Krzysztof Komeda - Erinnerung an seine Musik und Roman Polanski's Kult-Klassiker 'Tanz der Vampire'

von Rick Deckard  -  19. Dezember 2012, 20:24  -  #Klassiker

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Tief muss ich in meiner Erinnerung graben.

Nicht, dass ich Komeda vergessen hätte, geschweige denn Polanski. Jedoch war die Überflutung mit Reizen in den letzten Jahren und Jahrzehnten so gross, dass ich vergaß, wer die einstigen Motoren waren, die meinen Enthusiasmus für das Kino und die Musik in Gang setzten. Natürlich waren das Sir David Lean und Maurice Jarre, aber auch u.v.a. Krzysztof Komeda und Roman Polanski.

Erinnern sich die Älteren von Ihnen noch an die Zeit, in der es nur 5 Programme gab? Zu dieser Zeit wurden Filme im Fernsehen noch angesagt, waren frei von Werbeunterbrechungen und liefen meistens zu einer Uhrzeit, in der Augenlider nicht schwer wie Blei waren. In meinen frühesten Anfängen liefen mir diese beiden Herren das erste Mal über den Weg, als Mady Riehl 'Tanz der Vampire' im ZDF ankündigte. Es war einer dieser berühmten magischen Momente, die man sein Leben lang nicht vergisst. Aus einer vollkommen offenen und unverdorbenen Erwartungshaltung heraus bewunderte ich einen der lustigsten und zugleich furchteinflössendsten Filme aller Zeiten. Sensationell die Leistung von Polanski vor und hinter der Kamera mit unzähligen Momenten und Dialogen für die Ewigkeit. Das besondere an diesem Film, so empfand ich damals und tue es auch heute, war die Balance zwischen Humor und Horror.

Der Regisseur überraschte in jeder Einstellung aufs neue und man war sich nie sicher, was einen als nächstes erwarten würde. Noch eindringlicher in Erinnerung ist dieser Film geblieben, weil er jedes Mal eine wunderbare, in Worten kaum zu beschreibende, Atmosphäre versprüht(e), sowohl und besonders in den Szenen, die in der schneebedeckten Landschaft spielen, als auch in geschlossenen Räumen. Das waren die Momente, in denen das Interesse aufkeimte. Ich fing an die Titelsequenzen genauer zu studieren und ein Name fiel damals und in der Folgezeit immer wieder auf: Douglas Slocombe hiess der Mann hinter der Kamera, der Slocombe, den Steven Spielberg später für seine Indiana Jones Filme verpflichten sollte.

http://www.bafta.org/heritage/features/a-tribute-to-douglas-slocombe,1004,BA.html

Von 'Tanz der Vamipre' geht ein Zauber aus, den man nur geniessen, aber nicht analysieren möchte und sollte. Szenen mit furiosem Slapstick wechseln sich ab mit Momenten voll herrlichem und altmodischem Grusel. Legendär in diesem Zusammenhang: Ferdy Mayne als Graf von Krolock und Terry Downes als Koukol. Unvergessen in diesem Zusammenhang: die bezaubernde Sharon Tate als Sarah Shagal und der Ire Jack MacGowran als Prof. Abronsius.

Man kann sich diesen Film in 2, 20 oder 200 Jahren ansehen, er wird seine Wirkung, seine Schönheit und seine Einzigartigkeit nie verlieren. Darum nannte man diese Art Filme einst auch Klassiker, vielleicht sogar Meisterwerke. Begriffe, die in heutiger Zeit unsäglich inflationär gebraucht werden, ohne Sinn und Verstand. 

 Als ich den Film sah, passierte gleich am Anfang etwas besonderes. In dem Moment, in dem die Titelsequenz begann, lauschte ich dieser fremdartig klingenden, faszinierenden Musik, die mich seitdem nicht mehr losließ. Wer war er dieser Komponist, dieser Krzysztof Komeda? Damals gab es kein Internet, man war nur auf Bücher angewiesen oder Berichten von Freunden. Auch war es schwer die Platte mit der Filmmusik zu erwerben. In heutiger Zeit hat sich vieles verändert und durch das Internet auch sehr viel zum positiven, doch lesen und hören sie selbst:

link zu einem Beitrag mit Video auf arte.tv

link zu einem Artikel auf Kultur.ARD.de. Oben rechts können Sie als zweites von oben eine 3 Minuten lange Radiosendung über Komeda hören.

link zu der offiziellen Homepage von Komeda

link zu jazzpages.com und einem Interview mit Leszek Mozdzer

link zu den Kieler Beiträgen zur Filmmusikforschung

Wunderschön:

Diese Beiträge, Videos und die Musik liefern einen ersten Eindruck des in Polen kultisch und so leidenschaftlich verehrten Komponisten. Was für eine tragische Biografie. Umso schöner und bedeutender sein musikalisches Erbe im Jazz aber v.a. auch in der Filmmusik.

