Hot 8 Brass Band
Manchmal muss man halt etwas länger warten, bis einem die Speise serviert wird, deren Indigrenzien man zwar immer gemocht hat, bei der die Mischung des Rezeptes aber nie richtig war. Nun sitze ich in einem feinen 5 Sterne Audioladen und höre die aus New Orleans stammende Formation Hot 8 Brass Band. Vorspeise, Nachtisch, Salat, Fischgang, der geliebte Digestiv, alles entfällt. Fast puristisch, bestelle ich nur die Hauptspeise und die besteht aus Hip-Hop, Jazz und feinen Funkstyles. Fast Low-Crab-Mässig. Keine unnötigen Hypes, keine Fette, kein schickes Gepose, keine Kohlenhydrate.
Die Kombination Jazz und HipHop ist natürlich alles andere als neu. Zig Labels, Künstler, DJs hatten diesen Versuch bereits in den späten 1980er Jahren gewagt. Erinnern wir uns an Guru’s Jazzmatazz, Ronny Jordan oder an Brandford Marsalis Projekt Buckshot Le Fonque, um mal die mit dem bleibenden Geschmack zu nennen.
Auch einige Brass Bands haben es immer wieder versucht, aber irgendwie fehlten die Skills, die Coolness und die Wirklichkeit.
Mit Wirklichkeit ist natürlich Authentizität gemeint. Als Originale muss man die quirlige Band um Bennie Pete und Harry Cook wohl bezeichnen. Geläutert von echten Geschichten bestehend aus Bandenkriegen (3 Tote Bandmitglieder die bei Schießereien umgekommen sind), von den Sturmopfern nicht zu schweigen. Zuletzt starb Drummer Dick Shavers durch einen Schuss in den Hinterkopf bei einer Polizeiverfolgung.
Die Band ist eine Familie, vielleicht eine Crew, bestimmt ein Zusammenhalt und eine Chance für alle Mitglieder. Die wechselnden Formationen sind unübersichtlich, der Musik schadet das nicht. Man spürt die Straßenmentalität den Habitus der Musik nicht nur aufgrund der Realness der Straße, sondern eben auch durch die Tradition und den Spirit der New Orleans Blasskapellen, dem Jazz und –ich erwähnte es bereits häufiger- durch die logische thematische Fortsetzung des Jazz, nämlich mit der ollen Kutsche HipHop.
The Hot 8 Brass Band ist dabei mehr als eine Street Guerilla Combo. Das manchmal etwas nervende Getue von Marching Bands wird hier durch Wut ersetzt. Die Wut mündet in Lebensfreude und Lebendigkeit. Die HipHop-Loops werden durch ewiges anfeuern und Claps der Crew begleitet, die Bläser allerdings wirken ehr spontan und daher auch nicht komponiert. Puristen werden ihre Schwierigkeiten haben, aber einige glanzvolle Trompeten- und Posaunen Solois werden sie trotzde zu hören bekommen.
Offene und suchende Musikfreunde finden mit „Tombstone“ ein Album für 2014 für jeden Moment. Der Frühling kommt! Kein Problem! Ziehen sie diese Scheibe raus und die Sonne scheint bis November aus ihrem strahlenden Arsch. Es ist jemand gestorben? Kein Problem! Betrachten sie Scheibe als Heilung und mit überschwänglichen Gedenken an ihre Toten. So wie es die Leute in New Orleans seit Jahrhunderten tun.
Dies ist eine sehr aufwühlende, aufregende Platte, die über allem steht, weil sie vor Echtheit fast unerträglich ist, man sie aber aufgrund dessen kaum weglegen mag.
Alan Lomax