Flic Ou Voyou (Der Windhund) - Philippe Sarde

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  9. Februar 2010, 11:20  -  #Orchestrale Musik

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Den Film selber habe ich nie gesehen, aber ich erinnere mich wie in jungen Jahren ein alter Freund namens Marcus R. sein Taschengeld gespart hatte und mich fragte, ob ich Lust hätte mit ihm 'Der Windhund' zu sehen. Meine Eltern hielten die Filme von Belmondo damals für zu brutal und subversiv und daher musste ich passen, das ist die einzige Erinnerung die ich an diesen Film habe. Vielleicht sehe ich ihn mir bald an, jetzt wo ich die nötige Reife besitze.

Im Zuge der Filmmusik-Renaissance und der kleinen Retrospektive des französischen Films musste ich mich unweigerlich auch mit den französischen Komponisten beschäftigen, denen ich in den Jahren zuvor leider wenig Beachtung geschenkt hatte. Erst mit den Filmen von Jean Pierre Melville keimte das Interesse an ihnen wieder auf. Universal France bietet eine grosse Vielfalt an Musik zu den französischen Filmmusik-Komponisten, alle CD's enthalten ein kleines Booklet, in dem meistens der Komponist oder Regisseur einige Zeilen schreibt, oder Interviews abgedruckt werden. Die Tonqualität ist stets ausgezeichnet und die Zusammenstellungen bieten einen guten Überblick über die im Film verwendete Musik.

Die erste Musik, die ich nun vollständig gehört habe ist die zu o.g. Film, in dem Jean Paul Belmondo einen Polizisten spielt, namentlich Stan Borowitz (!), der in Nizza den Kriminellen das Handwerk legen soll. Er wendet dabei Methoden an, die gelegentlich auch ausserhalb der Legalität liegen und dieser Dualität seines Charakters nimmt sich Philippe Sarde an um seine Musik zu kreieren. Der 'Windhund' war einer von mehreren Filmen die Belmondo mit dem Regisseur Georges Lautner drehte, es war eine erfolgreiche Zusammenarbeit der beiden.

Bereits zu Beginn des Scores im Track 'Flic Ou Voyou' wird diese charakterliche Zweischneidigkeit des von Belmondo gespielten Titelhelden deutlich: Sarde verwendet zwei unterschiedliche musikalische Motive, zum einen ein deutlich an den Barock angelehntes Thema welches sofort Erinnerungen an das alte Europa und seine kulturelle Vielfältigkeit weckt, konterkariert mit einen Ausflug in den Jazz. Das interessante hierbei ist, dass beide Stile innerhalb dieses Tracks miteinander verwoben werden und die Instrumente des kleinen Ensembles das barocke Thema übernehmen. Das hat klanglich seinen Reiz und ich musste lachen, denn auf eine solche Idee muss man erstmal kommen, selbst Lautner sagt in dem Booklet, dass man einen gewissen Grad an Verrücktheit an den Tag legen muss um kreativ zu sein.

Die Zusammenstellung des Jazz-Ensembles ist beeindruckend: Chet Baker (Trompete), Ron Carter (Bass), Billy Cobham (Drums), Larry Coryell (Gitarre), Hubert Laws (Flöte), Hubert Rostaing (Klarinette) und Maurice Vander (Cembalo). Hätte gerne in Erfahrung gebracht wie es Sarde geschafft hat diese Musiker zu vereinen!

Bereits im zweiten Cue 'Tenderesse Trompete' hört man Chet Baker an der Trompete mit seinem unverkennbar lyrischen Ton. Ein wunderschönes ruhiges Stück, begleitet von Coryell's Gitarre und der Klarinette von Rostaing. Im weiteren finden sich viele kleine und durchaus melodisch-jazzige Miniaturen, die dem Album eine klare Richtung vorgeben. Das barocke Thema welches zu Anfang gespielt wurde hält sich fast bis zum Ende im Hintergrund bedeckt. Das Ensemble wird an passender Stelle auch von einem kleinen Orchester begleitet, aber die Musik ist Domäne der Jazz Instrumentalisten. Interessant wenn man überlegt welche Musiker eines Kalibers hier verwendet wurden um einen normalen Kriminalfilm/ Thriller musikalisch zu unterlegen. Die Franzosen lieben den Jazz! Die ganze Musik ist ruhig, gediegen und hat selten dramatisch ausufernde Auswüchse. Ideal für einen Sonntagvormittag um die Seele baumeln und "den lieben Gott einen guten Mann sein" (Zitat Alan Lomax Sr.) zu lassen.

Sarde wurde am 21. Juni 1945 geboren und schrieb die Musiken zu vielen Filmen von Regisseuren wie Sautet, Annaud, Tavernier, Techine, für 'Tess' von Roman Polanski erhielt er eine Oscar Nominierung.

Rick Deckard


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