Ein Kommentar zum Essay von Klaus Walter in der aktuellen Sounds Ausgabe
Endlich bringt eines der gängigen Magazine eine Ausgabe über deutsche Popmusik heraus und nicht die ewigen Themen 'Beatles', 'Dylan' und 'Britpop'. In der aktuellen Ausgabe des Sounds Magazin habe ich einen exzellenten Essay von Klaus Walter zum Thema: 'Lage der Nation' - 'How German is it ?' gelesen. Natürlich wird es der Inhalt nicht allen gerecht machen können, aber ich empfand ihn als absolut treffend und im Nachhinein als wohltuend. Respekt, denn eine solche Aufgabe ist äussert schwierig. Ein Essay den ich zweimal gelesen habe und bei dem mich ein Thema das dort angeführt wird auf irritierende Art und Weise noch immer beschäftigt. Es ist nichts neues, aber etwas was einen auf die Palme bringen kann:
Die Würdigung von Popmusik in den Massenmedien.
Ich bin diesbezüglich der Meinung, dass das Angebot die Nachfrage bestimmt und nicht umgekehrt.
Doch zunächst zurück zum Essay. Dort stellt Walter folgende These auf, bzw. stellt fest, 'dass das Dilemma von PoP in Deutschland, auch das Dilemma von Radio und Fernsehen ist'. Er schreibt zu Recht, dass die öffentlich-rechtlichen Sender und auch die Privaten 'avancierten PoP ignorieren'. 'Die Ausnahmeformate würden marginalisiert oder abgeschafft'. Was für mich allerdings neu war ist folgende Tatsache: Der Anfang, bzw. die Basis hierfür läge weit zurück, nämlich mit dem Aufstieg des NS Regimes und der damit verbundenen 'Vertreibung und Vernichtung der popkulturellen Intelligenz. Als Folge dessen hätten sich beide Deutschlands nie hiervon erholt und eine lebendige, diskursive Popkultur sei demzufolge hier nie entstanden'.
Interessante Schlussfolgerung.
Ob dem so ist kann ich nicht sagen, da mir hierfür die nötigen Fakten und das popkulturelle Wissen fehlen. Aber ich selbst habe einen Zusammenhang zur Entwicklung der Popmusik in Deutschland geschichtlich nie so weit in die Vergangenheit datiert.
Aber er hat Recht mit dem was er schreibt, denn entscheidend ist im Zusammenhang Radio - Musik die Quote und so hört man überall in Deutschland im Radio die gleiche langweilige Musik. Ein Zustand, über den ich mich, auch wenn es sinnlos ist, noch immer aufregen kann (und werde).
Im letzten Absatz schreibt er, dass in den Vereinigten Staaten Bands und Künstler wie 'Sonic Youth', M.I.A., Erykah Badu und Wilco bei Lettermann, Jay Leno und Co. spielen und sich keiner wundert'. 'Dass es in den Staaten eine Durchlässigkeit gäbe, die auch mit einer Lässigkeit zu tun habe, mit einer Souveränität und Grosszügigkeit auch gegenüber Dingen, die man nicht gleich versteht' und überträgt dies auch sofort und vollkommen korrekt wie ich finde in unsere Gefilde. Will heissen wie es wäre, 'wenn die 'Goldenen Zitronen' ihr neues Album bei Kerner vorstellen oder Distelmeyer zu Gast bei Beckmann wäre'?
