'In den Schuhen des Fischers' und 'Brannigan'
Keine 100 Schnitte in 10 Sekunden, Zeit für die Darstellung der Charaktere, majestätische Musik, Cinemascope Bilder, wahrhaftige und überzogene schauspielerische Leistungen, Epik und Kino in seiner reinsten und künstlerischsten Form. All das bietet 'In den Schuhen des Fischers', die Verfilmung des Romans von Morris L. West durch Michael Anderson aus dem Jahr 1968. Und ja, Lomax hat Recht wenn er sagt, dass er solche alten Filme liebt, die sich Zeit nehmen, sich entwickeln, die nachvollziehbar sind und dadurch glaubwürdig wirken. Ich kann dem nur zustimmen. Es war, mal wieder muss man sagen, eine wohltuende Abwechslung.
Allein schon aus dem Grund, da man einen der imposantesten Schauspieler des letzten Jahrhunderts bewundern kann, namentlich Anthony Quinn. Ein Schauspieler, der eine ungemein einnehmende Leinwandpräsenz besitzt und durch sein Spiel in fast jedem Film einen sofort gefangen nimmt. Er verströmt einen Zauber auf der Leinwand, der alle grossen Stars auszeichnet und zudem dem Zuschauer immer eines vermittelt: Glaubwürdigkeit. Auch hier in diesem Film, in dem er einen Charakter namens Kiril Lakota spielt, Erzbischof von Lemberg und zugleich einen politischen Dissidenten der Sowjetunion, der auf Umwegen bedingt durch die politischen Umwälzungen zum ersten, nicht italienischen Papst gekürt wird. Wie Quinn diese Wandlung spielt, voller Zweifel, Ängste, Rührung und innerer Zerrissenheit ist absolut bemerkenswert - still und leise mit einer wohl dosierten Mimik und einer ebensolchen Physis macht er diesen inneren aufreibenden Prozess auch für den Zuschauer spürbar. Einer der ganz grossen Schauspieler! Kiril Lakota wird durch Tony Quinn zur Kultfigur. Das ist keineswegs ironisch oder doppeldeutig gemeint, sondern ehrlich. Beeindruckend.
Wie auch die Eröffnung des Filmes mit einer Overtüre, wie es in der 2. Hälfte des vergangenen Jahrhunderts häufig üblich war in einen Film einzustimmen. Alex North, einer der schwierigsten, aber auch versiertesten und intelligentesten Filmmusik-Komponisten, stimmt den Zuschauer in die Handlung ein mit pastoralen, majestätischen und epischen Klängen, die irgendwann, kaum bemerkt in 60's PoP übergehen. Famos! Der Film, ich liebe solche Einleitungen, die in wenigen Bildern eine Epik andeuten, eröffnet mit einem Kettenfahrzeug inmitten der Weite der sibirischen Wüste und schon fängt man als Zuschauer an sich zu fragen wohin das alles führt. Dazu nimmt sich der Film über 2h Zeit und die sind zu keiner Sekunde langweilig.
Neben Quinn agieren der stets souveräne Laurence Olivier, David Janssen, Vittorio de Sica und der österreichische Schauspieler Oscar Werner, zu dem ich einige Sätze loswerden muss. Werner mag sicherlich ein grossartiger Theaterschauspieler gewesen sein, aber hier in diesem Film liefert er ein Paradebeispiel des vollkommen überzogenen und nicht angemessenen Schauspiels. Bis auf wenige Ausnahmen, beispielsweise in der Befragungssequenz, ist sein gesamtes Spiel vollkommen fehl am Platz. Mit Sicherheit wäre diese Performance auf der Bühne sehr gut gewesen, eignet sich aber überhaupt nicht im Hinblick auf die Wirkung durch einen Film. Auch seine Körpersprache wirkt maßlos übertrieben und im wahrsten Sinne des Wortes theatralisch. All dies gipfelt in einer der lächerlichsten Sterbeszenen der Filmgeschichte, die zudem auch noch so schlecht synchronisiert ist, dass sie unfreiwillig komisch wirkt. Mag sein, dass Oscar Werner ein guter Schauspieler war, aber in diesem Film ist er fehlbesetzt.