Vampire

Grossartig der zu Beginn mäandernde und leiernde, wortlose Chor mit einem Hauch Sixties Feeling zwischen den Zeilen. In Zusammenhang mit den Bildern ist die Wirkung phänomenal. Ungewöhnlich und auch darum in Erinnerung bleibend die Wahl des Komponisten einen Film so zu beginnen.

Nachfolgend benötigt Komeda ganze 54 Sekunden um eine zeitlos schöne Melodie zu komponieren (Sarah In Bath) vorgetragen von einer erneut wortlosen Stimme. Diese Melodie wird fortan immer wieder in der Musik und im Film zu hören sein, eine Melodie voller Schönheit aber auch milden Melancholie.

Bizarr, avantgardistisch, leicht atonal und erstmalig gruselig geht es bei 'Koukol Laughs' zu. Grossartig wie Komeda in 'Alfred Behind The Sledge' mit einer repetitiven Bassfigur und Holzbläsern eine einzigartige Atmosphäre kreiert.

Das zu Beginn bei 'Sarah In Bath' gehörte Thema erhält in 'Krotock On Sledge' seine volle Entfaltung. Man hört hier ganz genau den slawischen Einfluss in der Komposition heraus. Wer die tschechischen Fernsehserien kennt, der wird hier Ähnlichkeiten zu der Fernsehmusik, bzw. den zu diesen geschaffenen Kompositionen erkennen.

Filmmusik ist Gebrauchsmusik. In 'Shagal Leaving' hören wir für 42 Sekunden eine einzelne Stimme, die jedoch im Kontext so ausdrucksstark ist, dass mehr nicht erforderlich ist. Grosse Kunst!

Die Kunst der ökonomischen Instrumentierung, besser die Kunst des Weglassens, ist im Track 'To The Cellar' zu hören: Sparsam, aber hoch effektiv. Kein Wunder, dass Polanski sagte, Komeda verstünde so viel von Filmmusik wie kaum ein anderer.

In 'Alfred Hears Singing' hören wir zu Beginn erfrischend-"naives" PoP-Scoring bis die Stimmung und die Klangfarbe plötzlich wechselt.

Eine ein 3 bzw. 6 Noten Motiv intonierende und bisweilen leicht verfremdete Stimme führt wieder zu wohligen Schauern in 'Vampires To Crypt' und zeigt nicht nur die Kunst eines Komeda erneut, sondern auch die Ausdruckskraft der menschlichen Stimme.

Grossartig wieder 'Sarah's Song' in dem mit wenigen weiblichen Stimmen und einem Spinett unheimliche Klänge hervorgebracht werden.

'Herbert's Song' und 'The Fearless Vampire Killers' bilden den Abschluss der 30 minütigen Musik in denen das Hauptthema nochmals erklingt.

Sowohl die Musik von Komeda als auch der Film von Roman Polanski sind persönliche Meilensteine als auch Klassiker des Kinos und für immer unvergessen. Insbesondere lohnt es sich mit dem polnischen Jazz- und Filmmusikkomponisten auseinanderzusetzen, dem leider nur eine kurze, dafür aber eine intensive und für andere wegweisende Karriere gegönnt war. Filmmusiken wie diese, Filme wie dieser waren in der Vergangenheit der Grundstein für die bis heute anhaltende Euphorie für diese so einzigartige Kunst. Auch wenn Sie nicht in dieser Zeit und mit diesen Filmen und solcher Musik aufgewachsen sind, so werden Sie vielleicht verstehen, warum Lomax und ich so vielen Dingen heute so kritisch gegenüber stehen. Komeda und Polanski sind Beispiele für Menschen, für Künstler die ihrer Berufung mit Leidenschaft und der Liebe zur Kunst nachgingen und Werke schufen, die Zeiten überdauern werden, ob Sie sie nun sehen, sehen wollen oder auch nicht.

 "Ein Leben ohne Amüsement ist nicht viel wert. Geht es aber ausschließlich darum, läuft es für niemanden gut. Am Ende steht man mit leeren Händen da."

Roman Polanski

Rick Deckard

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