Alles in allem hat mich das ziemlich aufgewühlt, denn ich kann Herrn Walter in seiner Argumentation und seinen Schlussfolgerungen nur zustimmen. Zum Eingangs erwähnten Satz: Ich frage mich (rhetorisch gefragt) was genau die Motivation der Macher von Radio und Fernsehen ist? Sicherlich, vordergründig Werbung, Quote und Einnahmen. Dass Geld die Welt regiert ist seit Menschen Gedenken so. Aber wer entscheidet wo, was wir hier hören und sehen wollen? Anders gefragt: Betrachtet man das Programm im Radio und Fernsehen was Popmusik betrifft kann man schnell zur Einsicht gelangen, dass die Macher in den Etagen der Massenmedien das Volk für ziemlich verblödet halten. Anders ist doch die Auswahl nicht zu erklären. Um den Gedanken weiter zu spinnen: Warum ist es in einem anderen Teil der Welt möglich lässig zu sein, durchlässig zu sein und grosszügig gegenüber Dingen die man nicht gleich versteht und hier nicht? Warum werden den Menschen in diesem Land grossartige Bands wie in diesem Beispiel 'Die Goldenen Zitronen' vorenthalten oder ein Distelmeyer, der wahrlich viel interessantes zu erzählen hätte?So etwas hat doch auch Folgen positiver Natur, nämlich der, dass sich Menschen mit in diesem Falle Popmusik auseinandersetzen, nicht nur der Musik, sondern auch mit den Inhalten die sie vermittelt. Statt dessen werden so genannte Prominente wie Verona Pooth und Konsorten eingeladen, die wirklich nichts aber auch gar nichts zu erzählen haben, was in irgendeiner Form interessant wäre oder ist.
Natürlich gibt es Sender im Fernsehen oder im Radio, die andere, schönere, gewitztere, aufregendere und reizvolle, reizbare Popmusik spielen, aber die sind eben nicht allen zugänglich, senden zu merkwürdigen Zeiten oder sind wie es Walter richtig sagt marginalisiert oder verdrängt. Was bedauerlich ist. Denn leider führt der Status Quo deswegen zu der am meisten gegebenen Antwort wenn man die Frage stellt: "Was hörst Du für Musik?": "Alles mögliche." Sinnentleerter kann eine Antwort nicht sein, ist aber auch nicht verwunderlich, wenn man tagtäglich nur von Einheitsbrei berieselt wird! Was ich vermisse ist auch Mut Dinge mal anders zu machen als sie sind, sie zu ändern in den Medien. Nicht aus dem Grunde nur um gegen etwas zu sein, sondern weil Menschen das Recht haben zu erfahren, dass es neben der Musik, die tagtäglich in den Charts und damit im Radio auf und ab dudelt auch etwas gibt, was sich in der Art, der Eigenheit der Popmusik vollkommen von dem unterscheidet. Dass es auch Popmusik mit Qualität gibt.
Ich stimme deswegen Klaus Walter zu: Popmusik wird in den Massenmedien nicht ausreichend gewürdigt.
Mal unabhängig von Erholung, die Seele baumeln lassen, nichts tun: der Geist sollte doch auch angeregt werden. Die Musik, die heute vornehmlich in den Massenmedien gespielt wird tut das nicht, definitiv. Wie sehr würde ich mich freuen in den hier bekannten gängigen Fernsehformaten zu normalen Tageszeiten, von mir aus auch Late Night, eine Show im Fernsehen zu sehen, bei der die hier erwähnten'Wilco' live spielen ... . Es wird leider Utopie bleiben, genauso die Hoffnung einen Radiosendern zu finden, der nicht immer und immer wieder die sattsam bekannten Songs spielt. Mann könnte dann bei längeren oder auch kürzeren Autofahrten auf mp3 Player und anderes verzichten. So bleibt mir momentan keine andere Wahl als Deutschlandfunk oder regionale Kultursender zu spielen, denn was in den anderen Sendern gespielt wird führt zu Übelkeit, Kopfschmerzen und Erbrechen.
Im Anschluss an den Essay habe ich dann das Interview mit Sven Regener gelesen, dessen "Gleichgültigkeit" und "Gelassenheit" mich auf die Palme gebracht haben.
Von dort,
Rick Deckard
P.S. Ein komplexes Thema und denkbar ungeeignet es in dieser Form zu diskutieren, aber dieser Blog dient auch dazu Gedanken zu archivieren. Daher bitte ich um Nachsicht, wenn der eine oder andere Zusammenhang nicht erwähnt wird oder bestimmte Inhalte zu kurz kommen. Der Hauptgrund für diese Zeilen ist die Freude darüber immer wieder zu erkennen, dass es Menschen gibt, die die gleichen Gedanken teilen wie man selbst und dadurch auf allen Ebenen motivieren.
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