Helmet – Köln 09.12.2010 Werkstatt
Page Hamilton ist auf der Bühne ein fauler Gitarrist. Bei dem gestrigen Konzert spielt er seine ESP Gitarre fast ausschließlich offen aufs D gestimmt. Somit muss er sich nicht um komplizierte Griffe kümmern und kann sich vollends auf Sound und Timing konzentrieren. Den Rest machen seine Effektgeräte. Insbesondere die Verzerrung hinterlässt natürlich bei Helmet einen ungeahnten, nachhaltigen Eindruck. Aber auch die vom Jazz beeinflusste Rhythmik und Harmonik.
Dabei ist Hamilton wahrlich kein durchschnittlicher Musiker, sondern ein präziser Gitarrist und interessanter Sänger, da sein Gesang ehr Mittel zum Zweck ist und von der brachialen Rhythmik getragen wird.
Dass er aber auch filigraner Musiker ist, der nicht nur über die Seiten schrammt, beweisen dann aber auch seine Zusammenarbeit mit David Bowie oder mit Elliot Goldenthal für die Filmmusik von Heat.
Menschen die mit amerikanischen Hardcore ehr nix zu tun haben muss man auch nicht davon überzeugen. Denn entweder man steht drauf und lässt es halt einfach sein. Die Musik ist aggressiv und ohne dem notwendigen Wissen wirkt sie vermutlich auch destruktiv.
Auf jeden Fall aber ist Page Hamilton ein aufrichtiger Kerl. Er gibt das zu, was die wenigsten Gitarristen sich trauen zu sagen: „Für mich ist es inspirierend eine elektrische Gitarre zu spielen. Mit einem geilen Verzerrer bringst du einfach höllisch aggressive Sounds zustande. Wenn Du die Regler aufdrehst und einfach drauflos holzt, dann ist das immer wieder tierisch geil. Wenn ich eine Klampfe in der Hand halte, will ich auch anständig rocken. Es ist aber nicht so, dass ich den ganzen Tag mit gefletschten Zähnen durch die Gegend laufe, ganz im Gegenteil.“
Das macht Helmet final und von Anfang (1988) an sympathisch. Da stehen Männer auf der Bühne, die sehr normal aussehen und sich trotzdem in ein musikalisches Genre reinwagen, dass durch Posen, Verkleidungen, Spiel mit Symbolen und stinkenden Männerschweiß, auch als Metal bekannt wurde. Bands wie Helmet haben damit noch nie etwas zu tun gehabt.
Sie haben einfach Spaß an guten Klängen und lauter Musik. Und ehrlich wer schon einmal eine Gitarre in der Hand hielt und auf ein Distortionpedal getreten hat, weiß, dass das süchtig macht und einem ein ebenso drogenbeseeltes Gefühl gibt wie, meinetwegen Achterbahn- oder Motorradfahren.
Dafür muss sich keiner entschuldigen und somit sind auch alle glücklich, die das partizipiert haben. Die ca. 400 Leute gestern in der Werkstatt waren es zumindest. Es ist schön wenn man merkt, dass man unter Fans ist und jeder Respekt vor den anderen hat, weil er ja eben auch unbekannter Weise die Band liebt, die man selbst mag. Auf vielen anderen Konzerten habe ich oftmals das Gefühl, dass man nicht teilen möchte und ein merkwürdiger nicht zu erklärender Konkurrenzkampf (meine Band!) ausbricht. Nicht so bei Helmet. Um mich herum stehen Herren zwischen 35 und 50 Jahre! Definitiv alles Leute, denen Musik etwas mehr bedeutet, als mal einen Abend „auszusteigen“. Was traurig macht, ist die Tatsache, dass es offensichtlich keinen Nachwuchs gibt. Wo sind die Skater und Snowboarder deren Sport ja oftmals mit amerikanischen Hardcore und Punk vermarktet wird?
Helmet waren 2006 noch Headliner der Vans Warped Tour, einem bekannten extrem Sport Festival. Man kann also nur hoffen, dass die Kinder der anwesenden Herren noch zu jung sind und später sozialisiert werden. Damit diese Musik weiterlebt und angehört wird.
Wer dann genauer zuhört an diesem Abend, wird schnell feststellen, dass die Musik von Helmet sehr von den Arrangements dominiert wird. Die geschichtliche Entwicklung des Hardcores aufzulisten wäre übers Ziel geschossen. Zu verwinkelt und verzweigt die Wege dieses Genres. Leider ist der Begriff „Hardcore“ und darauf möchte ich gerne hinweisen, eine absonderliche Marke geworden. Ursprünglich war es halt mal die Weiterentwicklung des Punks und hatte somit auch eine wichtige subkulturelle Bedeutung.
Aber was soll das alles? Ich glaube wir müssen uns mehr und mehr von diesem Schubladendenken verabschieden und alte Helden wie Helmet einfach so nehmen wie sie sind: Männer im besten Alter, die einen besonderen Stil haben, kaum vergleichbar sind und einfach sehr, sehr gute Musik machen.
Alan Lomax