Epiphany - Vince Mendoza

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  30. Januar 2010, 12:21  -  #Jazz

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Wieder liegt eine Woche hinter mir, draussen schneit es unaufhörlich und die widrigen Umstände laden förmlich dazu ein sich mit seinem liebsten Hobby, der Musik, zu beschäftigen. Ähnlich wie mein Kompagnon Mr. Lomax zieht es mich immer wieder und weiter zu fernen Ufern. Dieses Jahr steht wie in den Beiträgen vorher geschrieben ganz im Zeichen orchestraler Musik und dem Jazz, sowie der Filmmusik. Auf der Suche nach Gemeinsamkeiten dieser verschiedenen Stile habe ich mir heute das Album 'Epiphany' von Vince Mendoza geladen. Letzteren habe ich entdeckt im Zusammenhang mit der WDR Big Band (Thanks Mr. Lomax!) mit der Mendoza verschiedentlich zusammen gearbeitet hat. Mich interessieren solche Musiker v.a. deswegen, da sie vielseitig sind und sich weiter entwickeln und ihre Kunst so herausragend ist, dass sie jedes Mal beim ersten Hören sofort hängen bleibt und mich auffordert sich mit Ihr zu beschäftigen.

Mendoza ist im Jazz bei Leibe kein unbekannter und seit fast 2 Jahrzehnten unaufhörlich tätig. Er wurde 1961 in Norwalk, Conneticut geboren und erlernte als Instrumente frühzeitig die Gitarre und das Klavier. Wenn man Recherchen anstellt und liest wer Einfluss auf seine Musik und Art zu komponieren hatte und hat wird einem nicht nur warm ums Herz, sondern man ist auch immer wieder erstaunt über die regelmässig wiederkehrenden Schnittmengen der eigenen musikalischen Sozialisation und fühlt sich innerlich bestätigt. In seinem Fall waren es J.S. Bach, Aretha Franklin, Henry Mancini, aber auch Miles Davis und Gil Evans, später auch Alban Berg und Igor Stravinsky. Da schliessen sich wieder so viele Kreise über Herrmann, Klassik, Filmmusik und Jazz. Gerade was den Jazz betrifft sind sowohl Joe Zawinul als auch Wayne Shorter seine grössten Inspirationen. Ich erinnere mich jetzt gerade daran, wie Mr. Lomax und ich einst ein Wayne Shorter Konzert besuchten und hinterher vollkommen perplex, ehrlicherweise aber auch "überfordert" waren. 

Nach dem erlernen der Trompete und Aufenthalten an einigen Universitäten begann Mendoza für das Fernsehen zu schreiben und arbeitete im folgenden sehr eng mit dem Drummer Peter Erskine zusammen. So kam er auch zum Blue Note Label und damit auch in Kontakt mit vielen Jazz Musikern, u.a. Randy Brecker, Charlie Haden, Pat Metheny, Kyle Eastwood. Er dirigierte viele weltbekannte Orchester und spielte auch mit einigen bedeutenden Big Bands. Momentan leitet er das Metropole Orchestra in den Niederlanden, die bekannt sind für ihren "pop-orchestralen" Sound. Mendoza war beispielsweise der kreative Kopf hinter Elvis Costello und seinem Album 'The Flame Burns Blue', soweit ich mich erinnern kann. Mir gefällt dieses Orchester ungemein, insbesondere die Alben, die es zusammen mit Trijnte Oosterhuis aufnahm und letztere Songs von Burt Bacharach sang, besonders das erste Album dieser Kollaboration ist umwerfend in den Arrangements, auch wenn Mendoza nicht beteiligt war.

Interessant zu lesen war auch die Tatsache, dass Vince Mendoza nicht nur in Jazz Gefilden unterwegs war, sondern auch mit PoP Musikern zusammen gearbeitet hat. So schrieb er die Arrangements für das Robbie Williams Album 'Sing when you're winning' und für Björk ('Vespertine' und 'Dancer in the Dark'). Letztes Jahr habe ich mit viel Enthusiasmus 'Travelogue' von Joni Mitchell gehört und lese nun, dass Mendoza auch hier seine Finger im Spiel hatte.  'God Must Be A Boogie Man'- 'Travelogue' von Joni Mitchell. Ich glaube ich werde mir dieses Album nochmals in Ruhe anhören müssen, denn in der Biografie von Mendoza steht, dass er für dieses Album Gil Evans, Richard Strauss, Gyorgy Ligeti, Brahms und selbst Igor Stravinsky Referenz erwies. Ich habe damals überhaupt keine Assoziationen zu diesen Musikern gehabt, was mich aber umso mehr anspornt.

