Kurt Wagner & Cortney Tidwell present: Kort - Invariable Heartache
Ich sollte viel mehr reisen, doch woher die Zeit nehmen?
Es ist dunkel draussen und die wohlige Stimmung des Herbstes umarmt die Seele. Neben mir steht ein Gentleman Jack mit Eis. Ich träume davon in Nashville zu sitzen, die Atmosphäre um mich herum vollends aufzusaugen und der Musik der beiden Menschen dort oben zu live zu lauschen.
Es ist wirklich merkwürdig und ein Phänomen, welches wir jedes Jahr aufs neue beobachten. Kaum hat der Sommer seine letzte Wärme ausgehaucht werden wir überflutet von Platten, Filmen und Kultur. Es ist eine wunderbare Zeit und die Sucht, der Rausch nach Musik wächst ins unendliche.
Das heute geht zurück zu den Anfängen meiner neuerlichen PoP Musik Sozialisation Ende der Neunziger und v.a. zu Beginn der 00'er Jahre. Damals bestellte ich Musik bei Glitterhouse Records hörte relativ viel Folk, war den Singer-Songwritern sehr zugetan und entdeckte meine Zuneigung zur Country Musik. Nicht, dass ich diese Musik nicht schon früher gehört hätte, aber das war etwas besonderes. Das? Gemeint ist v.a. Kurt Wagner und seine Band Lambchop. Erinnern Sie sich Lomax?
Ich weiss nicht wie oft ich das Album 'Is A Woman' spielte mit einem der schönsten Songs aller Zeiten darauf: 'The Daily Growl'. Mir gefiel die Ruhe, der schwer verständliche Gesang von Wagner, sein "Bariton" und die Ausgeglichenheit seiner Musik, bzw. die seiner Band. Es war ein besonderer Moment, der sich mit vielen alten und neuen Alben fortsetzte.
Es folgte die grosse Begeisterung für Bands wie Wilco (die ich ausserordentlich schätzen und lieben lernte), Uncle Tupelo, Jayhawks (mit ihren fantastischen Alben 'Hollywood Town Hall' und 'Tomorrow The Green Gras'), Sänger wie Ryan Adams, später Johnny Cash und auch Willie Nelson, den ich seit seinen Duetten mit Sinatra noch intensiver vernahm. Ich war erstaunt zu hören, dass Country so viele Facetten haben kann und lernte diese Musik zu lieben, weil sie ähnlich wie Filmmusik meine Gefühle und Assoziationen in die richtigen Töne und Stimmungen umzusetzen vermag.
Mit grosser Freude vernahm ich die Meldung, dass sich K. Wagner und C. Tidwell zusammen getan hätten um ein gemeinsames Album zu besingen und natürlich knüpfte ich grosse Erwartungen an ein solches und sie wurden erfüllt.
Was für ein wunderschönes Album!
Gleich nachdem es das erste Mal durchgelaufen war, spielte ich es noch einmal. Die Stimmen von Wagner und Tidwell ergänzen sich auf allen Songs auf sehr harmonische und vielfach ergänzende Weise. Die Arrangements sind wie zu erwarten zurückhaltend aber akzentuiert. Alle Instrumente stellen sich ganz in den Dienst der Sänger. Die Steel Guitar ist, wie sollte anders sein, dominant, der Bass dezent, die akustischen Gitarren hier und dort in die Songs sprenkelnd. Ergänzt werden diese Instrumente durch ein Piano, das genau die richtigen Töne und Harmonien anschlägt und spielt. Ein Traum!
Interessanterweise, gerade weil das Album so ruhig und elegant seinen Weg geht, ist es zu keinem Zeitpunkt langweilig. Einzig 'Picking Wild Mountain Berries' nimmt an Tempo auf und erinnert sofort an 'Suspicious Minds'. Alle anderen Songs sind angenehm zurückhaltend gesungen und gespielt.
Alben auf denen zwei Menschen gemeinsam Musik machen und singen haben ihren Reiz. Egal ob Costello mit Bacharach kollaboriert oder Sinatra mit Jobim. Stets ergibt sich ein unbeschreiblicher Zauber, der sich auch hier einstellt, man höre zum Beispiel den Opener 'Incredibly Lonely' oder 'A Special Day'. In 'Yours Forever' oder 'He's only A Memory Away' überlässt Gentleman Wagner Mrs. Tidwell den Vorrang und die berückt durch einen intensiven Gesangmoment.
Ich erinnere mich sehr gut an eine Erzählung aus der 5-teiligen Ken Burns Dokumentation 'Jazz', in der Charlie Parker nach einem Auftritt in einem Club Geld in eine Jukebox schmeisst und Country Musik hört. Entsetzt fragt ihn einer seiner Bandmitglieder, 'wie er sich denn so etwas anhören könne'?
Parker antwortet:"Hör doch, was für wunderbare Geschichten sie erzählen!"
Rick Deckard.
link zu You Tube und dem Tiny Desk Konzert at NPR Music mit Kurt Wagner und seiner Gitarre.