Jack White - Lazaretto

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  13. Juni 2014, 10:44  -  #Populäre Musik

Plattensammler können nicht wiedersprechen: Dieses Vinylalbum gehört aufgrund seiner einzigartigen Funktionen in jedes Regal. Man muss es selbst sehen, damit man es glaubt! Die Scheibe (Ultra-Edition) kann/muss in allen 3 möglichen Geschwindigkeiten abgespielt werden (33, 45, 78 RPM). Ich kenne keine andere Vinylplatte die das kann. Es wird noch verrückter: Die Scheibe kann man zusätzlich vom Innernen der Platte zum Äußersten Rand abspielen. Wirklich! Die Beatles hatten eine ähnliche Funktionalität auf "Sgt. Pepper" verewigt. Aber technisch ist das gute Stück von Jack White noch weiter: Legt man seine Plattennadel bei der ersten Nummer "Just One Drink" weit nach vorne hört man eine elektrische Version des Titels, weiter hinten eine akustische Intro-Version, die kurzen Cues verschmelzen entsprechend, wenn man sich logischer Weise nur für eine entscheidet (kann).

Nun das ist nicht alles! Es gibt ein wunderschönes Hologramm zu sehen, wenn man die Scheibe in einem speziellen Winkel betrachtet und letztendlich findet man Hiddentracks, wenn man seine Plattennadel mutig auf das Papierlabel in der Mitte setzt.

Spätestens jetzt kommen die Skeptiker, die ewigen Alleswisser und die, die den Blick für kleine Wunder in dieser Welt verloren haben. Schlimmer noch die, die sagen werden, dass das alles ein müder Promogag ist! Natürlich ist das eine Promotion! Aber was für eine Schöne, Einzigartige und unfassbare Weiterentwicklung, wenn man bisher gedacht hat, dass man eine Platte nur abspielen kann oder sie für's Scratchen/Sounding nutzen kann.

Ratlos hinterlässt mich so ein Gedenke, weil es unnötig ist. Wäre ich 16, wäre es 1986, wäre ich stolzer Besitzer und Fan. Jetzt mit 44 und im Jahre 2014 versuche ich diese Idee zu verteidigen, weil ich weiß, dass die Begeisterung da draußen minimal sein wird.

Und liege ich falsch, weil in allen Plattenläden der Welt jeden Tag neue Menschen glänzende Augen bekommen und verstehen, was das für ein Meilenstein, für die Renaissance der Vinylplatte, darstellt. Und wird es doch viele geben, die fragen, ob das Wunder der Funktionalität nicht über die vorhandenen Schwierigkeiten des Künstlers Jack White hinwegtäuschen sollen?

Die Musik von Jack White ist total überheblich! Jeder Mensch soll das für sich selbst beantworten, denn diese Überheblichkeit ist beiseitig zuerfassen: White ist ein ungezähmtes Genie! Man kann dem nicht wiedersprechen. Hören Sie alleine seine Gitarrensounds auf dieser Scheibe, bei den Raconteurs und natürlich erst recht, bei den unvergesslichen White Stripes. Outstanding! Interessieren Sie sich nicht dafür, versuchen Sie es mal mit Stilistik und der künstlerischen Überlegung, der Neuinterpretation von alten Schubladengenres, wie Boogierock, Funk, Rock im Allgemeinen und Country. Jack White bricht die Schranken auf und erinnert, nun ja, an Frank Zappa! Die Überheblichkeit automatisiert sich dann. White hält sich selbst für ein Genie und glaubt es, wenn es ihm andere Menschen attestieren.

Das Problem: Bisher hat er nicht den Weg gefunden, den Motor "Aufbrechen" bis zum "Aufbruch" zuführen. Denn auch LAZARETTO bricht irgendwann zusammen, weil es zuviel wird. Eine Nacht im Süßigkeitenladen macht einfach Bauchschmerzen und der alte Spruch: "weniger ist manchmal mehr" stimmt, wenn man es so versteht, dass White seine Genialität bedrängt.

Ich hoffe ich konnte meinen Gedanken richtig transportieren. "Three Women" das Titelstück zum Beispiel ist ein wirklicher Geniestreich. Das erwarte ich von moderner Rockmusik, diesen Wahnsinn will ich. Diese Breaks, die Kompromisslosigkeit macht verdammt viel Spass, aber der Gesamteindruck ist leider verspielt.

Egal, ich ergötze mich weiterhin an den Liveauftritten und hoffe auf Jack Whites irgendwann einsetzende Altersweisheit. Denn dann wird er der größte lebende Musiker sein, den es gibt. So in ca. 10 - 20 Jahren! Viel Zeit! Zum Glück...

Die Livedarbietung von "Just One Drink" in der Jimmy Fallon Show vor ein paar Tagen, zeigt eigentlich alles worauf ich hinaus will. Wahnsinn, Genie, Überheblichkeit und das Kännchen Kaffe, dass doch eigentlich nur eine Tasse sein sollte. Aber so ist es eben auf der Terrasse (läuft leider nur mit diesem kleinen Werbefilm vorab, von dem wir uns distanzieren möchten)

Alan Lomax 

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