Quo vadis goldener Mann? Eine verspätete Betrachtung der Oscars 2010
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Ich erinnere mich noch an eine Zeit, gar nicht lange her, da habe ich der Verleihung dieses Preises entgegen gefiebert. Noch etwas früher habe ich tatsächlich die Vergabe live am Fernseher verfolgt. Das dieser Prestige trächtige Preis keine wahrhaftige Bedeutung hat war mir damals und auch heute bewusst. Der Effekt ist trotzdem sehr gross. Allzu gerne wird der reichlich beschenkte Film dann in den Folgejahren immer in Verbindung mit diesem Preis genannt, was in sehr frühen Jahren für einen 'Aha Effekt' sorgte. V.a. in den Zeiten als die Ansagerinnen der öffentlich rechtlichen Anstalten, wenn es denn so war, am Ende der Moderation anfügten "... der Film gewann im Jahre XY 6 Oscars!" "Wow!" dachte man sich, das muss etwas besonderes sein. In vielen Fällen war dem auch so, ohne nostalgisch kritiklos zu werden. Die Frage ist: Was kommt in den nun folgenden Jahren des neuen Jahrzehnts?
Der Oscar wird natürlich Jahr für Jahr weiter vergeben werden, viel zu tief ist er im kollektiven Gedächtnis sowohl der Fernsehanstalten, als auch der Zuschauer verankert. Oscar Verleihung = Quote = Werbung = Einnahmen. Wer will da schon hinten anstehen? Aber es zeigte sich bereits in den letzten Jahren, dass die Einschaltquoten kontinuierlich sanken und die Folgen konnte man bei der diesjährigen Verleihung sehen. 2 Moderatoren als Hosts und gleich 10 Filme die in der Kategorie 'Bester Film' nominiert waren. Man versucht vehement diesen Titan der Fernsehunterhaltung auf Höhe zu halten.
Sinn und Unsinn dieses Preises ist hinlänglich bekannt und Harrison Ford hat es auf den Punkt gebracht, als er sagte, dass es im künstlerischen Bereich keinen Wettbewerb geben darf und er nicht verstehen könne, warum ein Film besser als der andere sei. Er hat absolut Recht und es ist bekannt, dass eine riesige Werbemaschinerie hinter dem ganzen steht, als auch die Wahl nicht immer gerecht, konsequent und v.a. aus künstlerischen Gründen nachvollziehbar war und ist. Aber es gibt ihn nunmal und man kommt nicht umhin Jahr für Jahr (zumindest als Film und Kino Afficionado) sich Gedanken zum Oscar zu machen.
In medias res: Dass es dieses Jahr 'The Hurt Locker' war ist ein klares politisches Statement und der Versuch der Academy Jahr für Jahr Schranken zu brechen. Erst die Homosexuellen, dann die Afroamerikaner und nun auch Frauen. Etwas was eigentlich selbstverständlich sein müsste, gewinnt bei den konservativen Damen und Herren der Academy erst langsam an Bedeutung. Ich schätze Kathryn Bigelow, v.a. für ihren fantastisch guten Thriller 'Point Break' mit Keanu Reeves und Patrick Swayze in den Hauptrollen. Auch 'Blue Steel' und 'Strange Days' waren zu ihrer Zeit gelackte und stylische Thriller, die aber ihre Wirkung im Laufe der Jahre verloren. Vor einigen Monaten habe ich mich selbst davon überzeugen können. 'The Hurt Locker' habe ich einige Tage vor der Verleihung gesehen und abgesehen von einigen Momenten äusserster Spannung war es dieser "08/15 in dieser Form schon dutzende Male gesehener" Typus von einem Film. Kein Wunder, dass er floppte. Er ist nichts sagend und langweilig, auch die Schauspieler mögen nicht zu überzeugen. Nun also gleich 6 Oscars auf einmal. Von Flop to the Top. Meiner Meinung nach hat er keinen einzigen verdient.
link zur Dankesrede 'Hurt Locker'
Leider können, wie jedes Jahr, die anderen Filme hier zu Lande erst später gesehen werden, ich bin schon gespannt auf 'Up In The Air', v.a. 'District 9' und 'A Serious Man'. Dass es 'Avatar' in diese Riege geschafft hat ist wie immer dem horrenden Einspielergebniss zu verdanken, ansonsten ist dieser naive Unsinn etwas für die Schublade. 'Up' ist sicherlich ein phantasievoller und bezaubernder Film, aber warum in aller Welt will man hier animierte Figuren bei der Wahl des "besten" Films mit realen vergleichen. Was für ein Unfug?!
Insgesamt war die Auswahl dieses Jahr so langweilig wie noch nie, allerdings unter der Vorgabe diese Filme noch nicht gesehen, sich jedoch hierbei auf Kritiken aus renommierten Munde verlassen zu haben. Daher war es eigentlich vollkommen egal wer den Regie-Preis mit nach Hause nimmt, eigentlich eine der wichtigsten und interessantesten Kategorien dieses "künstlerischen Wettkampfes". Cameron, Tarantino, Reitman und Daniels (mir nichts sagend) waren die Mitstreiter. Frau Bigelow konnte ihren Bizeps mit dem Goldjungen trainieren. Ich kann nur hoffen, dass es nächstes Jahr besser wird. Dann lieber eine Fehlentscheidung z.B. unter folgenden Herren: Scorsese, Fincher, Nolan, Coen Bros., etc. Da fiebert man wenigstens mit.
link zur Dankesrede von K. Bigelow. Man achte immer auch auf die Gesichter der anderen.