Der Film mit seiner Handlung wirkt, auch da gebe ich Lomax Recht, fast schon visionär, bedenkt man die realen Ereignisse. Er regt an sich Gedanken über Religion und Politik zu machen und veranschaulicht auch die Zusammenhänge zwischen diesen beiden gewichtigen Pfeilern der Gesellschaft. Lange vor 'Illuminati' gewährt er einen Einblick in den Vatikan und seine Abläufe und fordert zum Nachdenken auf. Die Schlusssequenz im übrigen mit der Konferenz des Papstes und den Vertretern der Weltmächte, sowie die sich daraus entwickelnde Konsequenz leitet auf unglaublich epische und grandiose Art und Weise zurück zum Titel dieses Films und trägt sehr viel Wahrheit in sich.
Ein monumentaler, visionärer, schauspielerisch beeindruckender und filmmusikalisch bemerkenswert guter Film, der nichts von seiner Wirkung verloren hat und das nach fast 40 Jahren.
Im krassen Kontrast dazu ein Film aus dem Jahre 1974 von Douglas Hickox mit dem legendären John Wayne in der Hauptolle als Lt. Brannigan, einem 'Mann aus Stahl' wie im deutschen Untertitel suggeriert wird. Wayne zieht es in diesem Film aus Chicago in das alte Europa, nach London, von wo er einen entflohenen Kriminellen zurückholen soll. Das ergibt natürlich den gewollten Kontrast des Yankees in 'God Old London', welches in der Gestalt von Sir Richard Attenborough perfekt verkörpert wird und in der Gemeinsamkeit von alter und neuer Welt in einer schlecht gefilmten Kneipenschlägerei kumuliert.
Lomax bemerkte richtig, dass die Anwesenheit von diesem Brannigan in London, die Handlung in keiner Weise voranbringt oder effizient beeinflusst. Hier ist Wayne einfach ein Vehikel um den Film zu promoten und an der Kasse zum Erfolg zu führen.
Im Grunde könnte man diese Geschichte ohne weiteres in den Western übertragen und nichts anderes ist das hier, mit der Ausnahme, dass der Film im modernen Europa spielt. Brannigan aus Chicago trägt den Colt zum Ärgernis der Behörden stets an seiner Seite und schiesst wenn geschossen wird, was die britische Polizei mit Ihren Methoden nicht gut heissen kann.
Es gibt eine exzellent gefilmte Verfolgungsjagd und ein kleines Finale, in dem der Duke sich als Revolverheld gegen einen Killer aus New Orleans durchsetzt. Alles andere in diesem Film ist nichts anderes als Durchschnitt, kein Film für die Listen. 'Brannigan' ist aber ein sehr charmanter Film aus einem vergangenen Jahrzehnt mit einem lässigen Wayne, sowie einem running gag, der sehr schnell an diesem Abend zum Kult wurde: "Knock, Knock!"
Anzumerken bleibt noch der Score von Dominic Frontiere aus einer Zeit, in der von vielen Filmmusik-Komponisten verlangt wurde R&B, sowie Funk in ihre Musiken einzubauen, als Resultat des Erfolgs von 'Shaft' und 'Superfly'. Der Main Title aus 'Brannigan' ist grosse Filmmusik, Bläser und Saxophon intonieren den Titel, gefolgt von einer Mid-Tempo Funk Version, überstrahlt von einer Bridge mit sehr schönen und lyrischen Streichern.
Im gleichen Jahr drehte John Wayne den auch "sehenswerten" 'Mc Q - Ein Mann schlägt zurück' von John Sturges, den es aktuell leider auf DVD nicht gibt. Ein Doppelback dieser beiden Streifen mit Bier in geselliger Runde und der Spass ist garantiert - und wie Lomax verwundert bei 'Brannigan' auf der Rückseite des DVD Covers bemerkte: 'Ein Actionfilm für die ganze Familie' (?!).
For Good,
Rick Deckard