Las Vegas in Bümmerstede
"Kommen Sie! Lassen Sie uns Las Vegas nach Bümmerstede holen!" Jens Sörensen peitschte die Zuschauer an. Nachbarn von mir wissen um meine Leidenschaft für Frank Sinatra und nun sass ich am Tisch 55 im Bümmersteder Krug an einem Sonntag Abend. Das das Ganze in einem leicht ländlichen Ambiente spielte entschloss ich mich für ein braun kariertes Hemd, eine grüne Cordhose und ein dunkelbraunes Jackett. Ich war aufgeregt, denn Konzertbesuche sind bei mir eher eine Seltenheit, weniger aus Unwillen, mehr geografisch bedingt. Das Publikum war so wie ich es mir vorgestellt hatte: Altersdurchschnitt um die 65, ein Heer an schlohweissen und undulierten Haaren, aber dazwischen, ich staunte, auch einige Jugendliche und Menschen in meinem Alter. Die Jugendlichen waren vermutlich mit oder Ihren Grosseltern zu Liebe dort. Das Publikum war entspannt und ich war es auch. Die Lampen aus Milchglas an den Decken hatten die Form von Blumen, die Decke war vertäfelt und die Theke bestand aus rustikalem Eichenholz. Hinten links in der Ecke ein Beleuchter und ein weiterer am Mischpult. Die Bühne bestand aus einer grossen Fototapete, die die Skyline von New York darstellte, davor ein Hutständer und ein Tisch mit No Name Cognac, einer Flasche Bacardi und einer grossen Flasche Jack Daniels.
Die Lichter gingen aus und hereinspazierte Jens Sörensen, der in einem grauen Anzug das Konzept für den Abend vorstellte, erklärte worum es ihm dabei ging und wie wir gleich Sinatra zu empfangen hätten, der gerade in Hatten gelandet war. Sörensen selbst kannte ich nicht und hatte nie etwas von ihm gehört. Er machte aber von Anfang an einen lockeren und sympathischen Eindruck. Ein Mittfünfziger in guter Laune. Nach seiner kleinen Ansage verschwand er hinter der Bühne und der Gastgeber des Abends, der Besitzer der Gaststätte, übernahm. Der Abend wurde sodann eingeleitet mit einem Vorspeisen-Teller, gefolgt von einer Bohnensuppe. Diese war aber keine gewöhnliche Bohnensuppe sondern hatte es sprichwörtlich in sich: In einem der Suppentassen war als Teil des Gewinnspiels eine blaue Bohne (!) versteckt. Wer die aus seiner Tasse fischte, der hatte einen Preis gewonnen. Ich war es leider nicht.
Der Abend begann und Jens Sörensen begann seine 'Frank Sinatra Story' link mit 'Come fly with me'. Was mir gefiel: Er versuchte gar nicht erst Sinatra's Stimme zu imitieren sondern sang mit den Ihm zur Verfügung stehenden Mitteln. Das Konzept war folgendermassen aufgebaut: Parallel zum Song 'It was a very good year', geschrieben von Ervin M. Drake, erzählte er die Lebensgeschichte von Francis Albert Sinatra, seinen Anfängen, dem Radio, die Begegnung mit Benny Goodmann und später Tommy Dorsey, dem ersten Plattenvertrag, über die Ehe mit Nancy, seine Liason mit Ava Gardner, seine Oscar prämierte Rolle in 'From here to Eternity', die Zusammenarbeit mit Nelson Riddle, die Gründung des 'Reprise Labels', dem 'Rat Pack' in Vegas und den unzähligen Hits die folgten bis zu seinem legendären Konzert im Madison Square Garden, N.Y. Das war spannend und dramaturgisch gut inszeniert. Zwischen dieser Erzählung (in 'Ich Form' dargeboten) sang Herr Sörensen einen Hit nach dem anderen. Die Duetts mit 'Nancy' wurden gesungen von einer gewissen Julia Richter, ihres Zeichen blond und in der Stimme eher guttural. Als 'Rat Pack' Stars wurden ein ca. 70-jähriger mit Hörgerät auf die Bühne geholt und als Sammy Davis Jr. ein untersetzter Mitvierziger mit 4 Tage Bart. Das Publikum grölte, klatschte und war aus dem Häuschen.
