Gespräch mit einem Winzer

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  14. August 2010, 16:37  -  #Kommunikation

wein

Gestern war ich auf einem Fest in einem etwas weiter entfernten Ort. 4 Tage Musik, Spass, Feiern und gute Laune. Es findet jedes Jahr eine Woche vor dem hiesigen Stadtfest statt und ist Anziehungspunkt in der Region. Die Arbeitswoche war beendet und das Wetter sommerlich gut. Also warum keinen Abstecher dorthin machen um das Wochenende einzuläuten?

Solche Feste sind nichts anderes als eine Kirmes ohne Künstler. Stände mit Essen & Trinken in Hülle und Fülle, der Geruch von gebrannten Mandeln, gut gelaunte Menschen und Musik die sich in der Lautstärke versuchte gegenseitig zu überbieten. Ausgelassene Atmosphäre.

Ich entschloss mich erst einmal zu stärken und bevorzugte einen Klassiker. Hinter der Theke standen 3 Damen, die sichtlich genervt und übermüdet waren, kein Wunder, wenn man den ganzen Tag monoton die gleiche Ware umgeben von Bratfett und Qualm verkaufen muss. Ich orderte eine Bratwurst und Pommes mit Mayonnaise, dazu ein frisch gezapftes Bier. Subkultur Bratwurstbude: meine Bestellung wurde weitergegeben als "Eine Brat und einmal Pommes mit!" Ungeduldige Kunden versuchten sich in meine Bestellung zu drängen, wurden aber nicht ernst genommen. Nach diesem kulinarischem Genuss drehte ich eine Runde über das Fest. Unter einer riesigen Eiche waren Tische aufgestellt und gegenüber eine Bühne auf der Amateure Schlager sangen. Alles wurde dargeboten, von Evergreens bis hinzu Karneval-Klassikern. Als ich meine Runde beendet hatte wurde ich Zeuge eines Proleten Dialoges zwischen zwei Halbstarken und zwei gleichaltrigen Mädchen, der sensationell war, den ich aber hier nicht wiedergeben kann, weil es vor zotigen Worten nur so wimmelte. Amüsant war es trotzdem.

Was tun? Ich entschloss mich in eine ruhigere Ecke zu begeben und nahm Platz in der "Weinecke" etwas abseits des Rummels. Nebenan spielten ein Violinist und jemand auf dem Harmonium, der Altersdurchschnitt um mich herum war geschätzte 90 im Mittel. Ich orderte einen Rosè, welcher kalt serviert wurde und genoss den Abend. 

Nach einiger Zeit setzte sich der Winzer, dem der Stand gehörte zu mir an den Tisch. Seit vielen Jahren komme er nun schon und würde aus Hessen anreisen, weil er viele Kunden in der Region hätte. Da nicht viel los war an seinem Stand kamen wir ins Gespräch. Im Laufe des Abends erfuhr ich sehr viel über Weine, was Vor- und Nachteile im Hinblick auf diese Unterhaltung hatte. Der Nachteil: meine Fragen wurden mit ca. 25-minütigen Monologen beantwortet, der Vorteil war der, dass ich einen Einblick in die Winzerkultur gewann.

Der Herr war mit Leidenschaft bei der Sache und erklärte mir es sei sein Ziel Wein den Menschen näher zu bringen. Ob das denn der geeignete Ort dafür sei fragte ich, was er bejahte, denn die meisten seiner Kunden würden die Abende in der Regel gesellig verbringen. 

Wie faszinierend Weinanbau sein kann erfuhr ich Laufe der nächsten Stunden. Mit Innbrunst erzählte mir dieser Mensch von den Unterschieden in den Anbaugebieten Europas. Er berichtete von Alfred Biolek und seinen Büchern, die dazu führten, dass Otto Normal Verbraucher, sehr zu seinem Ärgernis, bei Weinproben ständig aus diesen Büchern zitieren würden ohne nachzudenken. Ich erfuhr vieles über den Gärungsprozess, wie aus Zucker Alkohol wird und wie die Gerbstoffe den Geschmack eines Weines beeinflussen würden. Zu alldem machte ich je weiter der Abend voranschritt eine schlaues Gesicht und bemerkte dabei gar nicht, dass der Rosé den ich so vollmundig lobte gar keiner war, sondern das Glas der Nachbarin mit einem Weisswein gemischt mit einem roten.

Am Ende kam aber, wie fast immer bei solchen Diskussionen, eine banale Weisheit ans Tageslicht als ich ihn in stereotyper Manier nach guten Weinen fragte: "Ich meine es Ernst: trinken Sie den Wein der Ihnen schmeckt. Alles andere ist unwichtig!".

Nach diesem wunderbaren Abend verspüre ich unbändige Lust und werde diesen Wunsch in naher Zukunft auch in die Tat umsetzen, einen Winzer auf seinem Anbaugebiet zu besuchen, zu verlockend die Beschreibung der Trauben, der Erde, der Sonne und dem Herstellungsprozess.

Auf dem Weg nach Hause musste das Gemeinschaftstaxi halten, weil einer Dame auf dem Rücksitz übel wurde. Ich befürchtete schlimmes, aber der Taxifahrer bewies perfektes Timing.

Ein schöner Abend mit vielen neuen Erkenntnissen und der Sehnsucht wieder zu reisen.

Rick Deckard


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