King Kong von John Barry - Die Deluxe Edition von Film Score Monthly
Der riesige Affe scheint die Menschen zu faszinieren. Bereits 1933 inszenierten Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack die erste Version des Themas mit Fay Wray in der Hauptrolle und dem bahnbrechenden Score von Max Steiner. Der Film ist ein Klassiker und die Spezial-Effekte, trotzdem die Zeit an ihnen genagt haben mag, sind absolut sehenswert.
2005 drehte der Regisseur Peter Jackson seine 3 Stunden Version des Stoffes mit Naomi Watts als die "weiße Frau". Die durchaus hörenswerte Musik schrieb James Newton Howard.
Dazwischen liegt die Version aus dem Jahr 1976, gedreht von John Guillermin, mit Jessica Lange in ihrem Filmdebüt. Der britische Komponist John Barry komponierte die hier besprochene Filmmusik. (Note nebenbei: Recherchiert man auf entsprechenden Seiten, so liest man u.a., dass Roman Polanski und Sam Peckinpah (!) die Regie angeboten wurde. Was wären das für Filme geworden?).
Please press play: Wenige Takte und man ist mittendrin im musikalischen Kosmos eines John Barry. Mit mächtigen Bläsern und unheilvollen Streichern stimmt der Komponist mit dem 'Main Title' auf ein bevorstehendes Abenteuer ein. Barry wurde ja stets vorgeworfen Filmmusik nach einfachen Mustern zu stricken. Trotzdem erreichen viele seiner Kompositionen jenseits der Bilder eben dadurch ein hohes Maß an Attraktivität, weil sie schnell zugänglich sind und fast immer schöne Melodien aufweisen können.
Ein Beispiel für sein Talent solche zu kreieren, die die Emotionen des Hörers direkt ansprechen, ist z.B. der Titel 'Montage', eine von Streichern gespielte wunderschöne Melodie, die sich bereits beim ersten Hören in den Gehörgängen einprägt. Ein schöner Spannungsaufbau und Stimmungswechsel gelingt ihm in dem Track 'The Island': Zu Beginn verströmt die Musik eine paradiesisch-unberührte Atmosphäre, hervorgerufen durch ein Klavier, dezenten Percussions und Streichern, die im zweiten Teil in eine leicht bedrohliche und rätselhafte umkippt. Interessant auch das folgende 'Day Wall' mit dem 'Kong' intonierenden Stimmen-Chor und der ekstatischen Rhythmik.
Das "Dwan-Thema" erfährt in 'Dwan Alone/ Jack & Dwan' eine kleine Variation, wird von Schlaginstrumenten in der Mitte durchwandert, bis eine Querflöte eine andere, ebenfalls betörende Melodie spielend, das Stück weiterführt bis das ursprüngliche Thema am Ende seufzend den Track beendet. Solche Titel sind ein Bespiel für die kompositorische Kunst eines John Barry und verleiten dazu, sich von Zeit zu Zeit diesem Komponisten immer wieder zu widmen.
Es folgen mit 'Night Wall Part 1 & 2 und Celebration' exotisch-rhythmische Klänge, in denen Barry das von Beginn an gediegene Tempo etwas erhöht und auch disharmonisch-atonale Töne erklingen lässt. Die zweite Hälfte von Night Wall Part 2 ist besonders dramatisch, in der sich Streicher aus der Rhythmik der Schlaginstrumente zu Beginn fast unbemerkt herausschälen und so für grosse Spannung sorgen.
Die folgenden Tracks von 'Jungle' bis 'Waterfall' sind sehr stimmungsvolle Titel, von denen insbesondere 'Waterfall' heraussticht, in dem Barry das Liebesthema erneut betont und ihm eine melancholische Komponente zukommen lässt. Bei 'Acknowledge' und 'Chase' ändert sich die Klangfarbe, es wird dynamischer, bedrohlicher und Tempo als auch Action gewinnen an Oberhand. Als der grosse Primat nach New York überführt und dem Publikum präsentiert wird, hellt die Musik deutlich auf und 'Presentation' ist zu Beginn ein herrliches Beispiel für PoP-Scoring, in der zweiten Hälfte wird es wieder deutlich dramatischer mit Orgel und Bläsern.
Im letzten Drittel der Musik kommen keine neuen Themen oder Motive hinzu. Barry nutzt seine vorhandenen musikalischen Ideen um durch entsprechende Variationen die Handlung weiter voran zu treiben. Die Musik hat weiter die dramatisch-melancholische Klangfarbe wie zu Beginn und mit dem "Kong-, bzw. Liebes- oder Dwan-Thema" beendet der Komponist den Score.
Die Produktion der Film Score Monthly Doppel CD ist wie gewohnt auf hohem Niveau. Der Klang ist hervorragend, das Booklet besticht durch viele Informationen zum Film, eine Track by Track Auflistung und Analyse sowie schönem Artwork und vielen Bildern. Die erste CD enthält den kompletten Score, die zweite das Soundtrack Album aus dem Jahr 1976 und etliche Bonus Tracks mit alternativen Versionen für den besonders interessierten Hörer.
'King Kong' von John Barry ist eine gediegene, schön anzuhörende orchestrale Filmmusik, in der der Brite unverkennbar seinem Stil folgt und mit einem wunderschönen Thema als auch zwei weiteren Motiven zu überzeugen weiss. Wenn man sich der Eigenheiten und "Einfachheit" seines Kompositionsstils bewusst ist und diesen nicht als Kritikpunkt nimmt, dann kann man den Score mit einer Gesamtlaufzeit von 1:10 Minuten durchaus geniessen. Jedoch empfiehlt es sich im zweiten Hördurchgang eine kleine Suite zusammen zu stellen oder den CD Player entsprechend zu programmieren.
Aus dem Dschungel,
Rick Deckard