Elvis Costello & The Roots – Wise Up Ghost

von Alan Lomax Rick Deckard Blog  -  25. September 2013, 10:37  -  #Populäre Musik

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Die Ausbildung des Geschmacks beruht auf einem Lernprozess. Vorlieben und Abneigungen entwickeln sich nach einem komplexen kulturellen System. Egal, ob wir bei der Bewertung von Geschmack im künstlerischen, kulinarischen oder Objekte(Design-)kosmos sprechen. Es bleibt die subjektive Wahrnehmung eines jeden Einzelnen.

Um das aktuelle Wunderwerk „Wise Up Ghost“ richtig zu bewundern, benötigt man Wissen. Dieses Wissen wird für die meisten Menschen keine Relevanz haben. Will man die unfassbaren präzisen Beats von Questlove nachvollziehen und die Idee der Fusion Jazz und HipHop von der Band The Roots verstehen, muss man eigentlich nichts anderes tun als, zu hören. Reicht das? Nein! Man sollte noch wissen, dass The Roots den härtesten Musikerjob der Welt haben und Hausband der täglich stattfindenden US-Late-Night-Show von Jimmy Fallon sind. Täglich neue Herausforderung, täglich neue andere Facetten der Popmusik live zu spielen. Hommagen, Parodien, Virtuosität und Präzision.

Hatten Sie bisher nicht die Gelegenheit? Verstehen Sie nicht, was ich meine? Dann schauen Sie sich mal „La Hisoria del Rap“ und Black Simon and Garfunkel „Sing One Direction“ aus der angesprochenen Show an.

 

Wer ist eigentlich Elvis Costello? Auch das ist eine Geschmacksfrage. Mir sind Menschen die diese Frage stellen fremd. Ich halte Costello für einen sehr wichtigen Musiker. Seine Biographie und seine Diskographie sind unumgänglich, wenn man sich mit moderner Musik auseinandersetzen will. Ob man das gesamte Werk gut finden muss, sei einmal dahin gestellt. Natürlich sind da viele Fehlgriffe dabei. Aber um sich ein umfassendes Bild über sein musikalisches Gesamtbild zu machen sollte man schon einmal eine Attractions-Platte, aber doch zumindest die Duette mit Burt Bacharach gehört haben. Legt man keinen Wert auf Historie und sind einem Zusammenhänge, Musikverständnisse nicht wichtig, so kann man sich ja vielleicht zumindest darauf einigen, dass Costello eine der wundervollsten Gesangsstimmen der Gegenwart hat. Denn so eine subjektive Meinung muss ja hier wohl mal geltend gemacht werden, schließlich gibt es in der Crowd der Mittleren Mittelschicht auch Fachleute die André Rieu für den größten Geiger der Gegenwart halten. Was natürlich auch nicht stimmt.

Mit der gemeinsamen Platte „Walk Us Uptown“ ist Costello zu dem eine Idee geglückt, die bisher in der Form nur von Laienspielgruppen in Jugendzentren umgesetzt wurde. Denn die Beats sind fresh, aber die Texte sind gesampelte zum größten Teil alte Verse aus alten Costello-Songs.

Was haben wir hier also vorliegen. Hochkomplexe zum größten Teil analog gespielte Beats der legendären Wurzel-HipHop-Band The Roots, in tausenden von musikalischen Genres gedrehten Text- und Gesangspassagen des meisterlichen Elvis Costello. Zusammengefasst Geschmackssicherheit par Excellence, mit einem mahnenden Zeigefinger von Donald Fagen und Walter Becker im Hintergrund.

Geschmacksexperten sind Trüffelsucher und natürlich ist diese Platte eine der größten Platten der Popweltgeschichte des Jahres 2013. Weil sie einerseits so unfassbar inspiriert ist, aber uns auch so unfassbar klar macht, was es bedeutet Musik verstanden zu haben.Sei es nun als akademisches Gefasel oder als Soulfood zum Glücklich sein.

Alan Lomax

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