehört hat, aber diese Geduld macht sich vollends bezahlt.

Eine sehr schöne und v.a. würdevolle und leidenschaftliche Hommage an eine grosse Sängerin von einer grossen Sängerin mit wunderbar entspannt interpretierten Jazzballaden voller Hingabe.

Rick Deckard.

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Bildquelle: Copyright Universal Music, Universal GmbH

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