Jahresrückblick 2012 - Jazz
Der Jazz bot 2012 stilistisch ein sehr vielfältiges Gesicht. Es war das Jahr der vorläufigen Abkehr von den grossen Helden ohne diese jedoch zu vergessen (könnte man das jemals?). Bill Evans, Herbie Hanock, Oscar Peterson, Chet Baker, Dave Brubeck, Stan Getz u.v.a., sie sind unvergessen, doch dazu weiter unten mehr.
Der Jazz ist nicht tot, er führt nur weiterhin ein Nischendasein und ich glaube sowohl die Musiker als auch die Macher hegen kein grosses Interesse daran, ihn für die breiten Massen zu öffnen. Jazz, das war auch dieses Jahr die Erkenntnis, umschwebt noch immer die Aura des Unnahbaren, des Intellektuellen, des schwer zugänglichen. Er ist es alles drei nicht, aber er fordert nach wie vor eine grosse Bereitschaft des Hörers sich mit ihm auseinanderzusetzen, musikalisch und inhaltlich und das ist es, was es vermutlich schwer macht, sich diese musikalische Gattung gänzlich zu erschliessen.
Erfolg hatten nur die Künstler, die die schwierige Gratwanderung zwischen Jazz und Mainstream hinbekamen oder die, die den Jazz mit anderen Genres vermischten und letzteres gibt mir auch das Stichwort für den Blick zurück.
2012 begann mit dem famosen Album Black Orchid von Malia, die auf ihre Weise der grossen Nina Simone huldigte ohne diese jedoch zu kopieren. Ein Album mit Bestand und von grossem Selbstbewusstsein der Sängerin zeugend.
http://www.lomax-deckard.de/article-malia-black-orchid-97550084.html
Es folgte mit Flamenco Sketches von Chano Dominguez eines der vielen Alben dieses Jahres, die den Jazz mit anderen Stilrichtungen fusionierten und das mit großem Erfolg, wie Dominguez bewies. Das Stichwort lautete Flamenco-Jazz. Eine neue musikalische Erfahrung für mich und der Beleg dafür, dass sich der Jazz auch in diesem Jahrhundert weiter entwickeln wird. Das Spiel von Chano Dominguez ist virtuos!
http://www.lomax-deckard.de/article-chano-dominguez-flamenco-sketches-101385562.html
Ein weiteres, äusserst beeindruckendes Album mit der Hinwendung des Jazz zur diesmal zur Klassik war Mongrel Chopin vom Mário Laginha Trio. Eine sehr beeindruckende Platte, die auf innovative Art zeigte, welche Gemeinsamkeiten aber auch offensichtlich Unterschiede zwischen diesen Musikrichtungen bestehen und man sie beide trotzdem geschickt miteinander verbinden kann. Das Trio statuierte für mich ein kleines Exempel mit dem Album, wenn es auch in der Vergangenheit des Jazz immer wieder Ausflüge in die Klassik gab. Meisterhaft!
http://www.lomax-deckard.de/article-mongrel-chopin-mario-laginha-trio-102197179.html
Robert Glasper darf man getrost als einen umtriebigen Jazzer bezeichnen, der immer wieder auf der Suche nach neuen Ideen, neuen Visionen ist, keiner der sich auf seinen Tantiemen ausruht oder sich wiederholt. Ein Beispiel dieses Engagements war sein Album Black Radio, welches ich persönlich als wegweisend im Jahr 2012 empfand. Musik, die Menschen empfohlen werden kann, die ihren eigenen Schwerpunkt auf Hip Hop / R&B / Soul haben und erfahren wollen, wie denn das in Verbindung mit Jazz klingt? Sehr spannend!
http://www.lomax-deckard.de/article-robert-glasper-experiment-black-radio-103646826.html
Eines der schönsten und vielleicht sensibelsten Alben des Jahres 2012 war die Kollaboration von Avishai Cohen mit Nitai Hershkovits auf ihrem Album Duende. Ein wirklich zauberhaftes Album voller Poesie und Romantik sowie eindringlicher Momente. Man muss fast schon sagen: Geheimtipp! Definitiv eines der persönlich besten Alben dieses Jahres.
http://www.lomax-deckard.de/article-duende-avishai-cohen-with-nitai-hershkovits-105321145.html
Mit Turning Point lieferte Caro Josée ein Album ab, welches ich getrost als eines nicht nur der besten des Jahres 2012 sondern mit Leichtigkeit des letzten Jahrzehnts bezeichnen würde. Es lieferte Momente voller Sehnsucht, Melancholie aber auch Humor und hebte sich von so vielen anderen Alben des "Vocal-Jazz" ab, die alle stereotyp klangen. Glückwunsch Caro Josée! Es bleibt zu hoffen, dass weitere Alben folgen werden!
http://www.lomax-deckard.de/article-caro-josee-turning-point-105677413.html
Salsa Fuerte und Yumarya liessen es krachen. Ohne Klischees bemühen zu wollen: Wenn Sie Hitze und Feuer an diesen kalten Wintertagen benötigen, legen Sie dieses Album ein, sie werden sich nicht auf den Stühlen halten können.
http://www.lomax-deckard.de/article-salsafuerte-feat-yumarya-salsafuerte-106046990.html
Eine echte Entdeckung im Sommer dieses Jahres war das Album Pink Violin der Zipflo Weinrich Group. Dass die Geige eine echte Bereicherung für den Jazz sein kann, bewiesen Zipflo Weinrich und seine Mitstreiter. Cooler, introvertierter, traditioneller, abwechslungsreicher und ausdrucksstarker Jazz. Grossartig!
http://www.lomax-deckard.de/article-pink-violin-zipflo-weinrich-group-109276722.html
Allein diese Auswahl zeigt, wie vielfältig der Jazz 2012 war. Er fusionierte, kollaborierte, entwickelte sich weiter auf traditionellen und neuen Wegen. Ein in dieser Hinsicht sehr interessantes und aufschlussreiches Jahr 2012.
Doch was ist mit den alten Helden? Sie sind noch da. Sie rufen ganz leise, irgendwo tief vergraben in den Untiefen der Erinnerungen: Wir sind noch da ... , hol uns wieder hoch ... , weisst Du noch wie wir klingen ... ?
Freunde! 2013 steht vor der Tür.
Aus dem Village Vanguard,
Rick Deckard