Julian Rosefeldt - American Night
12. November 2009 - 17. Januar 2010
Kunst Museum Bonn
Julian Rosefeldt American Night
Filminstallationen 2004 - 2009
Seit einigen Monaten besuche ich wieder Ausstellungen. Viele Jahre hat mich diese kulturelle Tätigkeit mehr als gelangweilt. Zum einen, weil ich selten einen Zugang zur Kunst im Raum bekommen habe, zum anderen weil mich die Besucher bei Ausstellung bereits an der Kasse so sehr aufregen, dass ich vor dem Betreten der Ausstellungsräume meist schon keine Lust mehr habe.
Zu dem ist noch so, dass ich in Richtung "bildende Kunst" wenig ausgebildet bin und mich die Biographien der meisten Maler, Bildhauer und Installateure langweilen. Außerdem wird Kunst im Raum immer falsch verstanden und es gibt somit kaum Reibungspunkte, weil jeder seine eigene Sicht hat. Denn welcher Kunstamateur will sich schon soweit aus dem Fenster legen und etwas kritisch betrachten oder euphorisch zu behaupten, dies oder jenes sei ein Meisterwerk.
Ausschlaggebend für diese einseitige Betrachtungsweise war eine Picasso-Ausstellung in Köln. Dort stand ich an einem Samstagabend fast 2 h in der Schlange und musste mir dann mit Leuten, die frühzeitig Jazzkonzerte in der Philharmonie verlassen, ein "Schöner Wohnen" Abo haben und mutmasslich einen Kadinsky, wahlweise Hunderwasser Druck in ihrem Wohzimmer hängen haben Bilder ansehen, zu denen ich einfach keinen Zugang bekomme.
Liebe Kunstfreunde nun ist es nicht so, dass ich Picasso etc. nicht mag! Also, nicht voreilig böse werden. Der Ansatz ist die Kontaktaufnahme! Meist bin ich gelangweilt.
Videoinstallationen hingegen sehe ich mir sehr gerne an. Oftmals allerdings aus dem niedrigen Grund der Verachtung. Neid spielt eine Rolle, denn ich würde ähnliches selbst gerne machen, aber auch cineastischer Grundverstand, der dieser elitären Mischpoke (fast immerverloren geht.
Nicht so dem Überraschungs-Künstler des neuen Jahrzehnts: Julian Rosefeldt.
In der vergangenen Woche betrat ich einen dunkeln Raum im fürchterlichen Kunst Museum Bonn. Dort waren 5, ca. 4x3m große Leinwände, in einem Halbkreis aufgebaut. Auf allen Leinwänden sah ich wundervolle epische Westernfilme. Bekannte Einstellungen aus diversen geliebten Western. Handwerklich perfekt in (vorgegaukeltem) Cinemascope aufgenommen. Nach einigen Minuten konnte ich Zusammenhänge der fünf gleichzeitig projektzierten Filme erkennen. Der vierzig minutenlange Film war eine in sich geschlossene Aufnahme in fünf gleichzeitig gezeigten Ebenen. Handlungs- und Sujettechnisch. Die Dialoge waren ausnahmslos Zitate aus dem Genre Westernfilm, ebenso wie die gezeigten Bilder.
In dieser visuell überwältigenden Installation "American Night" zeigt Rosefeld die faszinierende Welt des Westernfilms, zerlegt aber auch zeitgleich die filmische Schnittlogik und gewährt zu dem noch Blicke in den Produktionsprozess. Wenn man so will, die gleichzeitige Darstellung einer DVD mit allen Features ohne Menusteuerung: Hauptfilm, verschiede Kameraeinstellung, Audiokommentar und Making-Of...! Kurzum einen geniale Idee, die nicht nur den Zauber der "bewegten Kamera" in einer linearen Abfolge von Handlungssträngen wiederlegt, sondern das Medium Film in eine nächste Ebene führt. Ich will nicht von Qualitätsebene sprechen, da dies in der Betrachtung des Besuchers liegt.
Als ich anschließend, völlig beeindruckt und benebelt in die benachbarte Joseph Buys Ausstellung ging, verfolgte ich das Gespräch eines älteren Ehepaars. Unter anderem viel die alte bekannte Killerphrase: "Das kann ich auch". Ich musste an Rosefeldt's Installation denken! Das war handwerklich geniale (Film-)Kunst, die wirklich einen neuen Ansatz gezeigt hat, meinen Horizont erweitert hat und mich auf einer sehr intensiven persönlichen Weise angesprochen hat. Mehr kann ich von einem Museumsbesuch nicht erwarten.
Alan Lomax
"Kunst ist es, in einem kreisrunden Raum, in die Ecke, zu scheissen"
Zitat Alan Lomax Senior
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