Nach ca. 45 min machte Sörensen dann Pause nach einem exzellenten narrativen Cliffhanger und der Hausherr eröffnete das 'Amerikanisch-italienische Büffet'!
Die zweite Hälfte war ebenfalls gute Unterhaltung und mit, wie sollte es anders sein, 'My Way' wurde der Abend beendet, bevor es 2 Zugaben regnete. Das Publikum war wie entfesselt und am Schluss gab es hier und da auch stehende Ovation. Herr Sörensen war berührt. Am Ende sagte er in etwa folgendes: "Ich hoffe der Abend hat Ihnen allen Spass gemacht,..., ich maße mir nicht an Sinatra zu sein, mein Name ist Jens Sörensen. Einen schönen Abend ihnen allen!" Das machte ihn sympathisch.
Folgendes lässt sich als Folge dieses Konzertbesuchs festhalten:
- Sinatra ist anscheinend noch immer so populär bei einer immer älter werden Gesellschaft, dass es Jahr für Jahr weltweit Menschen gibt, die ihn in irgendeiner Form live präsentieren oder seine Hits singen, selbst Robbie Williams hat ja vor einigen Jahren ein Konzert in diesem Stil gegeben, was überaus erfolgreich war. Auch Michael Bublé feierte mit Sinatra Hits Welterfolge. Scheinbar wollen es die Menschen noch immer hören. Siehe auch 'Tom Gaebel & Band' spielen Frank Sinatra usw. und so fort.
- Die Bescheidenheit eines Herren Sörensen ehrt ihn, denn auch wenn es offensichtlich ist: Zu singen und zwar richtig gut, das habe ich gestern wieder festgestellt, ist sehr sehr schwer und erfordert neben Talent auch Übung. Es wird einem bewusst, wie schwierig einzelne Songs in ihrer Struktur sind und welche unnachahmliche Fähigkeit Sinatra hatte. Beigaben wie 'The Voice' kamen nicht von ungefähr, auch wenn er kein lupenreiner Jazz Sänger war.
- Wie schwierig es ist ein Crooner zu sein. Übung hilft hier überhaupt nicht, entweder man trägt es in sich oder nicht.
"Warum nicht?" war mein eigenes Resümee dieses Konzert Abends. Ohne Umschweife: Das hier war kein 'Main Event' und mit Sicherheit waren alle Elemente von 'Fleisch ist mein Gemüse' vorhanden und auch eine erstklassige Trash Komponente ist bei all dem nicht von der Hand zu weisen, aber ich sah das Ganze positiv. Zum einen waren einige junge und sehr junge Menschen im Saal, die der Geschichte lauschten, vielleicht setzt sich einer von ihnen heute oder morgen mit 'Ol' Blue Eyes' auseinander, kommt so zu Musik? Zum anderen wird auch hier am Ende der Welt das Erbe eines der grössten Entertainer aller Zeiten weitergetragen. Schlecht kann das alles nicht sein.
Ich erwischte mich nach der Show am Tresen wieder um eine Hand signierte CD für 10 € entgegen zu nehmen. Warum einen Menschen der in aller Öffentlichkeit Preis gibt welche Bewunderung er für Sinatra hegt nicht unterstützen? Hier verdient einer seinen Unterhalt.
Beneiden tue ich nach diesem Konzert Abend wirklich die Menschen, die die Möglichkeit haben häufiger an Live Events teilnehmen zu können, denn ich muss es ohne Umschweife sagen, wenn auch das für viele Normalität ist: Nichts ersetzt einen noch so gelungenen Musikabend, ob allein oder mit Freunden, wie ein gelungenes Konzert.
Hätte ich Möglichkeit das häufiger zu erleben, dann wären meine Festplatte und meine CD Regale um einiges ärmer an Bits & Bytes und silbernen Scheiben. Denn die Erinnerung ist weitaus schöner und erfüllender als Tonträger im Regal (meine das jetzt aber nicht dogmatisch).
Konzertante Grüsse vom Dachboden,
Rick Deckard