Gedanken am Sonntag
Draussen schneit es weiter ununterbrochen. Gestern Abend kurz im Fernsehen die Verleihung der 'Goldenen Kamera' gesehen und es wurde mir übel. Es wurden weiter fröhlich Preise an die verliehen, die schon 10 im Schrank stehen oder bisher noch keinen bekommen haben. Unglaubliche Momente voller Peinlichkeit. U.a. wurde Diane Krüger als 'Beste Schauspielerin international' gekürt. Es geht nicht mehr schlimmer und es ist und bleibt ein Zeichen für den Verfall. Dieter Thomas Heck verleiht den Preis an die 'Fantastischen 4' und der 100-jährige 'Blacky Fuchsberger' bekommt seine 12. Auszeichung. Harry Belafonte trippelt über die Bühne und beide alte Männer küssen und bewundern sich gegenseitig. Ein Schauspiel! Zwischendurch werden dann irgendwelche unbekannten und bekannten für eine Casting Show auf RTL ausgezeichnet und ein Ex Model namens Bruce Darnell heult, alle lachen. Bitte Boden geh auf! Am Ende läuft dann Michael Douglas auf und übergibt seinem Kumpel Danny de Vito einen Preis für sein Lebenswerk, Lebenserfahrung, was auch immer. Zwischendurch stand Richard Gere auf der Bühne und erinnerte an den Dalai Lama. Durch die Sendung führte Hape Kerkeling. Show, Beleuchtung, Reden, Konzept: Ein einziger Albtraum. Ich bin froh, dass ich das Fernsehen nur noch sporadisch anschalte und gehe einen Single Malt trinken.
Gestern im Internet Musik gesucht. Auffällig, dass Alben die gerade eben erschienen waren für einen Preis unter 5,00 T€uro zu haben sind. Was ist Musik eigentlich wert? Diese Frage ging mir schon des öfteren durch den Kopf. Natürlich ist Musik nicht mit Geld aufzuwiegen, sondern hat einen ideellen Wert, aber wieso erscheinen Alben zuerst für 15,99, dann für 10 und schliesslich für unter 5 Euro binnen 3 Monaten? Hat wahrscheinlich mit Gesetzten des Marktes etc. zu tun, aber es stellt sich die Frage, ob dann überhaupt etwas dafür verlangt werden darf? Nur weil etwas nicht mehr aktuell ist, leben wir denn in einer so schnelllebigen Zeit, darf es dann gleich unter Wert sein? Das ist schlimm und inflationär. Nicht dass ein gleichbleibender Preis auch für die Qualität eines Albums spricht, aber wo ist dann der Massstab anzusetzen?
Gestern Abend 'The Hurt Locker' ('Tödliches Kommando') von Kathryn Bigelow gesehen. Habe beim besten Willen nicht verstanden, was an diesem Film gut sein soll. Klassische Spannungsmomente, hier und da leise Kritik und Anregung zum denken, aber ansonsten Massenware mit der üblichen handverwackelten Kamera und einer schon tausend mal gesehenen sinnlosen Handlung. Das war weder ein Kriegs-, noch ein Antikriegs- sondern nur ein schlechter Film. Mich verwundert es nicht, dass ich immer wieder Sehnsucht nach vergangenen Jahrzehnten habe, weniger aus Programm oder Nostalgie, sondern vielleicht weil da wirklich bessere Film gedreht wurden. Gerade gestern in der neuen Cinema gelesen: eine Flut an Remakes kommt 2010 auf uns zu. Alte Konzepte, alte Ideen in neuem Putz. Trotzdem werden einige gute Filme dabei sein. Gestern einen Anruf erhalten: 'Up in the Air' mit George Clooney hält nicht das was er verspricht.
Mehrere Musik-Gazetten durchgeblättert: überall wählen die Redaktionen Tocotronic's neues Album zum besten des Monats usw., was mich noch skeptischer als sonst macht. Mit 'Schall und Wahn' scheint der Titel zumindest gut gewählt. Habe verzweifelt nach guter PoP Musik gesucht, aber die Hörproben in den gängigen Downloadplattformen haben mich nicht überzeugt. Spielte mal kurz mit dem Gedanken das neue Album von 'Get Well Soon' zu laden, verwarf das aber wieder, nachdem ich ein Interview las. Dann bei den Tindersticks 'reingehört. Gähn. Aber auch Kashmir und Eels sagten mir nicht zu. Was ist das: Wolfgang Sauer - Sweet & Swing. 5 Sek und ich schloss die Hörprobe wieder. Schade. Eine zeitlang flirtete ich auch mit Owen Pallet und seinem Album 'Heartland' , aber auch das klang alles bekannt und langweilig. Adam Green lief noch in der Gegend herum mit Julian Casablancas und Vampire Weekend. Ne Freunde, das ist nichts für mich. Also Hoffnung und warten auf den Februar und das "Über"Album in der Pop Musik.
Paket mit CD's französischer Filmmusik angekommen: Michel Magne, Francois De Roubaix, Frederic Talgorn, Michel Colombier, Philippe Sarde und einen Sampler mit Musik zu den Jacques Tati Filmen. Habe hier und da gestern mal 'reingehört. Ein Attribut muss man den französischen Komponisten nach den ersten Hörproben zugestehen: ihre Musik klingt irgendwie charmant, ja das trifft es am besten. Tolle Tracks. Auf der einen CD mit der Musik von Sarde spielen sogar Toots Thielemans, Chet Baker und Ron Carter. Die Franzosen hatten ja immer eine Affinität zu Jazz. Nachricht von einem Internet-Händler bekommen: leider verzögert sich die Auslieferung von 'Playtime'. Dann warte ich eben. Auf dem Programm vorher stehen sowieso 'Fahrenheit 451' und 'Die Braut trug schwarz'. Mal sehen was dieser Truffaut so kann.
Es hat aufgehört zu schneien. Noch nie habe ich mich so auf den Frühling gefreut. Vielleicht kommen mit den ersten Sonnenstrahlen ja auch wieder gute Alben. Vielleicht sollte ich etwas 'Belle & Sebastian' hören.
Rick Deckard