Bei den Schauspielerinnen war Meryl Streep (und man darf die mittlerweile ich weiss nicht wievielte Nominierung nichts als inflationär sehen: diese Actrice ist wahrhaftig eine der besten (hier stimmt es mal) Schauspielerinnen der Welt) wieder dabei, auch die von der Academy geliebte Helen Mirren. Frau Sandra Annette Bullock war dieses Jahr an der Reihe. Es kann sein, dass sie wirklich gut gespielt hat, ich weiss es nicht, aber es macht mich schon ziemlich stutzig, denn in den bisherigen Rollen konnte ich keine grosse Schauspielkunst oder Entwicklung erkennen. Wahrscheinlich eine peinliche Entscheidung.
link zur Dankesrede von Sandra Bullock
Bei den Herren hat es mich für Jeff Bridges sehr gefreut, wenn auch hier Unkenrufe laut wurden, "er war an der Reihe!". Ist doch egal. Im Gegensatz zu Miss Bullock spielt Bridges in einer vollkommen anderen Liga und ist definitiv einer der besten Schauspieler seiner Generation und hat das in vielen sehr unterschiedlichen Rollen bewiesen. Grosse Freude! Vergessene Helden – Jeff Bridges . Colin Firth habe ich nur im Trailer bewundern dürfen und auch hier werde ich mir den Film mit ihm und Julian Moore ansehen. Über die Qualitäten eines Morgan Freeman braucht man nicht zu diskutieren. Clooney hat sich um das Kino verdient gemacht und ist ein grosser Star (ein echter (!) nebenbei und das ist wichtig, siehe die Ausführungen zum Thema 'Star' von Billy Wilder) aber seine schauspielerischen Qualitäten sind nun mal limitiert, wenn auch nicht schlecht, keineswegs. Jeremy Renner in 'Hurt Locker' war O.K., mehr nicht.
link Jeff Bridges ist glücklich!
Bei dem besten fremdsprachigen Film hätte ich Haneke nach der goldenen Palme und dem Golden Globe auch den Kollegen Oscar gegönnt, aber nach F. H. v. Donnersmark musste ein anderes Land gewinnen. Ich will dem Film aus Argentinien den Preis aber durchaus gönnen, wenn auch diesen nicht gesehen.
Dass bei dem besten Score Michael Giacchino gewonnen hat ist eine gute Wahl, denn dieser Musiker hat viele gute und sehr gute Filmmusiken geschrieben und trägt Talent in sich. Desplat dürfte sich wieder einmal geärgert haben. C'est la vie! Dass Horner und Zimmer leer ausgegangen sind ist in diesem Fall nur gerecht. Bei der besten Kameraführung hätte ich Christian Berger den Preis gegeben, eine meisterhafte Fotografie! Robert Richardson, der viele Filme mit Oliver Stone gedreht hat, ist einer meiner absoluten Lieblinge, nicht zuletzt seit 'JFK'. Dieses Jahr war er für das Machwerk 'Inglourious Basterds' nominiert. Beim Drehbuch hätte 'Up' dieses Jahr gewinnen müssen, ob animiert oder nicht. Eine sehr bewegende und schöne Handlung. Dass auch hier 'Hurt Locker' gewann ist völlig unverständlich.
Die vielleicht spannendste und interessanteste Kategorie dieses Jahr waren die hochkarätigen Darsteller in der 'Nebenrolle'. Trotz meiner Zurückhaltung gegenüber Waltz, er hat ihn verdient. Intensiv und glaubhaft ist sein Spiel ohne Frage. Muss ein grosser Moment für den Österreicher gewesen sein. Mir fiel bisher in den Fernsehfilmen immer sein prominentes Kinn auf. Tolle Leistung! Die anderen Nominierten waren Matt Damon, Woody Harrelson, Christopher Plummer und Stanley Tucci. Das nenne ich eine echte Konkurrenz!
link Herr Waltz würde gerne mit Penelope einen tanzen... .
Tja, man darf gespannt sein, in welche Richtung der Mann aus Gold schreitet. Es bleibt zu wünschen, dass man sich auf qualitativ hochwertige Filme besinnt und vielleicht auch mal den Preis an mehrere Filme, Schauspieler oder Künstler vergibt, wenn auch der Moment des Triumphes durch 2 geteilt wird. Aber warum nicht? Ein Wettkampf in dieser Kunst ist unsinnig genug. Und noch eines: gerade diese Show lebt einzig und allein von dem Gastgeber! Was waren das für Momente noch vor einigen Jahren, als Billy Crystal der Host war! Innovativ und extrem belustigend!
In einem Jahr wissen wir mehr. Bis dahin bleibe ich einer meiner liebsten Leidenschaften weiterhin treu, dem Kino. Warum? Weil es eine deutsche Filmmusik-Komponistin kürzlich so treffend formulierte:
"Kino heisst eine andere Realität zu leben."
Mit freundlichen Grüssen,
Rick Deckard
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