Nun also 'Epiphany'. Um es gleich vorweg zu sagen: betörend schöne und unglaublich eindringliche Musik. Mendoza schreibt hier dermassen beeindruckende Arrangements, dass ich das Album trotz der langen Track-Zeiten in einem durchhören musste. 'Epiphany' bedeutet die unvermutete Erscheinung oder Selbstoffenbarung einer Gottheit vor den Menschen. Warum nun dieses Wort für das Album gewählt wurde weiss ich nicht. Aber beim hören stellt sich unweigerlich eine meditative Grundstimmung ein. Die Musik ist nie aufbrausend oder sich in den Vordergrund drängend, sondern entwickelt auf allen Stücken einen langsamen unaufhörlichen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Musikalisch fand ich es ungemein beeindruckend, wie es Mendoza schafft ein Orchester oder den Klang desselben mit einem Jazz Ensemble zu verbinden. Beide Parteien lässt er genügend eigenen Spielraum verwebt sie aber so gekonnt in vielen Passagen miteinander, dass man ohne Zweifel solchen musikalischen Kollaborationen recht geben muss. Sie haben vollkommene Berechtigung. 

Das London Symphony Orchestra kenne ich in Zusammenhang mit vielen qualitativ hochwertigen Einspielungen mit John Williams und auch hier liefern sie ein grossartiges Statement ihres Könnens. Die Audioqualität ist hervorragend.  Zum Jazz Ensemble gehören John Abercrombie an der Gitarre, Michael Brecker und Joe Lovano am Tenor Saxophone, Peter Erskine an den Drums, Marc Johnson am Bass, John Taylor am Piano und Kenny Wheeler an der Trompte und am Flügelhorn. Die Symbiose aus diesem Ensemble und dem Orchester ist in höchsten Masse organisch und alle liefern in den Soli, die aber immer einen orchestralen Hintergrund haben, Momente wunderschöner Musik. Was mir imponiert hat war die Tatsache wie es Musiker schaffen Ihr Instrument so zu spielen, dass sie im Kontext mit dem Orchester und der Band bleiben und sich nie in den Vordergrund drängen. Dieser Team-Gedanke ist es nach wie vor, der mich am Jazz so beeindruckt.

'Epiphany' beeinhaltet melodische und eingängige aber auch immer komplexe Arrangements und das hier ist ein Album, bei dem ich den viel zitierten Satz "wächst mit mehrmaligem Hören" gelten lassen kann, weil er absolut zutrifft. Die Musik, wenn denn ein Zusammenhang zum Titel des Albums besteht, hat unglaublich meditative und auch spirituelle Momente ohne irgendeinen religiösen Zusammenhang. Sie ist so einnehmend, dass ich die Augen schloss und mich vollkommen in ihr verlor. Eine unglaublich beruhigende Wirkung. Erstaunlich auch, welche Klangfarben ein Instrument erzielen kann, wenn es nicht allein in einer Jazz Band gespielt wird, sondern sich eingliedern muss. Das gilt hier sowohl für die Trompete und das Saxophon. Immer wieder wird der Akzent vom Orchester zum Ensemble verlegt und umgekehrt. Grosse Kunst! Der Effekt der gesamten Musik ist keineswegs sentimental, sondern eher positiv und leise erheiternd in der Grundstimmung.

Es wäre unfair einzelne Tracks aus diesem Album heraus zu heben, aber 'Esperenca', 'Sanctus' und 'Epiphany' sind absolute Höhepunkte. Lyrische, harmonische und z.T. auch expressive Musik, die einen ungemein intensiven Eindruck hinterlässt.

Ein Album, welches ich auf jeden Fall des öfteren hören werde.

Rick Deckard

 
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